Welt im Corona-Dilemma Die Welt im Corona-Dilemma: Vorsicht oder Normalbetrieb?
Washington/Madrid/Rom/London/Paris (dpa) - US-Präsident Donald Trump möchte die USA schnellstmöglich wieder in den Normalbetrieb versetzen. In Spanien dürfen Hunderttausende Menschen wieder zur Arbeit gehen.
Und auch in Italien - einem der am schwersten von der Covid-19-Pandemie getroffenen Länder - verlangsamt sich die Ausbreitung des Virus Sars-CoV-2. Großbritannien ist indes noch nicht über den Berg. Auch in Frankreich bleibt die Lage angespannt.
Angesichts der wirtschaftlichen Verluste ist die Versuchung groß, Beschränkungen des öffentlichen Lebens zurückzufahren. Aber Virologen warnen: Es bestehe das Risiko, dass die Infiziertenzahlen dann wieder hochschnellen könnten. Der prominente Immunologe und Trump-Berater Anthony Fauci hält eine Rückkehr zur Normalität allenfalls schrittweise und mit regionalen Abstufungen für möglich.
USA WOLLEN WIRTSCHAFT BALD WIEDER HOCHFAHREN
Das öffentliche Leben in den USA steht wegen der Krise in weiten Teilen still, was der Wirtschaft extrem zu schaffen macht. Ursprünglich hatte Trump eine Rückkehr zur Normalität schon für diese Tage, zu Ostern, in Aussicht gestellt. Aber dann traf die Covid-19-Pandemie die USA mit voller Wucht, täglich gibt es seither traurige Rekorde. Die USA haben inzwischen in absoluten Zahlen weltweit die meisten Toten durch die Corona-Epidemie zu verzeichnen: Mehr als 22.000 Menschen starben bis zum Ostermontag im Zusammenhang mit dem Virus.
Trump will die Wirtschaft rasch wieder zum Laufen bringen und voraussichtlich am Dienstag ein Expertengremium vorstellen, das über den Zeitplan für eine Lockerung der geltenden Beschränkungen beraten soll. Da der Präsident sich schon massive Kritik der oppositionellen Demokraten und der Medien eingehandelt hatte, die Corona-Gefahr lange verharmlost und das Steuer erst viel zu spät herumgerissen zu haben, warnt Fauci seinen Chef jetzt vor übereilten Schritten in die andere Richtung: Möglicherweise könnte der Prozess einer vorsichtigen Öffnung "zumindest auf gewisse Weise" im kommenden Monat beginnen.
Am Sonntag versuchte Trump den Vorwurf zu entkräften, er habe zu spät auf die heraufziehende Pandemie reagiert. Er verstehe nicht, warum die Medien und die US-Demokraten ihn dann so heftig für die Einführung eines Einreiseverbots aus China kritisiert hätten, schrieb er auf Twitter und fügte hinzu: "Korrupte Medien!". Ranghohe Berater des Präsidenten hatten Medienberichten zufolge schon Ende Januar vor einer Coronavirus-Pandemie gewarnt, in deren Folge Hunderttausende Amerikaner ums Leben kommen könnten. Trump selbst beteuerte noch bis Anfang März, das Virus sei für die USA kein Grund zur Sorge.
SPANIER KEHREN ZU ARBEIT ZURÜCK
In Spanien durften Hunderttausende Menschen erstmals nach zwei Wochen wieder zur Arbeit fahren. Der sogenannte Winterschlaf, mit dem die linke Regierung den Kampf gegen die Corona-Pandemie intensiviert hatte, ging in Madrid und einigen Regionen des Landes zu Ende, in denen der Ostermontag kein Feiertag ist. In der Hauptstadt fuhren nach Medienschätzungen rund 300.000 Menschen wieder zur Arbeit. In vielen anderen Regionen wie Katalonien, Valencia, den Balearen oder dem Baskenland war aber Feiertag. Von der umstrittenen Verschärfung der Ausgangssperre waren vor allem das Baugewerbe und weite Teile der Industrie betroffen.
