Türkische Zeitung zu Manchester "Wer Wind sät, wird Sturm ernten"
Nach dem Selbstmordattentat von Manchester zeigt sich die internationale Presse bestürzt. Während die einen keine Hoffnung auf hundertprozentige Sicherheit machen wollen, werfen andere den Blick auf die Auswirkungen des Brexit. Eine türkische Zeitung gibt Großbritannien dagegen eine Mitschuld.
Yeni Akit (Türkei) - Terrorismus ist wie ein Bumerang
"Wer Wind sät, wird Sturm ernten", schrieb das islamistische Blatt. "Großbritannien ist eines der Länder, das die Türkei im Kampf gegen Terrorismus alleine gelassen und Terroristen mit offenen Armen empfangen hat."
Chefredakteur Kadir Demirel schrieb in einem Kommentar in Anlehnung an frühere Aussagen von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan: "Terrorismus ist wie ein Bumerang. Eines Tages wird er zurückkommen und Dich auch treffen". Die türkische Regierung wirft westlichen Staaten vor, Aktivitäten der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu dulden und Anhängern der Gülen-Bewegung Schutz zu bieten.
El País (Spanien) - Mörderische Ideologie ohne moralische Grenzen
"Dass sich der Islamische Staat Jugendliche und Kinder, die ein Konzert ihrer Lieblingssängerin besucht haben, als Opfer für ihr jüngstes Blutbad ausgesucht hat, zeigt erneut, dass es für den Dschihadismus einfach keine moralischen Grenzen gibt. Das Massaker, das in der Nacht zum Montag in Manchester durchgeführt wurde, hat einen einzigen und klaren Verantwortlichen: eine mörderische Ideologie, die sich feige hinter der Religion versteckt und kein anderes Ziel verfolgt, als die freien - und damit auch mehr florierenden - Gesellschaften des Planeten abzuschaffen."
La Stampa (Italien) - Die Niedertracht trifft die Schwächsten
"In der Manchester Arena wurde eine weitere Schwelle überschritten, weil die Niedertracht die Schwächsten getroffen hat: Es sind die Kinder, die nicht einmal wissen, was der IS ist. Und die Erwachsenen, die IS kennen, aber meinten, es betreffe sie nicht. Die Eltern müssen nun ihre Kinder zu Grabe tragen: Ihre Zukunft ist weggerissen, ihr Leben ist zerstört, ohne irgendeinen plausiblen Grund. Und das macht den Verlust noch viel schmerzhafter."
De Telegraaf (Niederlande) - Vollständige Sicherheit ist eine Illusion
"Völlige Sicherheit ist eine Illusion, aber der Staat kann die Risiken soweit wie möglich eindämmen, in dem er Flüchtlingsströme besser auf potenzielle Terroristen kontrolliert und extremistische Netzwerke im eigenen Land rascher unter Beobachtung bringt. Effektiv arbeitende Geheimdienste sind von grundlegender Bedeutung, ebenso die Zusammenarbeit der Staaten auf diesem Gebiet. Die Briten haben sich entschieden, die EU zu verlassen, aber dieser Schritt darf auf keinen Fall Folgen für die Bekämpfung des Terrorismus haben."
Der Standard (Österreich) - Brexit wird Sicherheitskonzepte in Europa verändern
"Die Nation steuert mit dem Austritt aus der Europäischen Union auch eine Situation an, die das Sicherheitskonzept sowohl der EU als auch Großbritanniens zumindest verändern wird. Viel wurde Ende März über den Satz in Theresa Mays Brexit-Brief an die EU diskutiert: Sollte kein Austrittsvertrag zustande kommen, könnte dies die "Kooperation im Kampf gegen Verbrechen und Terror schwächen".
Erpressungsvorwürfe, die sofort im Raum standen, wurden damals von britischer Seite eilig zurückgewiesen. Doch noch ist völlig offen, wie beispielsweise eine weitere Zusammenarbeit mit der Polizeibehörde Europol nach vollzogenem Rückzug aus der EU aussehen könnte. Vor dem Hintergrund der aufrechtbleibenden Terrorbedrohung in Europa sollte das beidseitige Interesse, den vertraulichen Informationsaustausch weiter zu pflegen, aber groß sein."
The Times (Großbritannien) - Zivilisation muss terroristische Todeskulte besiegen
"Der Islamische Staat und seine Rivalen, unter ihnen vor allem Al-Kaida, sind Todeskulte, deren Methoden den Glauben zunichte machen und deren Ideologien Religion bis zur Unkenntlichkeit verzerren. Aber sie haben den Nahen Osten und Demokratien von Indonesien bis zu den Vereinigten Staaten in einen asymmetrischen Krieg verwickelt, den die Zivilisation gewinnen muss, wie lange er auch dauern mag. Der Sieg wird dabei nie vollständig sein, aber er kann definiert werden - als Freiheit von der Angst.
Er wird hauptsächlich mit Hilfe von drei Waffen erreicht: Erstens, die exakte Arbeit von Geheimdiensten, die seit den Anschlägen vom 7. Juli 2005 (in London) viele Terrorangriffe verhindert haben, wenngleich es ihnen in dieser Woche tragischerweise nicht gelang, Manchester zu schützen. Zweitens, die Gemütsruhe von Bürgern, die sich dem Terrorismus nicht beugen. Bürgern wie jenem, der gestern unweit des angegriffenen Konzertsaals sagte "Sie werden uns nicht besiegen". Und drittens, die Entschlossenheit der gewählten Volksvertreter, jene Werte hochzuhalten, die den Terroristen verhasst sind. Am Ende wird Toleranz die ganze Banalität des Fundamentalismus entlarven und Offenheit wird dafür sorgen, dass sich Extremisten nirgendwo verstecken können."
Lidove noviny (Tschechien) - Europas Ohnmacht gegenüber dem Terror
"Falls die Terroristen die Ohnmacht der europäischen Staaten aufzeigen wollten, ist ihnen das gelungen. Mit dem Anschlag in Manchester haben sie unter Beweis gestellt, dass sie bereit und in der Lage sind, an jedem Ort, jederzeit und gegen jeden anzugreifen. Sie müssen noch nicht einmal neue Methoden entwickeln. Nach Messer- und Axtangriffen sowie Autoanschlägen kehrt nun der Selbstmordattentäter wieder.
Doch warum ist das Risiko mancherorts größer und andernorts kleiner? Manchester, London, Paris, Nizza, Brüssel, Berlin, Kopenhagen, Stockholm. Die Liste ist nur ein Auszug, doch es scheint, dass sich die Bereiche dieser kriminellen Pathologie mehr oder weniger mit den Gebieten sozialer Pathologien decken - mit der Verbreitung von Parallelgesellschaften, No-go-Areas und gescheiterten Integrationsversuchen. Wir sind einstweilen noch in der sicheren Zone."
Tages-Anzeiger (Schweiz) - May kann nun Stärke zeigen
"Der nationale Schock, die Bestürzung, die Empörung über die getöteten Kinder: Das alles sind ehrliche erste Reaktionen nach dem Anschlag von Manchester. Vereint trauern die Briten. Bei einem so schrecklichen Anlass reicht man sich die Hände. Gemeinsam formieren sich die Parteien gegen "Extremisten aller Art" und "Gewalttäter" im Land.
Hinter der Fassade dieser Einigkeit freilich wird kühl kalkuliert. Schließlich sind es keine 16 Tage bis zu den Unterhauswahlen mehr. Und dass die Bluttat vor der Manchester Arena der Premierministerin Gelegenheit gibt, der Nation ihre "starke Seite" zu zeigen: Daran besteht kein Zweifel. Natürlich hat Theresa May diese Situation nicht gewollt. Aber sie kommt ihr zugute."