Mordfall Sarah Everard Johnson: Gewalt gegen Frauen nicht als Hassverbrechen einstufen
Nach einem Mord durch einen Polizisten steckt die Polizei in Großbritannien in einer Vertrauenskrise. Boris Johnson möchte jetzt mehr Frauen in Führungspositionen – stellt sich aber gegen eine entscheidende Gesetzesänderung.
Im März wurde die Londonerin Sarah Everard von einem Polizisten verschleppt, vergewaltigt und ermordet. Das Vertrauen der Bevölkerung ist seitdem erschüttert. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson will jetzt einen Kulturwandel in der Polizei erreichen.
"Einer der besten Wege, diesen Wandel zu erreichen, ist, mehr Frauen als Polizistinnen zu haben", sagte Johnson am Dienstag dem Sender LBC. In der Londoner Metropolitan Police liege der Frauenanteil aktuell bei 40 Prozent. "Das ist eine gute Sache. Ich will, dass diese Polizistinnen aufsteigen und ranghohe Positionen einnehmen und die Kultur verändern."
Gewalt an Frauen soll keine Hasskriminalität werden
Johnson lehnte es hingegen ab, Gewalt gegen Frauen als Hasskriminalität einzustufen, was in der rechtlichen Behandlung solcher Fälle Konsequenzen hätte. Stattdessen müssten bestehende Straftatbestände besser durchgesetzt und Verfahren schneller abgearbeitet werden, so der konservative Politiker.
Die Londonerin Sarah Everard war im März entführt, vergewaltigt und ermordet worden. Später stellte sich heraus, dass der Täter, ein Polizist, sie wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Corona-Regeln zum Schein festgenommen hatte. Anschließend verschleppte er die 33-Jährige.
Nach der Verurteilung des Everard-Mörders zu lebenslanger Haft wurde ein weiterer Polizist aus derselben Einheit wegen Vergewaltigung angeklagt. Die Fälle ließen das Vertrauen in die britische Polizei bröckeln und lösten eine Welle der Empörung über Gewalt gegen Frauen aus.
Polizeichefin wirbt um Vertrauen
Innenministerin Priti Patel kündigte eine Untersuchung an. Dabei soll geprüft werden, wie der Everard-Mörder trotz früherer Auffälligkeiten eingestellt wurde. Außerdem soll die Polizeiarbeit allgemein unter die Lupe genommen werden, wie sie in Manchester ankündigte.
Die Londoner Polizeichefin Cressida Dick, die wegen mehrerer Skandale in der Kritik steht, schrieb in einem Gastbeitrag für den "Evening Standard", sie wolle möglichst innerhalb einer Woche einen ranghohen Gutachter benennen, der die Abläufe innerhalb der Polizei auf Herz und Nieren prüfen solle. "Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, dass auf jeden Polizisten, der uns enttäuscht, Tausende kommen, deren Engagement für Sie unvermindert ist", schrieb Dick und bat die Bürgerinnen und Bürger um neues Vertrauen.
- Nachrichtenagentur dpa