Corona-Pandemie Richtungsstreit über Vorgehen in Corona-Krise in den USA
Washington/Rom/Madrid/Paris (dpa) - Der weltweite Kampf gegen das Coronavirus wird in den verschiedenen Ländern auf unterschiedliche Art ausgetragen. Oft werden die Bemühungen um die Gesundheit der Menschen von Streit der Politiker überlagert. Aber es gibt auch erste Anzeichen der Entspannung.
USA - Streit um weitere Schritte
In den USA brodelt ein Richtungsstreit über die weiteren Schritte in der Krise. Es liegt in der Hand der Gouverneure, endgültig über Lockerungen der Eindämmungsmaßnahmen zu entscheiden. US-Präsident Donald Trump appellierte am Samstagabend (Ortszeit) auf Twitter, dabei vorsichtig und mit Verstand vorzugehen. Er schrieb aber auch: "Denken Sie daran, dass die Heilung nicht schlimmer sein kann als das Problem selbst."
Im südlichen Bundesstaat Georgia konnten mittlerweile etwa Nagelstudios und Friseure wieder öffnen. Sogar Trump, der die Wirtschaft lieber früher als später zur Normalität zurückführen will, befand dies als "zu früh". Die Bürgermeisterin der dortigen Hauptstadt Atlanta, Keisha Lance Bottoms, rief die Bürger am Samstag per Twitter auf, weiterhin zu Hause zu bleiben. "Wenn Sie gerade ihre Nägel gemacht bekommen, teilen Sie diese Zahlen von heute Mittag bitte mit ihrem Maniküristen", schrieb sie. Dazu stellte sie eine Tabelle mit Todes- und Infektionszahlen aus Georgia und weltweit. Richtlinien des Weißen Hauses sehen vor, dass Fallzahlen vor entscheidenden Lockerungen über 14 Tage abnehmen müssen. Das ist in Georgia noch nicht der Fall.
Als Voraussetzung für die schrittweise Wiedereröffnung der Wirtschaft gelten flächendeckende Tests. Davon sind die USA nach wie vor weit entfernt. Im besonders hart getroffenen Bundesstaat New York soll sich das nun ändern. Die Zahl der Tests werde drastisch erhöht, kündigte Gouverneur Andrew Cuomo am Samstag bei seiner täglichen Pressekonferenz an: von derzeit 20 000 auf bald 40 000 täglich. Dabei helfen sollen die 5000 Apotheken des Bundesstaates, die laut Cuomo ab sofort Corona-Tests vornehmen dürfen. Zugleich lockerte er die Bedingungen, wer sich untersuchen lassen kann. In der Vergangenheit akzeptierten viele Kliniken nur Menschen mit schweren Symptomen wie Atemnot. Künftig sollen Bürger in besonders wichtigen Berufen getestet werden, etwa Ärzte, Polizisten und Feuerwehrleute.
GROSSBRITANNIEN - Warten auf Johnsons Genesung
Großbritannien erwartet die Rückkehr von Premierminister Boris Johnson, der sich noch immer von seiner Covid-19-Erkrankung erholt. Schon Montag sollte es soweit sein, spekulierten Medien. Er "sitze bereits in den Startlöchern", berichtete die Agentur pA unter Berufung auf Quellen ind er Regierung. Experten gehen inzwischen davon aus, dass das Land den Höhepunkt der Epidemie überschritten hat. Doch die täglich neu registrierten Sterbefälle sind noch immer erschreckend hoch. Am Samstag überstieg die Gesamtzahl der Toten erstmals 20 000. Nach Berechnungen der "Financial Times" könnte die tatsächliche Zahl aber mehr als das Doppelte betragen. Die Regierung steht mächtig unter Druck. Es fehlt an Schutzkleidung für das medizinische Personal. Auch von dem ausgegebenen Ziel, bis Ende April jeden Tag 100 000 Menschen zu testen, sind die Behörden noch weit entfernt.
SPANIEN - Vorfreude bei Kindern und Jugendlichen
Im besonders schwer von der Pandemie getroffenen Spanien dürfte es diesen Sonntag überschäumende Freude geben: zumindest bei den Kindern bis zum Alter von 14 Jahren. Erstmals seit sechs Wochen dürfen sie überhaupt wieder aus dem Haus. Zwar nur in Begleitung eines Erwachsenen aus ihrem Haushalt, nur eine Stunde und nur in einem Radius von einem Kilometer. Aber immerhin mit Rollschuhen oder Roller und vor allem mit viel Platz zum Toben und nur dem Himmel statt der Zimmerdecke über sich. Auch für Erwachsene stellte die Regierung für Samstag kommender Woche mehr Freiheit in Aussicht: Sport im Freien und Spazieren gehen. Die Corona-Zahlen geben inzwischen Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Den zweiten Tag in Folge wurden mehr von der Lungenkrankheit Genese als neu mit dem Coronavirus Infizierte registriert, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Auch die Zahl der Covid-19-Toten pro Tag lag weiter unter 400. Im März waren es teilweise mehr als doppelt so viele.
ITALIEN - Signale der Entspannung
In Italien, das als erstes Land in Europa in die Corona-Krise geriet, können viele das Anlaufen des öffentlichen Lebens kaum erwarten. Rom hatte seinen 60 Millionen Bürgern schon am 10. März strenge Ausgangsverbote verordnet. Der Lockdown ist um vieles härter als in Deutschland. Bevor er ab dem 4. Mai schrittweise enden soll, freuen sich die Menschen über jede Nachricht zum Neustart. So sagte Kulturminister Dario Franceschini verschiedenen Zeitungen, dass erste Museen und andere Kultureinrichtungen womöglich ab Mitte Mai beziehungsweise 18. Mai wieder öffnen könnten. Vom Zivilschutz in Rom, der die Zahlen von Infizierten und Toten landesweit sammelt, gab es Samstagabend weiterhin Signale der Entspannung: Die Zahlen der Menschen, die aktuell mit dem Erreger infiziert sind, und die der Covid-19-Patienten in Krankenhäusern sanken weiter. Allerdings verzeichneten die Behörden erneut mehr als 400 Corona-Tote innerhalb von 24 Stunden: Es sind nun 26 384 Todesopfer.
FRANKREICH - Regierung präsentiert Lockerungsplan
In Frankreich, wo die Zahl der Intensivpatienten am Freitag erstmals seit Wochen unter 5000 gefallen war, richten sich alle Augen auf den 11. Mai. Dann sollen die seit dem 17. März geltenden Ausgangsbeschränkungen landesweit wieder gelockert werden. Bisher wurde aus dem Élysée-Palast nur bekannt, dass es einen nationalen Plan mit Raum für lokale Abweichungen geben soll. Diesen will Premierminister Edouard Philippe am Dienstag dem Parlament vorstellen, wie die Nahrichtenagentur AFP meldet. Im Gespräch ist eine landesweite Maskenpflicht für den öffentlichen Nahverkehr sowie eine etappenweise Öffnung von Schulen und Kindergärten.
In Frankreich wurden bisher 124 114 Ansteckungen mit dem Coronavirus vermeldet. 22 614 Menschen starben (beides Stand Samstag) bisher nach einer Ansteckung mit dem Virus.
IRAN - Streit über Schließung der Moscheen
Mit Beginn des Fastenmonats Ramadan ist im Iran eine hitzige Diskussion zwischen Klerus und Regierung über eine Wiedereröffnung von Moscheen sowie Mausoleen ausgebrochen. Diese waren wegen einer hohen Ansteckungsgefahr geschlossen worden. Der Iran gehört zu den besonders hart vom Coronavirus getroffenen Ländern. Ahmad Alamolhodda, Chef-Prediger des Freitagsgebets in der Stadt Maschad, ging auf Konfrontationskurs zur Regierung: "Es ist inakzeptabel, dass alle kommerziellen Unternehmen geöffnet sind, die Mausoleen und Moscheen aber nicht." Dagegen verteidigte Präsident Hassan Ruhani, der selbst Kleriker ist, am Samstag den bisherigen Kurs. Am diesem Sonntag soll der Corona-Krisenstab eine Entscheidung treffen, sagte Ruhani.
EUROPÄISCHE UNION - Warnung vor Fake News aus Russland
Moskau und Peking verbreiten in der Corona-Krise nach Einschätzung der EU unvermindert gezielt irreführende oder falsche Informationen. Trotz potenziell schwerwiegender Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit verbreiteten "offizielle und staatlich unterstützte Quellen verschiedener Regierungen, inklusive Russland und - in geringerem Maße - China, weiter in großem Umfang Verschwörungstheorien und Desinformation", heißt es in einem Bericht des Auswärtigen Dienstes der EU.
Die Auswertung bezieht sich auf den Zeitraum vom 2. bis zum 22. April und basiert auf öffentlich zugänglichen Informationen und Berichten. Auch Syrien und der Iran werden als Ursprung gesteuerter Desinformation genannt. Kreml-freundliche Quellen und russische Staatsmedien verfolgen demnach zwei Ziele: Zum einen solle die EU-Reaktion auf die Pandemie unterminiert, zum anderen solle Verwirrung über den Ursprung und die Auswirkungen gestiftet werden.