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INF-Vertrag aufgekündigt - Streit über Abrüstung: Russland will neue Raketen bauen


Vor Ablauf des Ultimatums
Streit über Abrüstung: Russland will neue Raketen bauen

Von dpa
Aktualisiert am 03.02.2019Lesedauer: 3 Min.
"Wir wollen warten, bis unsere Partner reif genug sind, um mit uns einen gleichwertigen und sinnvollen Dialog über dieses wichtige Thema zu führen", so Putin.Vergrößern des Bildes
"Wir wollen warten, bis unsere Partner reif genug sind, um mit uns einen gleichwertigen und sinnvollen Dialog über dieses wichtige Thema zu führen", so Putin. (Quelle: Pablo Martinez Monsivais/AP./dpa)

Moskau/Washington (dpa) - Nach der Aufkündigung des wichtigen Abrüstungsvertrages für atomar bewaffnete Mittelstreckenwaffen durch die USA und Russland will der Kreml neue Raketen bauen lassen.

Demnächst werde mit der Produktion einer landgestützten Hyperschallrakete mittlerer Reichweite begonnen, kündigte Präsident Wladimir Putin am Samstag an. Neue Mittelstreckenrakten sollen aber nur dann stationiert werden, wenn Washington dies tue. Am Wochenende warfen sich beide Atommächte erneut vor, den 1987 geschlossenen Vertrag zu verletzen.

US-Außenminister Mike Pompeo erklärte am Samstag: "Die USA können nicht länger an den Vertrag gebunden sein, während ihn Russland offen bricht." Putin kündigte am selben Tag an, das Abkommen auszusetzen. Sein Außenminister Sergej Lawrow sagte zur Begründung, Amerika verletze den Vertrag seit 1999 mit dem Einsatz von Kampfdrohnen. Zudem verstoße Washington mit der Raketenabwehr in Europa gegen das Abkommen.

Der INF-Vertrag zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion untersagt den Bau und Besitz landgestützter, atomar bewaffneter Raketen oder Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern. Die Abkürzung INF steht für "Intermediate Range Nuclear Forces", auf Deutsch: nukleare Mittelstreckensysteme. Bis der Vertrag nach der Kündigung endgültig ausläuft, bleiben aber - zumindest theoretisch - noch sechs Monate Zeit für eine Beilegung des Streits.

Russland hatte bereits Ende vergangenen Jahres einen neuen Raketentyp mit Hyperschallgeschwindigkeit bei einem Test von einer Basis südlich des Urals abgefeuert. Die Interkontinentalrakete könne mit 20-facher Schallgeschwindigkeit in der Atmosphäre fliegen und nicht abgefangen werden, hieß es. Die Rakete "Avantgarde" solle bald in Dienst gestellt werden, kündigte Putin damals an. Damit werde die Sicherheit seines Landes in den kommenden Jahrzehnten gewährleistet. Der Kremlchef hatte bereits zuvor eine Serie neuer Atomwaffen präsentiert und damit international Besorgnis ausgelöst.

Die USA teilten mit, sie hätten Moskau am Samstag offiziell von der Kündigung des Vertrags in Kenntnis gesetzt. Die Nachricht sei auch an weitere Länder gegangen, die als Rechtsnachfolger früherer Sowjetrepubliken infrage kommen. Das Außenministerium in Moskau bestätigte den Erhalt der Note.

Die Amerikaner und die Nato werfen den Russen seit Langem vor, mit ihren Raketen vom Typ 9M729 (Nato-Code: SSC-8) gegen den Vertrag zu verstoßen, weil sie weiter fliegen als der INF-Vertrag erlaubt. Die Russen bestreiten das.

Kremlchef Putin sagte bei einem Treffen mit Außenminister Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu, weitere Verhandlungen mit den USA werde Russland zu dem Thema vorerst nicht suchen. Grundsätzlich sei Moskau zwar offen für den Dialog, dieser müsse aber von den USA angestoßen werden, sagte Putin. "Die Verantwortung für das Ende des Vertrages liegt zur Gänze bei den USA", teilte das Moskauer Außenamt mit. "Falls Washington sein destruktives Vorgehen überdenkt, sind wir offen, über dieses Thema zu reden."

US-Präsident Donald Trump hatte zuvor erklärt, er könne sich Gespräche über einen neuen Vertrag vorstellen. Dann müsse aber auch China mit an den Tisch.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dazu aufgerufen, die verbleibenden sechs Monate zu nutzen, um doch noch eine Wende herbeizuführen. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte der "Bild am Sonntag", Washington und Moskau müssten nun dringend über Obergrenzen bei strategischen Nuklearwaffen verhandeln. "Ansonsten droht ein Dominoeffekt."

Außenpolitiker von CDU und SPD sorgten mit einem neuen Vorschlag an Russland und die USA für Aufsehen. Roderich Kiesewetter, der Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss, und der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, forderten Moskau auf, seine neuen Marschflugkörper so weit in den Osten des Riesenreichs zu verlegen, dass sie Europa nicht mehr erreichen können, wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) berichtete. Im Gegenzug sollten US-Abschussanlagen in Europa für russische Kontrollen geöffnet werden.

Die chinesische Führung forderte die USA und Russland dazu auf, ihren Streit zu überwinden. "Die chinesischen Seite lehnt den US-Rückzug ab und drängt die Vereinigten Staaten und Russland, ihre Differenzen durch einen konstruktiven Dialog beizulegen", sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Geng Shuang, in Peking.

In Russland wurde die Entscheidung Putins sehr positiv aufgenommen. Der russische Außenpolitiker Leonid Sluzki lobte sie als richtig und "gesund". Die USA hätten Russland keine andere Option gelassen, als so zu reagieren, sagte der Vorsitzende des Außenausschusses in der russischen Duma. "Niemand wird sagen können, dass Russland dieses Wettrüsten provoziert hat."

In vielen Teilen der Welt löste die Ankündigung aus Washington Sorge vor einem neuen atomaren Wettrüsten aus. Die Nato hat nach den Worten von Generalsekretär Jens Stoltenberg keine Absicht, neue Atomwaffen bodengestützter Art in Europa zu stationieren. "Wir müssen aber klarmachen, dass wir eine glaubwürdige Abschreckung und Verteidigung haben - in einer Welt auch ohne INF-Vertrag", sagte Stoltenberg am Freitagabend im ZDF-"heute journal".

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