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Donald Trump im Impeachment-Wahnsinn: Die Jagd nach dem letzten Beweis


Meinung
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Impeachment-Anhörungen gegen Trump
Die Sphinx, der Pitbull und die Jagd nach dem letzten Beweis

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 22.11.2019Lesedauer: 6 Min.
Fiona Hill: Ihre Aussage beendete eine fesselnde Woche im Kongress.Vergrößern des Bildes
Fiona Hill: Ihre Aussage beendete eine fesselnde Woche im Kongress. (Quelle: Chip Somodevilla/getty-images-bilder)
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Der US-Kongress hat mit einer Woche fesselnder Impeachment-Anhörungen Geschichte geschrieben. So hat unser Korrespondent das Spektakel vor Ort erlebt.

Guten Tag aus Washington,

wo wir eine ganz seltene Woche erlebt haben, in der Donald Trump einmal nicht die Agenda diktiert hat.

Die Schlagzeilen, die Aufmacher in den Abendnachrichten, die zahllosen Sondersendungen drehten sich zwar allesamt um Trump, doch sie entsprangen nicht wie üblich dem Weißen Haus, nicht aus Twitterkanal oder Auftritten des Präsidenten, sondern aus Saal 1100 des Longworth-Gebäudes auf dem Kapitolshügel.

Ich neige nicht zum Pathos, aber in diesem Anhörungssaal des US-Repräsentantenhauses wurde in dieser Woche Geschichte geschrieben. An drei Tagen wurde Trumps Geiselnahme der US-Außenpolitik zu persönlichen Zwecken in die Einzelteile zerlegt. 25 Stunden habe ich diese Woche in diesem Raum gehockt und konnte das aus der Nähe beobachten.

Kommen Sie mal mit ins Zentrum der "Impeachment-Untersuchung gegen Donald J. Trump, den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten" – mit diesen Worten beginnt der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, der Demokrat Adam Schiff, jeden Tag. Saal 1100 ist so monumental wie diese Angelegenheit. Zwei Adler wachen über meterhohen Säulen an den Seiten des Saals, ein gigantischer Kronleuchter leuchtet ins Oval, die Abgeordneten thronen auf einem handgeschnitzten Holzpodest über Zeugen, Journalisten, Besuchern. Drinnen ist es eiskalt.

Das ist die Arena, in der um die Amtsenthebung Trumps gekämpft wird.

Von den schon etwas weniger monumentalen Plastikstühlen der Reporter sieht man andere Gesten, hört andere Töne als am Fernseher. Bei jeder außergewöhnlichen Regung klicken Dutzende Auslöser. Kommt man morgens um 8 Uhr in den Saal, haben Dutzende Fotografen ihr Revier markiert und ihre Kameras auf dem weichen Teppich ausgelegt. In Saal 1100 wird alles geknipst, aus allen Richtungen, stundenlang, in alle Richtungen.

Der erste Mann, der in die Arena einzieht, kommt als stolzer Torero. Oberstleutnant Alexander Vindman, Kriegsveteran, ans Weiße Haus als Europa-Experte abgeordnet, schreitet in seiner mit Orden behangenen Uniform ein. Er steht eine Minute, zwei Minuten stramm im Fokus der Kameras, blickt selbstgewiss in alle Richtungen. Der Einwanderersohn als patriotischer Staatsbürger in Uniform.

Amerikaner lieben solche Bilder, solche Typen. Eigentlich.

Vindman soll gegen Trump aussagen. Er schlug im Weißen Haus Alarm wegen dessen Druck auf Kiew, Ermittlungen gegen innenpolitische Konkurrenten einzuleiten, gleich zwei Mal. Deshalb ist Vindman zur Jagd freigegeben. Pro-Trump-Medien und Republikaner werden den in der Ukraine geborenen Offizier als illoyal gegenüber den USA darstellen, Trump wird ihn als eitel und unbedeutend abqualifizieren.

Als ob er es schon ahnt, sucht er beim so stolzen Einmarsch am Dienstag unterm Klicken der Auslöser schon den Handschlag mit seinem Zwillingsbruder in der Reihe hinter dem Zeugenstand. Als er sein Statement abliest, zittern die Hände, und später reagiert er schnippisch auf einige der ehrabschneidenden Nachfragen.

Interessieren Sie sich für US-Politik? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

In der Arena kann es unerbittlich zugehen. Das erleben so unterschiedliche Zeugen wie der stolze Offizier, die "eiskalte" Russland-Expertin Fiona Hill, die Pentagon-Bürokratin Laura Cooper. Judith Williams, eine Mitarbeiterin von Vizepräsident Mike Pence, bekam schon davor einen kritischen Trump-Tweet gewidmet. Sie wird vorsichtig: Ihre Einschätzung zum berüchtigten Telefonat Trumps mit Selesnkyj schraubt sie von "unangemessen" auf "ungewöhnlich" herab.

Es wird auch gelacht in der Arena. Besonders viel am Mittwoch, als der wohl wichtigste Zeuge auftritt: EU-Botschafter Gordon Sondland.

Sondland ist 'ne Marke. So flapsig muss man das ausdrücken. Der große Glatzkopf, mit Hotels reich geworden, hat sein Amt einer Millionenspende zu verdanken. Er wurde Trumps Amigo für die versuchte Erpressung der Ukraine. Sondland ist ein schwieriger Zeuge: Er muss sich korrigieren gegenüber der ersten Aussage hinter verschlossenen Türen, hat Erinnerungslücken, nimmt sich selbst aus der Schusslinie und zieht dafür Trump, Vize Pence, Außenminister Pompeo hinein. Doch die Demokraten brauchen ihn, weil er der einzige mit direktem Draht zu Trump ist.

Im Weißen Haus hat Sicherheitsberater Tim Morrison, der am Dienstag ebenfalls aussagt, seine hemdsärmelige Art im Auftrage Trumps als "das Gordon-Problem" bezeichnet. Als ihn die Abgeordneten das Zitat unter die Nase reiben, scherzt Sondland: "So nennt mich meine Frau auch. Vielleicht reden die beiden miteinander? Soll ich mir Sorgen machen?" Die Arena lacht. Mit ihm? Über ihn? Ich weiß es nicht.

Sondland und seine Glaubwürdigkeit bleiben am Ende der Woche ein Rätsel.

Es gibt fünf Türen in die Arena. Eine für die Republikaner am Saalende, an den Seiten eine für Presse, eine für Besucher, eine für die Zeugen und oben auf dem Holzpodest eine für die Demokraten, die hier das Sagen haben. Ihre Tür ist von schweren blauen Samtvorhängen umrahmt, sehr würdig. Die Republikaner haben vor dem Samt Pappschilder aufgestellt, die Schiff angreifen. Eher unwürdig.

In der Arena geht es nicht um die Suche nach neuen Fakten, sondern darum, ob die Demokraten der Nation verständlich machen können, warum sie Trump aus dem Amt entfernen wollen. Für die Republikaner geht es um Verteidigung bis zur Verrenkung.

In der Sache ist's schwer, deshalb attackieren sie lieber die Untersuchung, die Medien und die Zeugen. Der Obmann Devin Nunes beginnt jede Eröffnungsrede mit einem lustlosen Hinweis, dass alles eine Quatschveranstaltung sei. "Willkommen zum fünften Tag des Zirkus", sagt Nunes etwas voreilig an Tag vier.

Dem schläfrigen Nunes haben die Republikaner in einer Last-Minute-Aktion einen Pitbull an die Seite gestellt. Jim Jordan aus Ohio blafft die Zeugen an, ohne sich mit Formalien wie einer Begrüßung oder dem Herstellen von Blickkontakt aufzuhalten. Jordan war mal Ringer, er läuft mit seinem breiten Kreuz oft an meinem Sitzplatz vorbei. Jordan kommt immer ohne Jackett, auch in der kalten Arena sitzt er im Hemd.

Der Herr im Haus sitzt wie eine Sphinx auf seinem Thron in der Mitte des holzgeschnitzten Podiums: Adam Schiff. Die Rückenlehne seines Sessels ist eine Handbreit höher als die der Kollegen. Zu seiner Rechten liegt der Holzhammer des Ausschussvorsitzenden. Klack. Wenn der Pitbull kläfft, wenn die Republikaner ihn provozieren, pariert er eiskalt. Oder er ignoriert sie gleich ganz. Er würgt jeden ab, der seine Redezeit um ein paar Sekunden überschreitet. "The time of the gentleman has expired." Klack.

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Schiff ist das Auge des Sturms. Er hat am Anfang der Untersuchung ein paar Fehler gemacht, aber diese Woche, die wichtigste Woche seiner langen Karriere, meistert er mit Bravour. Wenn Trump gegen einen Zeugen auf Twitter hetzt, hat Schiff den Tweet umgehend parat, schmiedet daraus neue Munition: Wir können ihn auch wegen Zeugeneinschüchterung anklagen.

Und das Draußen drängt immer wieder in die Arena. Während Sondland drinnen über die 20 Gespräche mit Trump berichtet, steht der vor dem Weißen Haus und sagt – wie er es immer tut, wenn es ungemütlich wird – er kenne den Mann eigentlich gar nicht. Rudy Giuliani, an dessen Rolle es nach der Woche keinerlei Zweifel mehr gibt, twittert derweil. Manch einen Tweet löscht er schnell wieder.

Schiff bleibt bei allem konzentriert, souverän, ruhig – bis er dann doch einmal laut wird. Sein 20 Minuten langes Abschlussstatement am Donnerstag endet in einem Crescendo. Warum Trump entfernt gehört, erklärt er mit einem Verweis auf zwei Tage Ende Juli: Nur einen Tag nachdem Sonderermittler Robert Mueller vor dem Kongress aussagte, wie Trump im Jahr 2016 Russland zur Einmischung aufgefordert hatte, wollte Trump dann in dem berüchtigten Telefonat mit Kiew nun die Ukraine als Helfer rekrutieren. "Am Tag danach!", ruft der ruhige Herr Schiff. Es gebe nichts Gefährlicheres als einen Präsidenten, der denkt, er stehe über dem Gesetz.

Es klingt wie das Schlussplädoyer des ganzen Prozesses.

Sind die Demokraten schon am Ziel? Meine Beurteilung der Lage hat sich nicht geändert: Es ist eindeutig, wie Trump die Macht des Amtes missbraucht hat, um mit Hilfe der Ukraine seinen innenpolitischen Gegnern zu schaden. Die Anhörungen haben dazu neue Indizien zu Tage gefördert, und die Demokraten werden Trump anklagen.

Doch den glasklaren Beweis, dass Trump es war, der alles so angeordnet hat, den haben auch die Anhörungen nicht ergeben. Heißt: Die Republikaner bleiben an Trumps Seite.

Trumps Schicksal ist das Eine.

Was aber noch wichtiger ist: Im Saal 1100 habe ich erlebt, wie sich die Demokraten im Kongress gegenüber einem Präsidenten behauptet haben, der keinerlei Respekt vor Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle hat. Das ist ein wichtiges Zeichen für die so ramponierte US-Demokratie – und die gute Nachricht am Ende dieser historischen Woche.

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