Die strenge Ausgangssperre, die noch bis mindestens Mitternacht am 25. April gilt, bleibt aber ansonsten bestehen. Privat dürfen die Menschen seit Mitte März nur noch zum Einkaufen und in Sonderfällen vor die Tür. Ministerpräsident Pedro Sánchez mahnte am Sonntag: "Ich will mich sehr deutlich ausdrücken: Wir sind nicht einmal am Beginn einer zweiten Phase. Erste Lockerungen wird es frühestens in zwei Wochen geben. Und die werden schrittweise und vorsichtig sein", sagte der Regierungschef in einer Rede an die Nation.
Die positive Tendenz im Kampf gegen das Virus hielt derweil auch über Ostern an. Mit knapp 3500 Neuinfektionen binnen 24 Stunden wurde am Montag die niedrigste Zahl seit dem 20. März verzeichnet. Spanien hat nun insgesamt rund 170.000 Infizierte.
ITALIEN ZÄHLT WENIGER TODESFÄLLE
Einen Hoffnungsschimmer gab es auch aus Italien, wo am Ostermontag 566 Corona-Tote binnen 24 Stunden registriert wurden, etwas mehr als am Vortag, aber weniger als in der schwersten Phase der Pandemie, als fast 1000 Tote an einem Tag zu beklagen waren. Insgesamt starben in dem Land seit Februar 20.465 Menschen im Zusammenhang mit der Covid-19-Krankheit, wie der Zivilschutz mitteilte. Die Gesamtzahl der Infizierten stieg moderat auf 159.516 Fälle (plus gut 3000).
In Italien gilt ein strenges Maßnahmenpaket im Kampf gegen die Corona-Krise mit Ausgangsverboten und Betriebsschließungen noch bis zum 3. Mai.
GROSSBRITANNIEN NOCH NICHT ÜBER DEN BERG
Von einem "düsteren Tag" sprach der britische Gesundheitsminister Matt Hancock. Die Corona-Todeszahlen hatten am Wochenende die 10.000er-Marke übersprungen. Experten rechnen mit einer hohen Dunkelziffer, da vor allem viele Opfer in Seniorenheimen noch nicht erfasst sind. Viele Experten fürchten, dass das Gesundheitssystem der Krise nicht standhalten werde und Großbritannien schon bald das am schlimmsten von der Pandemie betroffene Land in Europa sein könnte.
Aber zumindest der an Covid-19 erkrankte Premierminister Boris Johnson hat seine schwere Erkrankung überstanden. Er konnte das Krankenhaus verlassen und erholt sich auf dem Landsitz Chequers. Der staatliche Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) habe sein Leben gerettet, twitterte der 55-Jährige. Es wird erwartet, dass er erst in einigen Wochen die Regierungsgeschäfte wieder übernehmen kann. Derzeit wird er von Außenminister Dominic Raab vertreten.
FRANKEICH WEITER HART GETROFFEN
Die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus beginnen in Frankreich Wirkung zu zeigen, dennoch bleibt die Lage ernst. Fast 14.400 Menschen sind an den Folgen von Covid-19 verstorben, wie das Gesundheitsministerium am Sonntagabend in Paris mitteilte. Wenigstens sank am vierten Tag in Folge die Zahl der Menschen, die auf der Intensivstation behandelt werden, leicht. "Diese Daten bestätigen, dass die Epidemie in unserem Land in dynamischer Weise weitergeht und es weiterhin hart trifft", so das Gesundheitsministerium. Man beobachte den Beginn "eines sehr hohen Plateaus", müsse aber wachsam bleiben.
Präsident Emmanuel Macron kündigte deshalb am Montagabend in einer Fernsehansprache an die Nation die Verlängerung der strengen Ausgangsbeschränkungen bis zum 11. Mai an. Es gebe zwar Hoffnung, sagte er. Aber in der Region Grand Est oder im Großraum Paris seien die Krankenhäuser noch überlastet. Die Regelungen gelten in Frankreich seit dem 17. März. Das Haus dürfen die Menschen nur für notwendige Dinge wie Einkaufen verlassen, Spazieren gehen oder Sport ist nur eine Stunde pro Tag im Umkreis von einem Kilometer zur Wohnung erlaubt.