Zoff um Nord Stream 2 Deutschland verurteilt US-Sanktionen als "Einmischung"
Die US-Strafmaßnahmen gegen den Betreiberkonzern der Nord Stream 2-Pipeline haben international Empörung ausgelöst. Die Bundesregierung lehnt die Sanktionen ab. Russland kündigte Gegenmaßnahmen an.
Die Bundesregierung hat die Inkraftsetzung der US-Sanktionen gegen den Bau der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream als "Einmischung" verurteilt. "Die Bundesregierung lehnt derartige extraterritoriale Sanktionen ab", teilte die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Ulrike Demmer, am Samstag mit. "Sie treffen deutsche und europäische Unternehmen und stellen eine Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten dar."
Demmer erklärte weiter, die US-Maßnahmen würden insbesondere mit dem Schutz der Ukraine begründet. Sie verwies in dem Zusammenhang auf die am Donnerstag in Berlin erzielte Grundsatzeinigung über einen neuen Gastransitvertrag zwischen Russland und der Ukraine. Die Inkraftsetzung der US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 sei vor diesem Hintergrund "besonders unverständlich", sagte Demmer.
Mützenich: Werden uns erpresserischen Methoden nicht beugen
Auch die Regierungspartei SPD kritisierte die Sanktionen. Der US-Kongress habe mit seinem Sanktionsbeschluss bereits erheblich in die energiepolitische Souveränität der Europäischen Union eingegriffen, sagte Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich der Nachrichtenagentur dpa. Die unmittelbare Inkraftsetzung durch Präsident Trump sei ein zusätzlicher Schritt, der das transatlantische Verhältnis weiter belaste. "Die EU und Deutschland sind für Trump offenbar keine verbündeten Partner, sondern tributpflichtige Vasallen." Eigenständigkeit werde sanktioniert. "Diesen erpresserischen Methoden werden wir uns nicht beugen", sagte der SPD-Fraktionschef.
Der außenpolitische SPD-Fraktionssprecher Nils Schmid sagte der dpa: "Die europäische Energiepolitik wird in Europa entschieden, nicht in den USA." Ähnlich hatte sich zuvor bereits Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) geäußert. Nils Schmid warnte, dass die Sanktionen auch die unter EU-Vermittlung laufenden russisch-ukrainischen Verhandlungen über die Durchleitung von Gas durch die Ukraine nach Ost- und Mitteleuropa gefährden könnten, weil auf beiden Verhandlungsseiten die Hardliner gestärkt werden könnten.
Die Linke äußerte scharfe Kritik und forderte Gegenmaßnahmen. "Dass die USA Unternehmen, die an der Fertigstellung von Nord Stream 2 arbeiten, mit vernichtenden Sanktionen bedrohen, ist ein völlig inakzeptabler Vorgang und ein Tiefpunkt in den transatlantischen Beziehungen", sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch der dpa. Er erwarte, dass die Bundesregierung "diesen Wirtschaftskrieg" nicht unbeantwortet lasse und Gegensanktionen auf den Weg bringe.
Heikle Sache für die EU-Kommission
Die EU-Kommission hielt sich dagegen bei der Bewertung der Sanktionen zurück. Man prüfe derzeit die möglichen Auswirkungen auf europäische Unternehmen, erklärte die Brüsseler Behörde.
"Prinzipiell lehnt die EU Sanktionen gegen EU-Firmen ab, die rechtmäßige Geschäfte betreiben", sagte ein Sprecher. Ziel der Kommission sei immer gewesen, dass Nord Stream 2 in transparenter und nicht diskriminierender Weise betrieben werde und einer angemessenen Aufsicht unterliege. Mit der 2019 in Kraft gesetzten EU-Gasrichtlinie gebe es nun klare Regeln für alle Pipelines aus Drittländern in den europäischen Gasmarkt.
Für die EU-Kommission ist die Sache heikel. Deutschland steht hinter dem Gasprojekt, doch lehnen es mehrere EU-Staaten ab, darunter Polen und Dänemark. Die Kommission forcierte deshalb die Reform der Gasrichtlinie, die den Betrieb der Leitung EU-Regeln unterwerfen soll. Auch darum hatte es jahrelang Streit gegeben.
Bau dürfte sich verzögern und teurer werden
Moskau reagierte erwartbar kühl auf die Strafmaßnahmen. Die USA versuchten damit, Russland als Konkurrenten vom europäischen Energiemarkt zu verdrängen und amerikanische Firmen zu etablieren, sagte der russische Parlamentsabgeordnete Dmitri Nowikow am Samstag der Agentur Interfax. Ziel sei es, die Europäer zum Kauf des teuren Flüssiggases aus den USA zu zwingen, obwohl das unwirtschaftlich sei.
Es wird nun erwartet, dass der Bau der Leitung teurer wird und sich verzögert, weil Russland keine eigenen Spezialschiffe für die Verlegung der Pipeline-Rohre hat und Ersatz suchen muss. Trotzdem gehen die Russen davon aus, dass Nord Stream 2 fertiggebaut werden kann. Kremlchef Wladimir Putin hatte zudem Gegenmaßnahmen auf die US-Sanktionen angekündigt.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa