UN-Generaldebatte Biden ruft bei UN-Rede "neue Ära" der Diplomatie aus
New York (dpa) - Joe Biden hat bei seiner ersten Rede als US-Präsident vor der UN-Vollversammlung eine neue Ära der Diplomatie ausgerufen und sich zur internationalen Zusammenarbeit bekannt.
"Während wir diese Zeit des unerbittlichen Krieges beenden, eröffnen wir eine neue Ära der unerbittlichen Diplomatie", sagte Biden am Dienstag in New York mit Blick auf das Ende des Militäreinsatzes in Afghanistan. Biden stellte auch klar, die USA suchten keinen Konflikt mit China, sondern harten Wettbewerb. "Wir streben keinen neuen Kalten Krieg an." Er betonte, sein Land wolle weiter eine Führungsrolle einnehmen, aber gemeinsam mit Partnern. Nie zuvor sei internationale Zusammenarbeit so wichtig gewesen wie heute.
Zuletzt hatte Biden selbst aber mit Alleingängen Unmut unter Verbündeten und Zweifel an der Verlässlichkeit der Vereinigten Staaten ausgelöst. Vor allem ein neuer Sicherheitspakt der USA mit Australien und Großbritannien hatte Frankreich erzürnt. Auch der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan stieß international auf einige Kritik. Die letzten US-Truppen hatten Afghanistan Ende August verlassen. Damit endete der internationale Militäreinsatz in dem Land nach fast 20 Jahren. Biden hatte den Abzug trotz Warnungen von Experten und entgegen der Linie internationaler Partner rigoros durchgezogen und seine Entscheidung trotz chaotischer Umstände beim Abzug vehement verteidigt.
Bei seiner UN-Rede versuchte Biden nun, dies als strategischen und historischen Wendepunkt für die USA darzustellen. Erstmals seit 20 Jahren seien die Vereinigten Staaten nicht im Krieg. "Wir haben das Blatt gewendet." Nun stehe Diplomatie an erster Stelle, militärische Gewalt müsse lediglich als letztes Mittel genutzt werden.
Biden: Müssen zusammenarbeiten wie nie zuvor
Der US-Präsident gab sich vor den Vereinten Nationen als Verfechter von Multilateralismus und politischer Besonnenheit - im Kontrast zu seinem Vorgänger. Donald Trump, ein scharfer Kritiker der Vereinten Nationen, hatte die Bühne dort Jahr für Jahr für das Bewerben seiner "America First"-Politik nationaler Alleingänge genutzt. Biden dagegen war mit dem Versprechen angetreten, die internationale Zusammenarbeit in allen Bereichen wieder zu stärken.
Bei seiner Rede sagte Biden, die Sicherheit, der Wohlstand und die Freiheit der Staatengemeinschaft seien so verwoben wie nie zuvor. "Und deshalb glaube ich, dass wir zusammenarbeiten müssen wie nie zuvor." Die USA seien zurück am Tisch internationaler Foren. Die Welt sei an einem "Wendepunkt", angesichts großer Herausforderungen wie der Klimakrise stehe man vor einem entscheidenden Jahrzehnt.
Biden hatte sich zuletzt aber den Vorwurf eingehandelt, nicht allzu viel auf internationale Absprachen zu geben: Mit dem neuen Sicherheitspakt im Indopazifik stießen die USA, Großbritannien und Australien Verbündete vor den Kopf. Der Plan sieht unter anderem vor, Australien beim Bau von U-Booten mit Nuklearantrieb zu unterstützen.
China, das wegen seines zunehmenden Machtanspruchs in der Region selbst in der Kritik steht, fühlt sich durch das Bündnis provoziert - was dessen Ziel sein dürfte. Doch auch bei Partnern kam der Vorstoß nicht gut an: Neuseeland reagierte wenig begeistert. Frankreich schäumt vor Wut, weil dem Land dadurch ein milliardenschwerer U-Boot-Deal mit Australien geplatzt ist. Andere europäische Staaten und EU-Vertreter zeigten sich ebenfalls irritiert, ernüchtert - und solidarisch mit Paris. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian sprach von einer "einseitigen, brutalen und unvorhersehbaren Entscheidung", die stark an das Auftreten Trumps erinnere.
Biden versuchte nun, derlei Assoziationen zu zerstreuen. Den Indopazifik-Streit sprach er nicht konkret an, beteuerte aber auch bezüglich der Region den Willen zu internationaler Zusammenarbeit.
Mit Blick auf die wachsenden Spannungen mit Peking sagte Biden, ohne China explizit zu nennen, die USA träten ein für Verbündete und stellten sich allen Versuchen stärkerer Länder entgegen, schwächere Länder zu dominieren. Die USA wollten aber keine Spaltung der Welt in Blöcke. Die Großmächte hätten die Verantwortung, ihre Beziehungen achtsam zu gestalten und nicht in einen Konflikt abzurutschen.
Corona-Gipfel am Mittwoch
Auch mit Blick auf den Atomstreit mit dem Iran schlug Biden betont moderate Töne an. Die Vereinigten Staaten seien weiterhin entschlossen, den Iran am Bau von Atomwaffen zu hindern. Man sei aber bereit, zum Atomabkommen mit Teheran zurückzukehren, wenn sich die Islamische Republik an die Vorgaben der Vereinbarung halte.
Irans Präsident Ebrahim Raisi koppelte Gespräche über das Atomprogramm des Landes wenig später an die Aussicht auf Aufhebung der Sanktionen. Teheran wolle eine umfassende politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Welt und strebe keine nuklearen Waffen an: "Atomwaffen haben keinen Platz in unserer Verteidigungsdoktrin und Abschreckungspolitik", sagte Raisi in einer aufgezeichneten Video-Botschaft. Dabei griff er die USA wegen ihrer "maximalen Tyrannei" auch an - den Amerikanern sei nicht zu trauen.
Unterdessen versuchte Biden, auf der Multilateralismus-Skala auch bei jenen großen Krisen zu punkten, die nichts mit Sicherheit oder Militärischem zu tun haben und bei denen internationale Kooperation per se unerlässlich ist: die Corona-Pandemie und die Klimakrise.
Für diesen Mittwoch hat Biden einen internationalen Online-Gipfel zur Pandemie einberufen, um unter anderem über eine gerechtere Verteilung von Impfstoffen auf der Welt zu beraten. Bei seiner Rede kündigte er an, dort neue Zusagen zu machen. Konkreter wurde er noch nicht.
Biden versprach außerdem, die USA wollten ihre Klimahilfen für ärmere Länder verdoppeln. Zusammen mit der Staatengemeinschaft und anderen Gebern könne so das Ziel, 100 Milliarden Dollar jährlich zur Unterstützung von Entwicklungsländern bereitzustellen, erreicht werden. Im April hatte Biden eine Erhöhung der Klimahilfen auf 5,7 Milliarden Dollar (4,9 Milliarden Euro) pro Jahr angekündigt.