In französischem Hochsicherheitstrakt Islamist verletzt Polizisten, verschanzt sich in Gefängnis
Ein einschlägig bekannter Islamist verschanzt sich in Frankreich in einem Gefängnis. Spezialkräfte stürmen das Gebäude. Explosionen sind zu hören. Am Ende ist ein Mensch tot.
Ein gewalttätiger Islamist hat am Dienstag in einem Hochsicherheitsgefängnis in der Normandie zwei Wärter mit einem Messer schwer verletzt. Anschließend verschanzte der 27-jährige Häftling sich mit seiner Lebensgefährtin in einem Zimmer. Elite-Polizeitruppen konnten die beiden nach einigen Stunden überwältigen. Bei dem Einsatz soll es laut Zeugen Detonationen gegeben haben. Die Pariser Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Terrorismus übernahm den Fall.
Wie die Nachrichtenagentur AFP aus Ermittlerkreisen erfuhr, wurden Michaël C. und seine Lebensgefährtin bei dem Polizeieinsatz durch Schüsse verletzt. Die Frau erlag später ihren Verletzungen. Beide hätten Stichwaffen bei sich gehabt.
Justizministerin: Angriff war Terrorismus
C. hatte nach Angaben eines Gewerkschaftsvertreters am Dienstagmorgen unter "Allahu Akbar"-Rufen zwei Wachleute mit einem Messer schwer verletzt und sich dann mit seiner Lebensgefährtin in einem Zimmer verschanzt. Die französische Justizministerin Nicole Belloubet sagte, es gebe "keine Zweifel", dass es sich bei dem Angriff um Terrorismus handele.
Den Angaben zufolge wollte der Häftling mit seiner Tat den Tod des Straßburger Attentäters Chérif Chekatt rächen. Bei dem Attentat in der Elsass-Metropole waren im Dezember fünf Menschen getötet worden, zwei Tage später wurde der polizeibekannte islamistische Extremist Chekatt bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet.
Keramikmesser durch Kontrolle geschleust
C. war 2010 zum Islam konvertiert und ist in dem Gefängnis als "radikalisierter" Islamist eingestuft. Er war nach Angaben der Haftanstalt mit einem Keramikmesser auf die Wachleute losgegangen. Die Polizei untersuchte, ob seine Lebensgefährtin es ihm ins Gefängnis mitgebracht hat. Keramikmesser lösen bei gängigen Metalldetektoren keinen Alarm aus.
Im Laufe des Tages mehrten sich rund um das Gefängnis die Anzeichen, dass ein Polizeieinsatz bevorstand: In unmittelbarer Nähe des Gebäudes wurden zwei Militär- und ein Rettungshubschrauber in Position gebracht, Polizisten der Eliteeinheit Raid trafen ein. Am Abend kam es dann zum Zugriff. AFP-Reporter vor Ort berichteten, man habe mehrere Explosionen gehört.
Besucherzimmer glich einem Schlachtfeld
Nach Angaben eines Gewerkschaftsvertreters wurde ein Wachmann schwer am Oberkörper verletzt, ein zweiter erlitt Schnittverletzungen im Gesicht und am Rücken. Der Tatort – ein Zimmer, in dem Häftlinge Besuch von ihren Familien bekommen dürfen – sei "ein Schlachtfeld" gewesen: "Überall war Blut." Lebensgefahr besteht nach Angaben der Justizministerin aber nicht.
Frankreichs Gefängnismitarbeiter protestieren seit langem immer wieder für mehr Sicherheit und bessere Arbeitsbedingungen. Innenminister Castaner bedankte sich via Twitter bei den am Einsatz beteiligten Polizisten: Sie hätten mit Mut, Besonnenheit und Professionalität gehandelt und "wieder einmal ihrer Uniform Ehre gemacht".
Michaël C. verbüßt in Condé-sur-Sarthe eine 30-jährige Haftstrafe für Entführung mit Todesfolge, bewaffneten Raub und für die Unterstützung von Terrorismus. Gemeinsam mit einem Komplizen hatte er im Jahr 2015 einen Mann bei einem Raubüberfall in dessen Haus erwürgt.
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Ein zweites Mal wurde C. verurteilt, weil er seine Mithäftlinge dazu aufrief, den islamistischen Terroranschlag auf das Bataclan-Kulturzentrum in Paris zu wiederholen. Bei dem Anschlag im November 2015 starben 90 Menschen.
Die Haftanstalt in der Normandie gilt als eine der sichersten Frankreichs. Derzeit sitzen dort 110 Menschen in Haft. Obwohl C. als radikalisiert galt, war er laut Ministerin Belloubet nicht im zusätzlich gesicherten Trakt des Gefängnisses untergebracht, der vor wenigen Monaten eingerichtet wurde.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa