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Corona-Krise in Russland: "Der Fehler hat einen Namen – er heißt Putin"


Corona-Krise in Russland
"Der Fehler hat einen Namen – er heißt Wladimir Putin"

dpa, Von Ulf Mauder

Aktualisiert am 13.05.2020Lesedauer: 3 Min.
Präsident Wladimir Putin: Steht wegen seines Corona-Managements zunehmend in der Kritik.Vergrößern des Bildes
Präsident Wladimir Putin: Steht wegen seines Corona-Managements zunehmend in der Kritik. (Quelle: Alexei Nikolsky/Sputnik/Kremlin Pool Photo/ap-bilder)

Nach den USA hat inzwischen Russland die meisten Corona-Infektionen. Dabei gelten strenge Ausgangssperren. In der Krise muss Kremlchef Putin machtlos zusehen, wie die Zahlen steigen. Hat er Fehler gemacht?

So stark wie in keinem anderen Land steigen in Russland die Corona-Infektionen. Das flächenmäßig größte Land der Erde mit seinen rund 144 Millionen Einwohnern liegt inzwischen auf Platz zwei weltweit hinter den USA. Mehr als 10.000 neue Fälle kommen täglich hinzu. Und auch viele Russen fragen sich, wie die Zahlen trotz viel strengerer Maßnahmen als etwa in Deutschland so massiv steigen können. Zugleich verzeichnet das Riesenreich eine der niedrigsten Sterberaten – auf 242.271 Infektionen kamen laut Statistik vom Mittwoch gerade einmal 2.212 Todesfälle.

Wohl auch wegen der niedrigen Todesraten sprach Kremlchef Wladimir Putin zuletzt von einem insgesamt erfolgreichen Kurs in der Corona-Krise. Dennoch löste er Verwunderung aus, als er in dieser Woche zur Rückkehr an die Arbeitsplätze aufrief. Sechs Wochen Zwangsferien sind vorbei. Doch bei den Neuinfektionen gab es immer neue Rekorde. Sogar Regierungschef Michail Mischustin und Putins Sprecher Dmitri Peskow, das wichtigste Sprachrohr des Kreml in der Krise, sind an Corona erkrankt.

Karikaturen über den Kremlchef

Putin habe womöglich doch entschieden, dass es wichtiger sei, die Wirtschaft zu retten, hieß es in Kommentaren. Vor allem Kremlgegner um den Anti-Korruptionskämpfer Alexej Nawalny, aber auch prominente Politologen und Wirtschaftsexperten stellen dem Präsidenten in der Krise kein gutes Zeugnis aus. Karikaturen zeigen den Kremlchef, wie er sich wegduckt in seiner Vorstadtresidenz Nowo-Ogarjowo und mit der Schatztruhe in der Hand bei den Hilfen für die Bürger geizt.

In dem Video "Wie Putin Russland mit dem Coronavirus angesteckt hat" kritisiert Nawalnys Mitarbeiter Leonid Wolkow, dass Putin im März wertvolle Zeit vergeudet und bis heute keine Corona-Strategie habe. Seinen anfänglichen Vorsprung mit vergleichsweise wenigen Fällen habe Russland längst verspielt. Mit der Dauer der Einschränkungen gehe die Zahl der Infektionen – anders als etwa in Deutschland – steil nach oben, sagt er. Putin habe sich lieber mit der Verfassungsänderung samt dauerhafter Machtsicherung beschäftigt als mit dem rechtzeitigen Kampf gegen das Virus. "Der Fehler hat einen Namen, und er heißt Wladimir Putin." Der Präsident habe versagt.

Tatsächlich viel mehr Infizierte?

Zwar gelten etwa in Moskau, der größten Stadt Europas, strenge Ausgangssperren. Kontaktverbote wie in Deutschland gab es aber zu keiner Zeit. Vor allem über die Maifeiertage trafen sich zuletzt viele Russen zum Grillen und Trinken. Mediziner beklagen einen Mangel an Disziplin bei den Menschen. Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin schätzte die Zahl der tatsächlich Infizierten in Moskau auf 300.000. Trotzdem ließ er in dieser Woche wieder Hunderttausende Menschen zum Arbeiten auf die Baustellen und in die Industriebetriebe – mit Mundschutz und Handschuhen.

Dabei wehrte sich Moskaus Führung zuletzt gegen "Falschnachrichten", dass die Zahlen in Russland insgesamt, aber besonders die der Toten geschönt seien. Vize-Regierungschefin Tatjana Golikowa betonte, tatsächlich seien die Sterbezahlen knapp 87 Prozent niedriger als im weltweiten Vergleich. Gesundheitsminister Michail Muraschko sagte am Mittwoch vor Abgeordneten, dass in der Krise vielmehr auch die Zahl der Alkoholtoten in Russland wieder steige. Der Wodka-Absatz hatte zuletzt deutlich zugenommen.

Zeitung: Todeszahlen geschönt

Kritiker der offiziellen Zahlen hingegen sind weiter überzeugt: Wer sonst etwa bei den Wahlen fälsche, manipuliere auch medizinische Daten. Die kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta" analysierte für Moskau, dass die Sterberate hier im April mit 11.846 Todesfällen um rund 20 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre gelegen habe. In dem Blatt erklärt ein Arzt, dass lediglich klare Fälle mit der Todesursache Covid-19 in die Corona-Statistik kämen.

Wer mit dem Virus an einer Lungenentzündung oder an einem Herzinfarkt stirbt, fällt – anders als in anderen Ländern – aus der Statistik heraus. So war es auch bei Russlands erstem Corona-Todesfall – erst hieß es, eine 79-jährige Frau in Moskau sei an Covid-19 gestorben. Später ruderten die Behörden zurück und betonten, sie sei nicht an einer Lungenentzündung, sondern an einer Thrombose gestorben.

Zwar sagt nicht zuletzt die Leiterin der russischen Stelle der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Melita Vujnovic, immer wieder, dass es keine Hinweise auf Manipulationen von Daten bei den Behörden gebe. Aber die Suche nach einer Erklärung geht weiter.

In der Boulevardzeitung "Komsomolskaja Prawda" erklärte der Wissenschaftler Alexander Gil, dass die Risikogruppe der über 65-Jährigen schon seit Mitte März – viel länger als jüngere Bürger – in Moskau zur häuslichen Selbstisolation verpflichtet sei. Deshalb sei anders als in anderen Corona-Brennpunkten auf der Welt, wo vor allem ältere Menschen starben, die Todesrate in Russland eben insgesamt gering. Kremlchef Putin, der 67 Jahre alt ist, hatte die Senioren aufgerufen, dieses harte Regime noch eine Weile auszuhalten.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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