Krieg in der Ukraine Diese Stadt ist offenbar Russlands "verwundbarster Punkt"
Nach ihrem Abzug aus Cherson konzentrieren sich die russischen Truppen auf den Osten. Dort greift die Ukraine sie nun offenbar an ihrer schwächsten Stelle an.
Aus der Stadt Cherson in der Südukraine haben sich die russischen Truppen zurückgezogen. Nun scheinen sie ihre Kräfte auf den Osten des Landes zu konzentrieren. Wie das britische Verteidigungsministerium auf Grundlage von Geheimdienst-Erkenntnissen mitteilte, steht die ukrainische Kleinstadt Swatowe in der Region Luhansk derzeit im Fokus der russischen Bemühungen, Gelände gegen die Ukrainer zu verteidigen.
Die ukrainische Armee hatte zuvor eine Gegenoffensive an der Front zwischen Swatowe und Kreminna begonnen. Beide Seiten meldeten in den vergangenen Tagen heftige Gefechte in der Region.
Geheimdienste: Russlands verwundbarster Punkt
Die ukrainische Führung hofft dort offenbar auf schnelle Erfolge. "Da Russlands südwestliche Frontlinie entlang des Ostufers des Flusses Dnipro nun leichter zu verteidigen ist, ist der Swatowe-Sektor nun wahrscheinlich eine verwundbarere operative Flanke der russischen Streitkräfte", teilten die britischen Geheimdienste mit.
Eine Eroberung wäre ein Erfolg für die Ukrainer und ein großer strategischer Verlust für Russland. Denn Swatowe ist ein wichtiger Knotenpunkt. Ein ukrainischer Vorstoß hätte "den Vorteil, eine wichtige Versorgungslinie zu den russischen Befestigungen im Osten (Donbass) zu unterbrechen", schreibt der britische Militärexperte Mike Martin auf Twitter.
Schlecht ausgebildete Reservisten an der Front
Die britischen Geheimdienste gehen davon aus, dass die russische Führung darauf reagieren wird. "Als bedeutendes Bevölkerungszentrum im Gebiet Luhansk wird die russische Führung höchstwahrscheinlich die Beibehaltung der Kontrolle über Swatowe als politische Priorität ansehen", hieß es in dem Report.
Russland baut dem Bericht zufolge dort, wie auch an anderen Stellen der Front, bereits seine Verteidigungspositionen aus. Allerdings seien diese vornehmlich mit schlecht ausgebildeten Reservisten besetzt. "Die Kommandeure kämpfen jedoch wahrscheinlich mit der militärischen Realität, eine glaubwürdige Verteidigung aufrechtzuerhalten, während sie gleichzeitig versuchen, offensive Operationen weiter südlich in Donezk mit Ressourcen auszustatten", teilte das Ministerium weiter mit. "Sowohl die Verteidigungs- als auch die Offensivfähigkeit der russischen Truppen wird weiterhin durch einen ernsthaften Mangel an Munition und qualifiziertem Personal behindert."
Probleme auch auf ukrainischer Seite
Russische Militärblogger berichten allerdings auch von Problemen auf ukrainischer Seite. Die Wetterbedingungen verlangsamten die ukrainische Gegenoffensive. Davon spricht auch ein ukrainischer Soldat in dem Videobericht von Radio Free Europe. "Wenn es regnet, können die Drohnen nicht operieren", sagt er.
Das schränkt die Handlungsfähigkeit der Ukrainer empfindlich ein. Denn mithilfe der Drohnen identifizieren sie Ziele wie Munitionsdepots oder Angriffsstellungen, die sie dann beschießen. In den vergangenen Tagen, so sagt der Soldat, sei das Wetter immer schlechter geworden.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- understandingwar.org: Russian Offensive Campaign Assessment, November 20
- twitter.com: Thread des britischen Verteidigungsministeriums
- twitter.com: Thread von Mike Martin
- youtube.com: Bericht von Radio Free Europe (mit englischem Untertitel)