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Biden + Brexit + Corona: Boris Johnsons massives "BBC"-Problem


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Nach Trump-Niederlage
Biden – Brexit – Corona: Johnsons massives "BBC"-Problem

Eine Analyse von Stefan Rook

Aktualisiert am 10.11.2020Lesedauer: 5 Min.
Boris Johnson bei einer Pressekonferenz am 5. November: Mit einem US-Präsidenten Joe Biden schwinden seine Hoffnungen auf einen schnellen und lukrativen Handelsdeal mit den USA.Vergrößern des Bildes
Boris Johnson bei einer Pressekonferenz am 5. November: Mit einem US-Präsidenten Joe Biden schwinden seine Hoffnungen auf einen schnellen und lukrativen Handelsdeal mit den USA. (Quelle: Leon Neal/reuters)
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Boris Johnson ist einer der Regierungschefs, die sich nicht über den Ausgang der US-Wahl freuen. Durch Donald Trumps Abwahl bricht ihm eine wichtige Stütze für die Zeit nach dem EU-Ausstieg weg.

Boris Johnson hat gerade keinen Lauf. Sein enger Verbündeter und Brexit-Fan Donald Trump ist abgewählt. Joe Biden wird ein EU-freundlicher und Brexit-kritischer US-Präsident werden. Die Vertragsverhandlungen mit der EU stecken weiter fest. Hier muss bis Ende der Woche ein Durchbruch gelingen. In Großbritannien wird die Kritik am Premierminister immer lauter, weil er die Corona-Pandemie nicht in den Griff bekommt.

Natürlich gratulierte Johnson dem designierten US-Präsidenten Biden zu seinem Wahlsieg. Er nannte ihn einen "historischen Erfolg", bezeichnete die USA als "wichtigsten Verbündeten" des Vereinigten Königreichs und schrieb auf Twitter, dass er sich auf eine enge Zusammenarbeit bei den gemeinsamen Prioritäten, vom Klimawandel bis hin zu Handel und Sicherheit freue.

Doch echte Hoffnung klingt anders. Mit Trumps Abwahl verliert Johnson einen wichtigen – vielleicht sogar den wichtigsten – Partner für die Zeit nach dem EU-Ausstieg. Alle Hoffnungen auf ein lukratives und vor allem schnelles Handelsabkommen mit den USA sind zunächst hinfällig.

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Denn Biden und Johnson sind sich in gegenseitiger Abneigung verbunden. Nach Johnsons Sieg bei der britischen Parlamentswahl im vergangenen Dezember bezeichnete Biden den Tory-Politiker als "physischen und emotionalen Trump-Klon". Johnson seinerseits hatte 2016 über die US-Regierung unter Barack Obama und dem damaligen Vizepräsidenten Biden gelästert und Obama wegen seines "teilweise kenianischen" Hintergrunds eine "angeborene Abneigung gegen das britische Imperium" attestiert. Die Äußerungen hängen Johnson bis heute nach. Jüngst griff sie Obamas früherer Sicherheitsberater Ben Rhodes wieder auf, der einst über Johnson gesagt haben soll, dieser sei ein "Trump mit schöneren Haaren" und höherem IQ.

Biden ist stolz auf seine irischen Wurzeln

Hinzu kommt, dass Biden irische Wurzel hat und in der Vergangenheit rührende Worte für die Heimat seiner Vorfahren fand. Wenn er sterbe, werde "der Nordosten Pennsylvanias auf meinem Herzen geschrieben stehen. Aber Irland auf meiner Seele". Biden gilt als Verfechter des Belfaster Karfreitagsabkommens von 1998, mit dem der jahrzehntelange, blutige Nordirlandkonflikt beendet wurde.

Biden erklärte im September, es dürfe nicht zugelassen werden, "dass das Karfreitagsabkommen, das Frieden nach Nordirland gebracht hat, zu einem Opfer des Brexit wird". Eine klare Absage an Johnsons umstrittenes Binnenmarktgesetz, das mehrere Schlüsselregelungen zu Nordirland im Brexit-Vertrag aushebeln könnte – und gerade im britischen Oberhaus abgelehnt wurde.

Mit Trumps Abwahl verliert Johnson ein wichtiges Druckmittel in den Verhandlungen mit der EU. Ein Handelsvertrag mit der EU wird nach dem Machtwechsel in den USA damit umso wichtiger, einfach weil Johnson jetzt eine Alternative weniger zu Verfügung steht. Doch greifbare Fortschritte sind weiter – noch – nicht sichtbar. Zwar versprach EU-Unterhändler Michel Barnier, die Gespräche mit Großbritannien in dieser Woche noch einmal zu intensivieren, aber die Hauptstreitpunkte sind noch immer nicht gelöst. Beide Seiten beklagten zuletzt noch erhebliche Differenzen bei den zentralen Themen Wettbewerbsbedingungen, Schlichtungsregeln und Fischerei.

