"Goldenes Zeitalter"? Boris Johnsons Stunde der Wahrheit
Im Wahlkampf gelobte Boris Johnson ein "goldenes Zeitalter" nach dem Brexit. Dafür muss er kräftig investieren. Doch das Coronavirus belastet die Wirtschaft. Kann er sein Versprechen halten?
Teure Wahlversprechen, Brexit und nun auch noch das Coronavirus: In seinem ersten Staatshaushalt nach dem Austritt aus der EU muss der britische Premierminister Boris Johnson vieles unter einen Hut bringen. Sein neuer Finanzminister Rishi Sunak verspricht, bevor er am Mittwoch das Budget vorlegt, zusätzliches Geld zur Stützung des Gesundheitssystems und der Wirtschaft – wegen der Coronavirus-Epidemie.
Wie überall in Europa gehen auch in Großbritannien die Patientenzahlen nach oben: Am Montag zählte die Regierung mehr als 300 Infizierte und fünf Tote. Und wie vielerorts sind die Auswirkungen auf die Wirtschaft deutlich zu spüren: Am bereits als "Schwarzen Montag" betitelten Krisentag ist wie im Rest der Welt auch die Londoner Börse abgestürzt, Supermarktregale für Nudeln und Seife sind leer geräumt, Touristenattraktionen wie das London Eye menschenleer und vereinzelt mussten Firmen wegen Verdachtsfällen ihre Mitarbeiter nach Hause schicken.
"Wichtigster Haushalt seit dem Zweiten Weltkrieg"
Sunak sagte am Sonntag, der durch die normale winterliche Grippewelle schon stark beanspruchte staatliche Gesundheitsdienst NHS bekomme "sämtliche Mittel, die er benötigt", um mit der zusätzlichen Belastung fertigzuwerden. Ähnlich dem von der Bundesregierung vorgestellten Maßnahmenpaket für die deutsche Wirtschaft arbeitet auch die britische Regierung an einem Hilfspaket, um die drohenden wirtschaftlichen Schäden für Unternehmen und Arbeitnehmer zu lindern. Details will Sunak aber erst am Mittwoch nennen.
Die Erwartungen an den ehemaligen Investmentbanker, der erst seit einem Monat im Amt ist, sind riesig. Die Oppositionspartei Labour spricht wegen des Brexits vom "wichtigsten Haushalt seit dem Zweiten Weltkrieg".
Sunaks Vorgänger und früherer Chef Sajid Javid trat im Februar zurück, nachdem Johnson von ihm verlangt hatte, alle seiner Berater zu feuern, um mehr Kontrolle über das Finanzministerium zu bekommen. Der 39 Jahre junge Sunak, der erst seit 2015 im Parlament sitzt, muss nun zeigen, wie ernst Johnson es mit seinen Wahlversprechen meint.
Johnson und das "goldene Zeitalter"
Johnson hat den Briten nach dem Brexit ein "goldenes Zeitalter" versprochen. Dazu gehören massive Investitionen, vor allem in den vernachlässigten Gebieten im Norden Englands. Dort haben die Wähler Johnson im Dezember zu seiner großen Regierungsmehrheit verholfen. Zu seinen wichtigsten Projekten gehören etwa 20.000 neue Polizisten, neue Krankenhäuser, besseres Internet sowie die Schnellzugstrecke HS2 – das teuerste Infrastrukturprojekt Europas.
Deutliche Steuererhöhungen hat Johnson bislang ausgeschlossen. Allerdings beschränken die Unsicherheiten rund um den Brexit und das Coronavirus die Aussichten auf sprudelnde Staatseinnahmen. Und die Zusatzbelastungen nehmen nicht ab: Wegen massiver Überflutungen durch Winterstürme muss der Staat die Dämme im Norden des Landes dringend erneuern, was mehr als fünf Milliarden Pfund (5,4 Milliarden Euro) kosten wird.
Brexit könnte noch deutlich teurer werden
Der Brexit hat die Regierung wiederum bereits mehr als vier Milliarden Pfund gekostet. Es droht noch deutlich mehr zu werden: Seit vergangener Woche laufen die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien. Beide Seiten haben nur bis Ende des Jahres Zeit für eine Einigung. Sollten sie scheitern, drohen dem Land wegen der engen Verflechtungen mit dem Kontinent hohe wirtschaftliche Schäden und Belastungen für den Staatshaushalt.
So könnte die konservative Regierung nach über einem Jahrzehnt strenger Sparpolitik gezwungen sein, wieder deutlich mehr Schulden aufzunehmen.
Beobachtern zufolge könnte sich Sunak jedoch etwas Zeit erkaufen, indem er sich im aktuellen Haushalt nur auf die dringendsten Herausforderungen wie das Coronavirus konzentriert. Denn dass die britische Regierung zum Frühjahr ein neues Budget vorlegt, ist ziemlich ungewöhnlich und der Wahl Ende vergangenen Jahres geschuldet. Im Herbst wird Sunak wahrscheinlich schon einen neuen Haushalt vorstellen.
- Nachrichtenagentur AFP