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Wahlkampf in der Ukraine: Warum der Herausforderer hier vor dem Publikum kniet


Wahlkampf in der Ukraine
Warum der Herausforderer hier vor dem Publikum kniet

Von t-online, dpa, dru

Aktualisiert am 20.04.2019Lesedauer: 3 Min.
Wolodymyr Selenskyj auf seinen Knien: Szene beim Präsidentschaftsduell am Freitagabend in Kiew.Vergrößern des Bildes
Wolodymyr Selenskyj auf seinen Knien: Szene beim Präsidentschaftsduell am Freitagabend in Kiew. (Quelle: Viacheslav Ratynskyi/reuters)

Die Schlammschlacht ums Präsidentenamt in der Ukraine erlebte am Freitag einen neuerlichen Tiefpunkt. Beim großen Rededuell zwischen Poroschenko und Selenskyj wurden die Zuschauer Zeuge einer seltsamen Szene.

Es war ein weiterer skurriler Moment in diesem an sonderbaren Ereignissen reichen Wahlkampf: Die beiden Kontrahenten um das Präsidentenamt in der Ukraine, Amtsinhaber Petro Poroschenko und sein Herausforderer Wolodymyr Selenskyj, sind bei ihrem großen Rededuell am Freitagabend in Kiew vor dem Publikum auf die Knie gegangen.

Zunächst war es Selenskyj, der auf der großen Bühne im Olympiastadion in der Hauptstadt vor sein Redepult trat und sich auf den Boden kniete. Anschließend tat es ihm Poroschenko gleich, der bei seiner kurzen Geste aber dem Publikum den Rücken zuwandte, anschließend eine ukrainische Fahne küsste und wieder aufstand.

Beide Kandidaten wollten damit die toten Soldaten und Zivilisten ehren, die in dem mittlerweile fünf Jahre dauernden Krieg zwischen Kiew und den von Moskau unterstützten Separatisten in der Ostukraine ums Leben kamen. Zugleich hatte Selenskyj die Szene aber auch bewusst provoziert. Er wollte Poroschenko herausfordern, der dem Polit-Newcomer wiederholt vorgeworfen hatte, eine Marionette Moskaus zu sein. So hatte Poroschenko etwa gesagt: "Um den Staat zu verteidigen, muss man nicht vor Putin auf die Knie gehen."

Der Amtsinhaber spielte damit auf eine Aussage Selenskyjs aus dem Jahr 2014 an. Selenskyj sagte damals unter anderem an die Adresse des russischen Präsidenten, er wäre bereit, vor dem Kreml-Chef zu knien, wenn dieser dafür die Ukraine nicht in die Knie zwingt. Selenskyj verteidigte seine Aussage am Freitag in Kiew so. "Um allen klarzumachen, was ich meinte, und ich glaube, jeder kluge Mensch hat das verstanden: Ich bin bereit und gehe auf die Knie vor jeder Mutter, die auf die Rückkehr ihres Sohnes aus dem Krieg wartet, vor jedem Kind, das auf die Rückkehr seines Vaters wartet, und vor jeder Frau, die auf die Rückkehr ihres Mannes wartet."

Kein Wahlkampf am Samstag

Am letzten Tag vor der Stichwahl am Sonntag hielt die Ukraine am Sonnabend inne. Am sogenannten Tag der Stille ist Wahlwerbung per Gesetz verboten. Sowohl Wahlkampfauftritte als auch neue Umfragen sind untersagt. Medienberichten zufolge ließen beide Kandidaten allerdings Plakate in den Farben ihrer Kampagne ohne Namensnennung aufhängen.

Noch am Vorabend war es zwischen den Kontrahenten zu einem ungewöhnlichen Showdown im Kiewer Olympiastadion gekommen. Vor Zehntausenden Menschen lieferten sich beide auf einer Tribüne eine dramatische Debatte und überhäuften sich gegenseitig mit scharfen Angriffen und Vorwürfen. Kommentatoren werteten die Debatte als Tiefpunkt des Wahlkampfes.

Bereits nach dem ersten Wahlgang vor drei Wochen war das Duell in eine Schlammschlacht ausgeartet. Beide Kontrahenten überhäuften sich mit Sticheleien. Der Amtsinhaber bezeichnete seinen Herausforderer als Kandidaten Russlands und Marionette eines einflussreichen Oligarchen. Nach Drogenvorwürfen unterzogen sich sowohl Poroschenko als auch Selenskyj medienwirksam Blut- und Urintests.

Ehefrau auf Liste von Staatsfeinden

Zuletzt geriet die Familie von Poroschenkos Herausforderer in den Fokus: Selenskyjs Ehefrau wurde wegen eines angeblich von ihr stammenden Facebookeintrags auf die Staatsfeindliste der regierungsnahen Website Myrotworez (Friedensstifter) gesetzt. Sie soll einen Beitrag einer russischen Nachrichtenseite geteilt haben, die Geld für Videos über Bewegungen der ukrainischen Armee bot. Auf der Liste mit Hunderten Einträgen befindet sich auch der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Mindestens zwei Menschen auf der Liste sind bereits ermordet worden.


Am Ostersonntag (21. April) können rund 30 Millionen Ukrainer in einer Stichwahl über das Staatsoberhaupt für die nächsten fünf Jahre entscheiden. Zuvor veröffentlichte Umfragen deuten auf einen haushohen Sieg des Polit-Neulings Selenskyj mit rund 70 Prozent der Stimmen hin. Amtsinhaber Poroschenko muss hingegen mit einer herben Niederlage rechnen. Beide Kandidaten stehen für einen prowestlichen Kurs in Richtung EU und Nato.

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