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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trump gegen Kongress Die Kriegserklärung
Keine Zeugen, keine Dokumente, gar nichts: Donald Trump will die Impeachment-Untersuchung im Kongress torpedieren. Das Schreiben seiner Anwälte hat es in sich.
Es sind acht DIN-A-4-Seiten mit allerlei Fußnoten, die am Dienstagabend vom Weißen Haus an das Repräsentantenhaus gehen und klarmachen: Donald Trump lässt sich auf gar nichts ein.
Unterschrieben vom Chefjustiziar des Weißen Hauses spricht die Erklärung der Impeachment-Untersuchung im Kongress ab, rechtmäßig, fair oder aufrichtig zu sein. Stattdessen unterstellt er den Demokraten lediglich ein Manöver, mit dem sie das Ergebnis der Präsidentschaftswahl von 2016 annullieren wollten.
Es ist eine Totalblockade, die das Weiße Haus auf diesem Wege bekannt gibt: keinerlei Kooperation mit den Ausschüssen im Repräsentantenhaus. Die Trump-Regierung will es demnach keinen Regierungsbeamten gestatten, vor der Kammer auszusagen, und keinerlei Dokumente herausgeben. Die Demokraten haben schon jetzt zahlreiche Informationen beim Weißen Haus angefordert.
Der Schritt ist bemerkenswert, da die amerikanische Verfassung dem Repräsentantenhaus ausdrücklich die Kompetenz zubilligt, eine Impeachment-Untersuchung zu führen. Beobachter sehen deshalb in dem Schreiben nicht nur eine Kriegserklärung an die Demokraten, sondern auch an das Prinzip der Gewaltenkontrolle.
Trump bekomme angeblich keinen fairen Prozess
White-House-Justiziar Pat Cipollone macht die angebliche Unrechtmäßigkeit unter anderem am Umstand fest, dass das Repräsentantenhaus noch kein offizielles Votum für die Eröffnung der Impeachment-Ermittlungen abgehalten habe. Tatsächlich hat die Sprecherin der Kammer und faktische Parteichefin Nancy Pelosi die Untersuchung lediglich auf einer Pressekonferenz vor zwei Wochen verkündet.
Doch Cipollone geht noch deutlich weiter: Trump werde ein gerechter Prozess verwehrt, behauptet er. Weiter heißt es, der führende Demokrat bei der Untersuchung, Adam Schiff, hantiere mit Unwahrheiten. Die Demokraten würden damit die kommende Präsidentschaftswahl beeinflussen.
"Der Präsident hat ein Land zu führen"
Das Schreiben des Justiziars wirkt dabei weniger wie eine juristische Argumentation und mehr wie eine parteipolitische Zuspitzung: Das Telefonat Trumps mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wird wiederholt als "komplett angemessen" dargestellt, deshalb gebe es keine Grundlage für eine Untersuchung. An anderer Stelle analysiert der Chefjustiziar: "Der Präsident hat ein Land zu führen." Mit anderen Worten: keine Zeit für solche Spielchen.
Der Ton des Schreibens wurde bereits am frühen Dienstag gesetzt. Das Weiße Haus untersagte es dem amerikanischen EU-Botschafter Gordon Sondland, am Vormittag vor dem Kongress auszusagen. Sondland war bereits von Brüssel nach Washington geflogen. Der Mann ist eine zentrale Figur in der Affäre. Trump erklärte den Schritt später auf Twitter mit dem Argument, man könne Sondland nicht vor einem korrupten Gericht aussagen lassen. Die Demokraten wollen nun mit Strafandrohung eine Aussage Sondlands erzwingen.
Demokratin Pelosi warnte Trump umgehend, dass er mit seiner Blockadepolitik Gefahr laufe, in einem möglichen Impeachment-Verfahren auch wegen Justizbehinderung angeklagt werden zu können.
Neue Umfragen zeigen Mehrheit für Untersuchung
Es ist gut möglich, dass das Weiße Haus mit dem Schreiben vor allem auf Zeit spielt. Bleibt es bei der Haltung der Regierung, werden die Demokraten wohl klagen müssen, um an die erbetenen Informationen zu gelangen. Der Prozess wird, unabhängig vom Ausgang, dauern.
Solange müssten sich die Ausschüsse dann wohl auf solche Zeugen stützen, die aus der Regierung ausgeschieden sind. Am Freitag wollen sie etwa die von Trump zurückbeorderte frühere Ukraine-Botschafterin Marie Yovanovitch vernehmen.
In einem Hintergrundgespräch gab das Weiße Haus keinerlei Antwort auf die wiederholten Fragen, unter welchen Umständen es doch noch mit dem Repräsentantenhaus kooperieren würde.
- News-Blog zur Ukraine-Affäre: Alle Entwicklungen zum Nachlesen
- Ukraine-Affäre: Die zwielichtige Rolle von Trumps EU-Botschafter
- Post aus Washington: Trumps Wut, Trumps Plan
Zu der Untersuchung wurden am Dienstag mehrere Meinungsumfragen veröffentlicht, die ähnliche Befunde aufweisen: In der neuesten Erhebung des konservativen "Wall Street Journal" und des Fernsehsenders NBC sind es 55 Prozent, die eine Untersuchung für richtig halten. Bei einer Erhebung der "Washington Post" sind es 58 Prozent.
Die Untersuchung, der vom Weißen Haus die Rechtmäßigkeit abgesprochen wird, wird also mittlerweile von einer Mehrheit der Bevölkerung befürwortet.
- eigene Recherchen
- White House: Brief ans Repräsentantenhaus (PDF, engl.)
- Umfragen von Wall Street Journal und Washington Post