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Hogg, Kim und Seehofer: Drei Fotos über die wir reden müssen


Meinung
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Schnappschüsse
Drei Fotos, über die wir reden müssen

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

02.04.2018Lesedauer: 6 Min.
David Hogg bei seiner Rede während des "March of Our Lives". Der Parkland-Überlebende lieferte sich im Anschluss einen Schlagabtausch mit einer Moderatorin des US-TV-Senders FOX.Vergrößern des Bildes
David Hogg bei seiner Rede während des "March of Our Lives". Der Parkland-Überlebende lieferte sich im Anschluss einen Schlagabtausch mit einer Moderatorin des US-TV-Senders Fox. (Quelle: Jonathan Ernst/reuters)
News folgen

Kim Jong Un besucht Xi Jinping, ein junger Mensch hält eine Rede und Horst Seehofer lässt nur Männer um sich sein: Drei ernste Fotos erzählen unfreiwillig ihre Geschichte und wir können sogar darüber lachen.

Heute machen wir mal etwas anderes, wir widmen uns nicht den Worten der üblichen Verdächtigen, sondern schauen Fotos an, die uns eine Geschichte erzählen. Drei sind es und sie führen uns über Washington nach Peking und dann nach Berlin.

Ein Student reckt seine Faust

Den Anfang macht ein junger Mann im Anzug, der seine geballte rechte Faust in den Himmel reckt. Er heißt David Hogg und ging in Parkland auf die Schule, an der ein Psychopath siebzehn Schüler und Erwachsene erschoss. Der Amoklauf hat sein Leben verändert. Er ist nicht mehr nur ein Schüler, der demnächst ein Student sein wird. Das schreckliche Ereignis hat ihn politisiert und lässt ihn für eine Sache kämpfen, die größer ist als er. Mit Hunderttausenden aus ganz Amerika kam er nach Washington, demonstrierte gegen den Irrsinn des Waffenkults und hielt dabei eine Rede.

Das Foto zeigt ihn danach, einen jungen Menschen mit schmalem Gesicht im Anzug, die rechte Faust erhoben. Vermutlich ist es eine spontane Geste, die nichts zu besagen hat. Wäre sie politisch motiviert, hätte er vermutlich die linke Faust geballt. An anderer Stelle hat er gesagt, es wäre schön, wenn die Diskussion über die Notwendigkeit neuer Waffengesetze nicht im üblichen Links-Rechts-Raster enden würde, sondern als eine Sache, welche die Amerikaner unter sich ausmachten.

Ein Idealist, könnte man sagen, der vom permanenten Kulturkampf nichts versteht. Jung eben und naiv.

Amerikas Rechte will Demonstranten mundtot machen

Die Rechte in Amerika sieht die Sache anders. Sie ist es gewohnt, alles als Links-Rechts-Kulturkampf zu bewerten und deshalb sind diese vielen jungen Menschen, die seit dem Parkland-Massaker öffentlich gegen die Waffengesetze und deren Lobby auftreten, ein reines Ärgernis, das sie schnell mundtot machen müssen. Es begann damit, dass die üblichen Verschwörungstheoretiker behaupteten, David Hogg sei gar kein Schüler, sondern ein Schauspieler, der einen vorgeschriebenen Text (von Hillary Clinton? Nancy Pelosi?) gegen Geld aufsage. Als diese absurde Behauptung ins Leere ging, trat Laura Ingraham in Erscheinung.

Laura Ingraham gehört zu den blonden Kampfmaschinen, die auf Fox News gegen alles hetzen, was sie als links oder liberal definieren. Diesmal machte sie auf Twitter Stimmung gegen den jungen Mann, von dem sie sagte, er jammere nur herum, weil ein paar Universitäten seine Bewerbung abschlägig beschieden hätten, was kein Wunder sei. Davon konnte sie nur deshalb wissen, weil David Hogg in den sozialen Netzwerken darüber geschrieben hatte: geht vielen jungen Amerikanern so, die einen Unis lehnen sie ab, die anderen nehmen sie an.

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Der Erfolg der "March for Our Lives"-Bewegung ist erstaunlich. Die militante Rechte nimmt die jungen Parkland-Menschen so ernst, dass sie dagegen mit den üblichen Methoden vorgeht, Verächtlichmachung und Verunglimpfung. Wirklich interessant aber wird es erst jetzt.

Liste von Werbefirmen der Show im Netz – die reagieren

David Hogg jammerte nicht, im Gegenteil. Er veröffentlichte in den sozialen Netzwerken eine Liste der Firmen, die in Laura Ingrahams Show Anzeigen schalten und erzielte die erhoffte Wirkung. Sieben Konzerne zogen ihre Anzeigen zurück, darunter TripAdvisor und Nestlé.

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Alles lässt Fox News kalt, aber nicht der Rückgang der Werbung. Daraufhin musste Laura Ingraham zum Äußersten schreiten und sich öffentlich entschuldigen: "On reflection, in the spirit of Holy Week, I apologize for any upset or hurt my tweet caused him or any of the brave victims of Parkland." Sie kroch zu Kreuze und lud David Hogg sogar in ihre Sendung ein. Nö, sagte der.

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Resümee: Von Hogg können in Amerika jetzt viele lernen, was den Brüllsender Fox News zum Einlenken zwingt.