Für einen Erfolg ist die Zeit nun extrem knapp. Aus Sicht des EU-Parlaments muss der Vertrag in dieser Woche stehen, wenn er noch rechtzeitig vor dem Jahresende ratifiziert werden soll. Ohne Anschlussvertrag drohen Zölle und hohe Handelshürden, die Großbritanniens Wirtschaft weiter schwächen würden.

No-Deal-Brexit würde britische Probleme massiv verschärfen

Das wäre ein weiterer schwerer Rückschlag für Johnson, denn die britische Wirtschaft ist durch die Corona-Pandemie ohnehin schon stark belastet. Die Zahl der Entlassungen in Großbritannien hat wegen der Corona-Krise im Sommerquartal einen neuen Höchststand erreicht. Zwischen Juli und September gab es einen Anstieg auf 314.000 und damit 181.000 mehr als im Vorquartal, wie das nationale Statistikamt ONS mitteilte. Die Arbeitslosenquote stieg wie von Ökonomen erwartet auf 4,8 Prozent und damit auf das höchste Niveau seit Herbst 2016. Besonders betroffen ist dabei die junge Generation der 16- bis 24-Jährigen. Dieser Trend wird auch für die Oktober-Daten erwartet.

Ein No-Deal-Brexit würde die wirtschaftlichen Probleme massiv verschärfen: Tausende Lastwagen werden sich Prognosen zufolge wegen der Grenzkontrollen im Raum Dover stauen, viele Regale in Supermärkten und Apotheken im Vereinigten Königreich leer sein.

Johnson laviert sich durch die Pandemie

Zudem wird die Kritik an Johnsons Krisenmanagement immer heftiger. Johnson wird vorgeworfen, er habe zu spät und falsch auf die Pandemie reagiert und so dem Land Schaden zugefügt. Seit Wochen laviert er sich mit uneinheitlichen und unübersichtlichen Maßnahmen durch die Krise und versucht dabei alles, um einen landesweiten Lockdown zu vermeiden, um die Wirtshaft nicht weiter zu schwächen. In England gilt bis Anfang Dezember ein Teil-Lockdown, in dem die Gastronomie, viele Geschäfte und Freizeiteinrichtungen geschlossen bleiben müssen.

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In britischen Krankenhäusern werden derzeit wieder fast so viele Covid-19-Patienten behandelt wie im Frühjahr. "Wir sind auf dem Weg zu dem gleichen Niveau wie in der ersten Welle", musste Johnson am Montag eingestehen. Am 5. November seien rund 13.000 Menschen im Krankenhaus mit Covid-19 behandelt worden. Auch die Zahl der Todesfälle sei auf hohem Niveau – sie lag zuletzt mehrfach bei rund 300 Fällen pro Tag.

Briten sind unzufrieden mit Johnsons Krisenmanagement

Bereits nach dem Frühjahr galt Großbritannien als eines der am schwersten von der Pandemie getroffenen Länder in Europa. Nach Zahlen der Statistikbehörde hat die Zahl der Todesfälle in Verbindung mit Covid-19 mittlerweile die Schwelle von 65.000 überschritten.

Johnsons Krisenmanagement kommt bei den Wählern nicht gut an. Seine Beliebtheitswerte sind dramatisch gesunken. Waren im April noch 53 Prozent der Befragten zufrieden mit Johnson und 30 Prozent unzufrieden, sind im November 49 Prozent der Befragten unzufrieden mit seiner Arbeit und nur noch 36 Prozent zufrieden. In Umfragen liegt zudem die Labour-Partei seit wenigen Wochen mit 40 Prozent vor Johnsons Torys, die nur noch auf 38 Prozent kommt.

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Johnson verzichtet auf populistische Provokationen

Johnson scheint zu spüren, wie brisant die Lage für ihn ist. Von populistischen Provokationen im Brexit-Poker hat er Abstand genommen. Stattdessen erklärt er oder lässt erklären, dass er auf ein Abkommen mit der EU hoffe und auch zu Kompromissen bereit sei. Ein Deal mit der EU "liegt auf dem Tisch", teilte er am Montag sogar mit. Ein extremer Umschwung, wenn man bedenkt, dass derselbe Johnson noch vor wenigen Wochen die Verhandlungen mit der EU für gescheitert und beendet erklärt hatte.

Johnson wurde vor allem deshalb zum Premierminister gewählt, weil er versprochen hat, das Brexit-Drama ein für alle Mal zu beenden. Dass er ein Biden- und ein Corona-Problem dazubekommen würde, wusste zu diesem Zeitpunkt niemand. Viel Zeit bleibt ihm nun nicht mehr. Sonst heißt es am Ende: Johnson ist am "BBC"-Problem gescheitert.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters
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