Ermittlungen in London Rettung für Johnson? Polizei will Partygate-Bericht zensieren
Aufatmen für Boris Johnson? Die Polizei zensiert große Teile des Partygate-Berichts. Das Schreiben wird mit Spannung erwartet – und könnte schon in wenigen Stunden oder Tagen beim britischen Premier eintreffen.
Der mit Spannung erwartete Untersuchungsbericht zu Lockdown-Partys in der Downing Street soll offenbar bald in einer "stark zensierten" Version an Premier Boris Johnson übergeben werden. Das berichteten mehrere britische Medien am Freitagabend übereinstimmend unter Berufung auf Regierungsquellen.
Dem Sender Sky News zufolge sollte der Bericht "binnen Stunden oder Tagen" in der Downing Street ankommen und in der kommenden Woche im Parlament vorgestellt werden. Der "Guardian" schrieb, die Veröffentlichung des Berichts stehe unmittelbar bevor.
Dass der ursprünglich als brisant geltende Bericht nun in einer geschwärzten Version erwartet wird, hängt mit den Ermittlungen der Polizei zusammen. Diese hatte am Freitag in einem Statement darum gebeten, "in dem Bericht des Cabinet Office nur minimalen Bezug auf die Veranstaltungen zu nehmen, die von der Metropolitan Police untersucht werden". Damit solle "jegliche Voreingenommenheit" bei den Ermittlungen verhindert werden, hieß es zur Begründung.
Die Londoner Polizei hat den Vorwurf zurückgewiesen, die Veröffentlichung des mit Spannung erwarteten Berichts über Lockdown-Partys im britischen Regierungssitz zu verzögern. Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung entscheide allein das Untersuchungsteam des Cabinet Office, erklärte die Polizei am Freitagabend.
Misstrauensvotum unwahrscheinlicher?
Danach war zunächst unklar, ob der Gray-Bericht erst deutlich verspätet nach Abschluss der Polizei-Ermittlungen veröffentlicht werden würde oder zeitnah in einer zensierten Version. Die Entscheidung für letzteres dürfte für Boris Johnson eine willkommene Nachricht sein – zumal nicht mit einer späteren, weiteren Veröffentlichung des vollständigen Berichts gerechnet wird. Die Oppositionsparteien pochen auf eine vollständige Veröffentlichung.
Bei der polizeilichen Ermittlung hingegen könnte es später lediglich darum gehen, ob Beteiligte Bußgelder zahlen müssen. Diese Abfolge könnte ein Misstrauensvotum gegen Johnson, für das sich mindestens 54 Abgeordnete schriftlich gegen Johnson positionieren müssen, unwahrscheinlicher machen.
Liste der mutmaßlich illegalen Zusammenkünfte ist lang
Für den seit Wochen heftig unter Druck stehenden Premierminister Boris Johnson ist die anteilige Zensur eine gute Neuigkeit. Der interne Bericht zu mehreren Events in dessen Amtssitz 10 Downing Street und anderen Regierungsgebäuden gilt als höchst brisant. Berichten zufolge sollen Regierungsmitarbeiter und auch Johnson selbst während der Pandemie mit Feiern die eigenen Regeln für Kontaktbeschränkungen missachtet haben. Sollte sich das bestätigen, gilt ein Misstrauensvotum gegen den Premier als wahrscheinlich. Doch bis das geklärt ist, dürften nun Wochen vergehen.
Die Liste der mutmaßlich illegalen Zusammenkünfte ist lang: Mehrere Weihnachtsfeiern, eine Geburtstagsrunde, eine Gartenparty und nächtliche Besäufnisse vor dem Begräbnis des langjährigen Queen-Gatten Prinz Philip. Grays Bericht sollte klären, wer wann wo, wie oft und wie lange mit wem gefeiert hat.
Johnson bestreitet Kenntnis von Lockdown-Verstößen
Johnson hatte bislang so gut wie alle Fragen dazu jedoch unter Verweis auf die laufenden internen Untersuchungen abgeschmettert und jegliche Kenntnis von Lockdown-Verstößen abgestritten. Nun gewinnt er weiter wertvolle Zeit, denn ein stark zensierter Bericht dürfte ihn wohl kaum gefährden. Die Gefahr einer Revolte in seiner Fraktion scheint damit vorerst abgewendet.
Einige Rechtsexperten bezweifelten jedoch, dass die von der Polizei geforderten Einschränkungen notwendig sind. "Das ist absoluter Quatsch von der Met Police", schrieb Nazir Afzal, der ehemalige Chef-Staatsanwalt im Nordwesten Englands, zu der Mitteilung der Polizei auf Twitter. Ein rein faktischer Bericht von Sue Gray könne den polizeilichen Ermittlungen überhaupt nicht vorgreifen, so Afzal weiter und fügte hinzu: "Sie müssen nur den Beweisen folgen, von denen der Bericht ein Teil sein wird."
Regierung "gelähmt" durch die anhaltende Affäre
Andere Experten äußerten hingegen Verständnis für die Einwände der Metropolitan Police. "Eine strafrechtliche Ermittlung muss den höchsten Standards verfahrensrechtlicher Fairness genügen", sagte Kronanwalt Alex Bailin der BBC.
Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei bezeichnete die Regierung als "gelähmt" durch die anhaltende Affäre. Er wolle den vollständigen Sue-Gray-Bericht sehen. Und die Ermittlungen müssten so bald wie möglich abgeschlossen werden, sagte er der BBC. Der konservative Abgeordnete Christopher Chope warf der Polizei sogar vor, ihre Position zu missbrauchen, um sich "in Staatsangelegenheiten einzumischen".
Erstmals äußerte sich auch die unter anderem auf Johnson Betreiben gestürzte Ex-Premierministerin Theresa May zu der Affäre. Sie sei wütend über die mutmaßlichen Lockdown-Feiern, schrieb sie einem Bericht des Lokalblatt "Maidenhead Advertiser" zufolge an Wähler in ihrem Wahlkreis. Niemand stehe über dem Gesetz.
- Nachrichtenagentur dpa