Ein Diktator auf Reisen

Auf meinem zweiten Foto stehen zwei Männer nebeneinander, schütteln sich die Hände und schauen sich dabei nicht an, sondern regungslos in die Kameras. Die eine Hand ist ein Patschhändchen und gehört Kim Jong Un, dem geliebten Marschall und Führer und überhaupt genialen Staatenlenker Nordkoreas. Er ist im gepanzerten Zug nach Peking gereist, heimlich, aber dann hat sein Gastgeber wohl beschlossen, daraus einen halben Staatsbesuch zu machen, wozu zweifellos das Händeschütteln mit starrer Miene gehört. Xi Jinping hält die Augen fast geschlossen und scheint gequält zu schmunzeln.

Das Schmunzeln fasziniert mich: Was denkt er jetzt? Womöglich: Du lieber Himmel, was mache ich nur hier? Oder: Dieser Feiste am Ende des fleischigen Händchens – wie wär’s mit Abnehmen? Oder auch: Damit das endlich klar ist, dieses Kerlchen mit der absurden Fussballerfrisur halte ich jetzt und jederzeit an der Kandare.

Ich wette, dass sie auch in Washington versuchen, die Aussagekraft dieses Fotos zu bewerten. Ende Mai will "The Donald" dem jungen Kim in Pjöngjang seine Aufwartung machen. Hat sich Kim schnell noch Rat bei Xi geholt oder ist er vorgeladen worden? Will er freiwillig über sein Atomprogramm verhandeln oder auf Geheiß der Chinesen, die sein Land unter ihrem Patronat halten? Was erwartet Trump und was muss er im Gegenzug gewähren?

Resümee: Xi wollte die Hierarchie zurechtrücken: Nichts geschieht hier ohne uns. Die zweite Botschaft erging an die USA: Seid vorsichtig mit eurem Handelskrieg, wenn ihr in Nordkorea etwas erreichen wollt, denn ob ihr wollt oder nicht, wir sitzen mit am Tisch.

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Das Männerteam des Innenministeriums

Mein drittes Lieblingsfoto zeigt neun Männer. Zwei halten die Hände vor dem Gemächt gefaltet, bei den meisten schlackern die Arme ziellos und hängen die Schultern erbarmungswürdig nach unten. Viele Hosen sind zerknittert, zu viele Schuhe braun. Jedem von ihnen würde ich eine Modeberaterin empfehlen und wieso ausgerechnet der Kleinste rechtsaußen steht, kann kein Fotograf mit nur geringem Sinn für Choreografie rechtfertigen.

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Der Heimatminister steht in der Mitte, vier Staatssekretäre rechts von ihm, vier links. Die Krawatte liegt schief am Hemd, er sieht gedrungen aus, trotz seiner Größe. Er wirkt wie jemand, der hier ist, weil er hier sein muss, wo er doch viel lieber Ministerpräsident von Bayern geblieben wäre, zumal er sich dort keine Ausrede einfallen lassen müsste, warum seine Führungsmannschaft nur aus Männern von ästhetisch zweifelhafter Imposanz besteht und keine einzige Frau dabei ist.

Die neun Männer sehen nicht so aus, als fehlte ihnen irgendetwas oder irgendwer. Im Gegenteil, sie sind ja nun wer, genauer gesagt sind fünf von ihnen beamtete und drei parlamentarische Staatssekretäre. Acht Staatssekretäre! Gab's noch nie! Die Masse macht's, gibt dem Minister seinen Rang und seine Bedeutung! So ist er, der Seehofer Horst!

"Frauen gehören nicht zu Deutschland"

Nun wüsste ich gerne, ob es irgendwelche Warnungen vor der Rezeption dieses frauenfreien Fotos gegeben hat. War einem der Acht mulmig? Keiner von denen sieht danach aus. Sagte der Pressesprecher irgendetwas in Richtung: Kommt vielleicht nicht gut, keine Frau dabei, womöglich macht sich einer dort draußen lustig über Sie, Herr Minister, und das können wir nicht wollen, bitte submissest zu bedenken? Hat Horst Seehofer ihm darauf bedeutet: Es gibt keine Obergrenze für Männer in meinem Ministerium und Frauen sind schon genug in der Regierung vertreten, so ein Schmarrn, und außerdem hab' ich mich privat lange genug mit zweien herumgeschlagen?

Schön am Shitsorm im Netz, der dem Foto folgte und zu seiner Entfernung führte, war die schiere Ironie. Es kann so entspannend sein, wenn nicht alle alles blutig ernst nehmen, sondern ins Lächerliche ziehen. Seehofer: Frauen gehören nicht zu Deutschland! – dieser Tweet ist preisverdächtig.

Resümee: Peinlicher als die Veröffentlichung des Fotos war nur die Begründung für seine Entfernung: Das Kabinett sei noch nicht mit der Führungsmannschaft des Innenministeriums befasst gewesen. Ach so! Schwerer Fehler, Herr Minister! Wann endlich fordert Sarah Wagenknecht oder Alice Seidel den Heimatminister zum Rücktritt auf?

Von allen Menschen, die auf den drei Fotos verewigt sind, werden wir in nächster Zeit hören. Am meisten gespannt bin ich darauf, was aus David Hogg wird, dem schlauen jungen Mann aus Parkland. Weltpolitisch am wichtigsten ist das Treffen von Pjöngjang in einigen Wochen. Und mit der nächsten Personalentscheidung des Heimatministers wird eine Frau in eine leitende Position versetzt, wetten?

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