"Europa aufrütteln" Vater und Bruder von Assange fordern deutsche Unterstützung
Julian Assange soll an die USA ausgeliefert werden – seine Familie will das verhindern und wirbt auch in Deutschland um Unterstützung. Die Regierung sieht die Bedingungen für eine Aufnahme nicht gegeben.
Im Fall der drohenden Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange von Großbritannien an die USA geht der Sprecher von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht von einer Aufnahme in Deutschland aus. "Ich glaube, dafür sind die Voraussetzungen nicht da", sagte Steffen Hebestreit am Montag vor Journalisten in Berlin. Assange könne nur aufgenommen werden, wenn er in Deutschland sei.
Zu möglichen Kontakten zu den betroffenen Regierungen könne er nichts sagen, sagte Hebestreit weiter. Es handele sich um "ein Rechtsverfahren" in einem anderen Land. Er wüsste nicht, wie die Bundesregierung da auf politischer Ebene eingreifen könne.
Vater und Sohn von Assange hoffen auf G7-Gipfel
Familienangehörige von Assange haben von der Bundesregierung indes rasche Unterstützung verlangt. Kurz vor dem anstehenden G7-Gipfel im bayerischen Elmau appellierten der Vater und der Bruder Assanges an die Regierung, in dem Fall direkt auf die USA zuzugehen. "Die deutsche Regierung sollte Präsident (Joe) Biden gegenüber ihre Besorgnis zum Ausdruck bringen und darum bitten, dass dieses Verfahren eingestellt wird", sagte der Assanges Bruder, Gabriel Shipton, am Montag in Berlin.
Deutschland sei ein leuchtendes Beispiel für eine Demokratie. Die Strafverfolgung Assanges sei Unrecht – wenn sie unterstützt werde, sei man gegenüber Unrechtsstaaten nicht mehr glaubwürdig.
Assanges Vater John Shipton hält eine klare Stellungnahme der Bundesregierung für nötig. Diese würde Europa aufrütteln, sagte Shipton. Beide Familienangehörige trafen sich am Montag unter anderem mit Politikern der Linken, die seit langem für eine Aufnahme von Assange in Deutschland sind.
Abgeordneten-AG: Politisches Asyl sollte geprüft werden
In einer gemeinsamen Erklärung forderten die Linkenabgeordnete Sevim Dagdelen und ihre Kollegen Ulrich Lechte (FDP), Max Lucks (Grüne) und Frank Schwabe (SPD) am Montag, die Auslieferung von Assange an die USA müsse verhindert werden. Die Mitglieder der fraktionsübergreifenden Abgeordneten-AG "Freiheit für Julian Assange" erklärten: "Journalisten sollten für ihre Arbeit nicht verfolgt und bestraft werden. Nirgendwo."
Im Interesse der Pressefreiheit wie auch aus humanitären Gründen müsse Assange umgehend freikommen. Die Bundesregierung solle sich in Gesprächen mit London dafür einsetzen. "Angesichts der vielfältigen Appelle an die Bundesregierung, Julian Assange politisches Asyl in Deutschland anzubieten, sollte dies durch die Bundesregierung geprüft werden."
Britische Regierung genehmigte Auslieferung
Wikileaks hatte 2010 geheime Dokumente zu den Kriegen im Irak und in Afghanistan veröffentlicht. Sie enthielten brisante Informationen über die US-Einsätze, unter anderem über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen. Assange wurde 2019 in Großbritannien festgenommen, nachdem er sich sieben Jahre lang in der ecuadorianischen Botschaft in London einem Zugriff entzogen hatte. Seit mehr als drei Jahren sitzt der Australier im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh bei London.
Vergangene Woche gab die britische Regierung grünes Licht für die Auslieferung von Assange an die USA. Der Australier und seine Unterstützer haben die Verfahren gegen ihn immer wieder als politisch motiviert kritisiert.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa