Mali-Mission Wie Putin vom Bundeswehr-Chaos profitiert
Die Beziehungen zwischen Mali und Deutschland sind höchst angespannt. Das könnte vor allem einem nützen: Kremlchef Wladimir Putin.
Seit fast zehn Jahren ist die Bundeswehr in dem von gewalttätigem Extremismus und bitterer Armut betroffenen Sahel-Staat Mali stationiert. Die deutsche Beteiligung an dem UN-geführten Blauhelm-Einsatz Minusma soll dem Schutz der malischen Zivilbevölkerung dienen – das war zumindest der Plan. Doch nun steht der Einsatz auf der Kippe: Wegen Unstimmigkeiten mit der malischen Regierung liegt die Bundeswehr-Mission seit Freitag auf Eis.
Mali ist ein Land am Abgrund. Seit zehn Jahren versuchen islamistische Milizen, den Sahel-Staat zum Aufmarschgebiet des Dschihadismus zu machen. Sozial und ethnisch aufgeladene Konflikte verschärfen die Instabilität. Seit 2013 versuchen internationale Truppen hingegen – unter ihnen die Bundeswehr –, die Islamisten zu stoppen.
Für Deutschland ist Mali kein verlässlicher Partner mehr
Doch die erhoffte Stabilisierung blieb aus. Die Demokratie in Mali kollabierte: Seit 2021 herrschen Militär-Putschisten unter dem Übergangspräsidenten Assimi Goita. Sie verweigern die Rückkehr zur Demokratie, wenden sich von den westlichen Partnern ab und suchen die Nähe zu Russland. Für Deutschland ist Mali kein verlässlicher Partner mehr.
Sollte Deutschland die Bundeswehr endgültig aus Mali abziehen, würden sich neue Probleme strategischer Art ergeben. Sollten sich auch andere westliche Länder aus Mali zurückziehen, und der Einsatz so enden, würde dies unweigerlich als weitere strategische Niederlage des Westens gewertet werden. "Das wäre ein geopolitischer Sieg Russlands", sagte der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako, Ulf Laessing, zur Nachrichtenagentur AFP.
Moskau könnte die Lücke füllen
Russland baut vor dem Hintergrund wachsender Spannungen zwischen europäischen Staaten und Mali seine Beziehungen zu dem westafrikanischen Staat aus. Präsident Wladimir Putin habe in einem Telefonat mit dem amtierenden malischen Regierungschef Assimi Goita am Mittwoch Lieferungen von Lebensmitteln, Dünger und Treibstoff erörtert, teilte die Regierung in Moskau mit. Goita twitterte, man habe über Hilfen Russlands bei dem derzeitigen politischen Übergang gesprochen.
Moskau könnte die Lücke füllen, die ein Abzug der westlichen Truppen in Mali hinterlassen würde. Die Spannungen verschärften sich auch durch die Zusammenarbeit der Militärjunta mit der russischen Söldner-Truppe Wagner, die dem Kreml nahestehen soll und im Verdacht steht, massive Menschenrechtsverletzungen zu begehen.
Massaker an 30 Zivilisten
In diesem Zusammenhang sorgte ein vertraulicher UN-Bericht für Aufsehen: Demnach hätten Soldaten im Auftrag der malischen Regierung offensichtlich ein Massaker an mehr als 30 Zivilisten angerichtet. Das Dokument lag der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vor.
Darin werden die Täter als "weiße Soldaten" beschrieben. Die Söldnergruppe Wagner wird dabei zwar nicht direkt genannt, dpa-Informationen zufolge besteht aber kein Zweifel, dass die Fachleute die durch Zeugen beschriebenen Soldaten für Wagner-Angehörige halten. Nicht zuletzt, weil die Art der bei der Tat benutzten Stricke aus russischen Militärbeständen bekannt ist.
Der Vorfall fand demnach Anfang März in Zentralmali an der Grenze zu Mauretanien statt. An diesen beiden Tagen seien in der Region sechs Orte durch malische Streitkräfte angegriffen worden. Nahe eines gut besuchten Brunnens seien die "weißen Soldaten" am Morgen des 5. März aufgetaucht: "Die Soldaten trieben die Männer und älteren Jungen zusammen, fesselten ihnen die Hände auf den Rücken und verbanden ihnen die Augen."
"Sie konnten nur die Schreie der Männer hören"
Sie wurden in der Folge im Dorfzentrum zusammengetrieben, die umstehenden Häuser wurden geplündert, wie es unter Berufung auf Zeugenaussagen weiter heißt. Danach hätten die Soldaten angefangen, die Gefesselten mit schweren Stöcken zu schlagen, derweil hätten andere Männer die Türen der Häuser für die darin befindlichen Frauen und Kinder blockiert. "Sie konnten nur die Schreie der Männer hören, als sie geschlagen wurden." 33 oder 34 von ihnen, darunter 29 Mauretanier und vier Malier, seien verschleppt worden. Sie wurden einen Tag später erschossen und verbrannt vier Kilometer entfernt gefunden.
Ähnliche Plünderungen hätten auch in den anderen betroffenen Orten der Region stattgefunden. An zwei von ihnen seien "weiße Soldaten" zunächst mit einem Hubschrauber gelandet. Die Zeuginnen und Zeugen hätten aber keinen der Täter identifizieren können.
Laut UN gibt es einen alarmierenden Anstieg getöteter Zivilisten in Mali. Alleine vom 1. Januar bis zum 31. März seien 543 Unbeteiligte umgebracht worden.
Offene Schikanen seitens der Junta
Der Militärputsch und die Präsenz der russischen Söldner stellen eines der wichtigsten Ziele der Bundeswehr infrage – nämlich, Mali auf dem Weg zu Stabilität und Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen. An Gründen für eine Beendigung des Bundeswehreinsatzes mangelt es so nicht.
Zuletzt kamen offene Schikanen seitens der Junta hinzu: Sie verweigerte Startgenehmigungen für Aufklärungsdrohnen und Überflugrechte für Bundeswehr-Flugzeuge. Deshalb sitzen derzeit rund 110 Bundeswehr-Soldaten in Mali fest, deren Einsatz eigentlich vorbei ist; 140 Soldatinnen und Soldaten, die sie ablösen sollten, können nicht einreisen.
Die malische Regierung sendet verwirrende Signale
Die Gemengelage ist komplex, die malische Regierung sendet verwirrende Signale. Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums hatte Malis Verteidigungsminister Sadio Camara seiner deutschen Kollegin erst am Donnerstag zugesagt, dass die Bundeswehr ohne zusätzlich Auflagen arbeiten könne – am Tag darauf wurde der Bundeswehr der Ablöse-Flug verweigert. Berlin reagierte mit der Aussetzung der gesamten Mission.
Die Entscheidung zur Aussetzung "beeinträchtigt die weitere Minusma-Mission, sie legt den Einsatz praktisch lahm", sagt Sahel-Experte Laessing. Eine wirklich gute Option hatte die Bundesregierung nicht. Sprecher Steffen Hebestreit stellte am Freitag klar: "Solch ein Einsatz macht aber nur Sinn, wenn er von der dortigen Regierung unterstützt wird." Ministerin Lambrecht kritisierte auf Twitter: "Die Taten Camaras sprechen eine andere Sprache als seine Worte."
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters