Ärger nach Gedenkfeier Moskau: Selenskyj hat unsere Kriegsopfer beleidigt
Trug die Sowjetunion eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg? Das hat der ukrainische Präsident bei den Gedenkfeiern zum Jahrestag des Befreiung von Auschwitz behauptet. Russland reagiert empört.
Russland hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach dem Holocaust-Gedenken in Polen eine Beleidigung der Opfer des Zweiten Weltkriegs vorgeworfen. Mit seinen Äußerungen zu den Ursachen für den Beginn des Zweiten Weltkrieges beleidige Selenskyj das Andenken an jene, die den Faschismus bekämpften, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Selenskyj hatte am Montag am Rande der Gedenkfeiern zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz der Sowjetunion eine Mitschuld am Beginn des Weltkrieges gegeben.
Die These ist umstritten. Als Tatsache gilt aber, dass die Faschisten unter Hitler und die sowjetischen Kommunisten unter Josef Stalin die Aufteilung Polens unter sich beschlossen hatten. Über die Deutung des Hitler-Stalin-Pakts gibt es auch in Russland heute wieder Streit. Der Kreml beruft sich darauf, Stalin habe einen deutschen Angriff auf die Sowjetunion abwenden wollen. Nach dem deutschen Einmarsch in Polen 1939 hatten auch sowjetische Truppen das Land vom Osten her überfallen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte das russische Parlament den Pakt verurteilt.
"Polen und das polnische Volk haben als erste die Folgen des verbrecherischen Komplotts der totalitären Regime gespürt", sagte Selenskyj nach einem Treffen mit seinem polnischen Amtskollegen Andrzej Duda. "Das führte zum Beginn des Zweiten Weltkriegs und erlaubte es den Nazis, das todbringende Pendel des Holocausts in Gang zu setzen."
Das Gedenken ist umkämpft
Die Ukraine gehörte wie Russland zur Sowjetunion. Russland wirft vor allem Polen immer wieder vor, das Andenken an die sowjetischen Truppen, die Auschwitz und auch Polen von den Faschisten befreiten, in den Schmutz zu ziehen.
Kremlsprecher Peskow warf Selenskyj vor, einer falschen Geschichtsdeutung aufzusitzen. Die russische Botschaft in Berlin teilte mit, dass Polen es der Sowjetunion zu verdanken habe, heute noch als Staat zu existieren. Bezahlt habe das Land mit "600 Tausend Leben von Rotarmisten, die Polen vom Nationalsozialismus befreit haben", hieß es in der Mitteilung. "Es ist nur ihnen zu verdanken, dass Polen heute als Staat existiert." Polen sieht die Sowjetunion, die den Krieg gewann, dagegen als Besatzungsmacht.
- Nachrichtenagentur dpa