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Von der Leyen wirft Russland "Erpressung" vor: Moskau weist Vorwürfe zurück


Gaslieferungen gestoppt
Von der Leyen wirft Russland "Erpressung" vor

Von afp, dpa, reuters, joh, lw

Aktualisiert am 27.04.2022Lesedauer: 4 Min.
Ursula von der Leyen: Die Präsidentin der Europäischen Kommission verurteilt den Gas-Lieferstopp Russlands scharf.Vergrößern des Bildes
Ursula von der Leyen: Die Präsidentin der Europäischen Kommission verurteilt den Gas-Lieferstopp Russlands scharf. (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)

Russland liefert kein Gas mehr nach Polen und Bulgarien. Die Reaktionen aus Europa fallen einheitlich aus. Die EU sieht sich für derartige Maßnahmen jedoch gewappnet.

Im Gasstreit zwischen Russland und dem Westen stellt der Staatskonzern Gazprom seine Lieferungen nach Polen und Bulgarien ein. Durch die Jamal-Pipeline fließe kein russisches Gas mehr. Die Reaktionen gehen in eine Richtung. Ein Überblick:

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht den Stopp russischer Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien mit Sorge. Eine Sprecherin von Minister Robert Habeck (Grüne) sagte am Mittwoch in Berlin, die Versorgungssicherheit in Deutschland sei aktuell gewährleistet. "Die Gasflüsse sind zum jetzigen Zeitpunkt alles in allem auf einem stabilen Niveau." Die Lage werde aber sehr genau beobachtet. Es seien bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Engpässe festgestellt worden.

Bundesregierung gegen westliches Embargo

"Wir sehen aber mit Sorge, dass es in europäischen Partnerländern zum Stopp der Lieferungen gekommen ist. Wir sind in enger Abstimmung innerhalb der Europäischen Union, um das Lagebild zu konsolidieren." Die entsprechenden Gremien tagten am Mittwoch.

Die Bundesregierung hatte wegen der Abhängigkeit von russischem Gas vor schweren wirtschaftlichen Schäden gewarnt, sollten russische Lieferungen ausbleiben – sie ist daher gegen ein westliches Embargo.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte den Stopp der Gaslieferungen an Polen und Bulgarien durch Russland scharf. "Das ist ein Regelbruch seitens Russland, das ist ein Erpressungsversuch. Den kann man nicht einfach hinnehmen, gegen den muss man sich zur Wehr setzen", sagte er am Mittwoch nach einem Gespräch mit der slowakischen Präsidentin Zuzana Caputova in der Stadt Kosice im Osten des Landes.

Zugleich betonte Steinmeier, es bleibe bei der europäischen Linie die Gaslieferungen weiter mit europäischer Währung zu bezahlen. Dies bekräftigte auch Caputova. "Wir werden unser Verhalten jetzt nicht ändern." Es gebe gültige Verträge. Caputova wies darauf hin, dass ihr Land zu rund 80 Prozent von russischem Gas abhängig sei. Dies müsse sich schnell ändern.

Von der Leyen: "Erpressung"

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warf Moskau im Zusammenhang mit dem russischen Gas-Stopp "Erpressung" vor. "Die Ankündigung von Gazprom ist ein weiterer Versuch Russlands, uns mit Gas zu erpressen", schrieb von der Leyen am Mittwoch auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter. Die EU sei auf dieses Szenario aber vorbereitet und werde eine "abgestimmte Antwort geben".

"Die Europäer können darauf vertrauen, dass wir geschlossen und solidarisch mit den betroffenen Mitgliedstaaten sind", schrieb von der Leyen weiter. Als Sanktion gegen Russland im Ukraine-Krieg strebt die EU-Kommission einen Importstopp für russisches Gas und Öl an. Bisher gibt es unter den EU-Staaten aber nicht die nötige Einstimmigkeit. Neben Deutschland und Österreich hatte sich zuletzt auch Ungarn gegen ein Gasembargo ausgesprochen.

Russland weist Vorwürfe zurück

Der Kreml wies die Vorwürfe zurück, Erdgas als Mittel zur Erpressung einzusetzen. Russland sei ein verlässlicher Energielieferant und betreibe keine Erpressungen, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Er wollte nicht sagen, wie viele Länder auf russische Forderungen eingegangen sind, ihre Rechnungen für Gaslieferungen künftig in Rubel zu begleichen.

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki bezeichnete die Einstellung russischer Gaslieferungen an Polen als "direkten Angriff" auf sein Land. "Diesmal hat Russland die Grenze des Imperialismus, des Gasimperialismus, noch einen Schritt weiter verschoben", sagte Morawiecki am Mittwoch im Parlament in Warschau. Russland wolle sich mit dem Schritt dafür rächen, dass Polen eine Reihe von Oligarchen und Unternehmen mit Sanktionen belegt hat, darunter auch der Staatskonzern Gazprom.

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Polen hatte nach Angaben von Innenminister Mariusz Kaminski gegen 15 Personen ein Einreiseverbot verhängt. Sie gelten als "unerwünschte Personen". Bei den Unternehmen können die Maßnahmen ein Einfrieren von Guthaben sowie das Verbot einer Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen umfassen.

Morawiecki: Polen hat genug Vorräte

Morawiecki sagte, Polen habe genug Gasvorräte. Die Energieversorgung sei gesichert. "Wir haben in den vergangenen Monaten Gas in polnische Speicher gepumpt. Ich betone, in polnische Speicher, nicht in Speicher in Deutschland in russischem Besitz."

Bulgarien beschuldigte Russland, Erdgas als politische und wirtschaftliche Waffe zu missbrauchen. "Bulgarien wird keine Verhandlungen unter Druck führen", sagte Energieminister Aleksandar Nikolow am Mittwoch in Sofia.


Die Gasversorgung wichtiger Abnehmer sei für mindestens einen Monat gesichert, sagte Nikolow. Auf ein Expertentreffen am Mittwoch sollen konkrete weitere Schritte erörtert werden. "Bulgarien ist ein langjähriger loyaler Partner gemäß des existierenden Vertrags, in dem Zahlungen in Dollar vorgesehen sind", betonte Energieminister Nikolow.

Gas wird derzeit noch nach Bulgarien geliefert

Bulgarien sollte ab Mittwoch kein Erdgas aus Russland mehr erhalten, die Lieferungen liefen aber nach den Worten des Energieministers am Morgen weiter. Es wurde erwartet, dass sie im Laufe des Tages eingestellt würden. Russland stellte wie angekündigt seine Erdgaslieferungen an Polen am Mittwochmorgen ein.

Das ärmste EU-Land hängt gut 15 Jahren nach seinem EU-Beitritt noch immer fast komplett von russischen Erdgaslieferungen ab. Ein Anschluss an das Gasnetz des benachbarten Griechenland soll im Juni fertig sein. Dadurch will das EU-Land seine Lieferquellen für Gas diversifizieren und Gas auch aus anderen Ländern beziehen.

Bulgariens Ministerpräsident Kiril Petkow wollte mit einer Regierungsdelegation am Mittwoch nach Kiew reisen. Nach ihrer Rückkehr soll die Koalitionsregierung in Sofia über mögliche Waffenlieferungen an die Ukraine entscheiden.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen AFP, Reuters und dpa
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