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Waffenruhe im Libanon: Wie geht es im Nahen Osten jetzt weiter?


Waffenruhe im Libanon
Die ersten Verstöße gab es schon

Von t-online, jaf

27.11.2024 - 13:25 UhrLesedauer: 4 Min.
Nahostkonflikt - LibanonVergrößern des Bildes
Der Krieg hat im Libanon in vielen Dörfern zu Zerstörung geführt. (Quelle: Bilal Hussein/AP/dpa-bilder)

Mehr als ein Jahr lang haben sich Israel und die Hisbollah gegenseitig beschossen. Nun gibt es eine Waffenruhe. Doch was bedeutet das konkret?

Israel und die libanesische Hisbollah haben sich nach rund 14 Monaten intensiver Auseinandersetzungen auf eine Waffenruhe geeinigt. Nach massiven Zerstörungen, Tausenden Opfern und zahlreichen Vertriebenen ruht der Konflikt vorerst.

Doch beendet ist er noch nicht. Das zeigen die vereinbarten Regelungen. t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was wurde vereinbart?

Die Waffenruhe gilt zunächst für 60 Tage und beinhaltet einen Rückzug der Hisbollah-Kämpfer bis zum Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze. Gleichzeitig stationiert die libanesische Armee 10.000 Soldaten im Grenzgebiet. Bisher hatte sich das libanesische Militär nicht aktiv in den Konflikt eingegriffen und ist keine Kriegspartei.

Israel soll seine Bodentruppen derweil schrittweise aus dem Grenzgebiet abziehen, bleibt zunächst aber noch im Süden stationiert. Libanesische Bürger, die evakuiert wurden, dürfen bisher nicht wieder zurückkommen. Zudem sollen Schritte unternommen werden, um eine Wiederbewaffnung der Hisbollah zu verhindern. Die Vereinbarung basiert offenbar auf der UN-Resolution 1.701, die bereits den Krieg 2006 zwischen Israel und der Hisbollah beenden sollte, aber nie vollständig umgesetzt wurde.

Überwachen soll die Vereinbarung eine Staatengruppe unter Führung der USA zusammen mit Frankreich, dem Libanon, Israel und der UN-Friedenstruppe Unifil, die seit Jahren im Libanon stationiert ist.

Wird die Waffenruhe eingehalten?

Noch bis kurz vor Eintreten der Waffenruhe flog Israel Angriffe auf den Libanon. Die Armee meldete die letzten Raketenangriffe auf den Norden des Landes allerdings mehrere Stunden bevor die Waffenruhe um 4 Uhr Ortszeit (3 Uhr MEZ) in Kraft trat. Im Libanon waren kurz nach Inkrafttreten der Feuerpause im Raum der libanesischen Hauptstadt Beirut Freudenschüsse zu hören.

Wenige Stunden nach Inkrafttreten der Waffenruhe kam es nach israelischen Angaben im Südlibanon zu einem Zwischenfall. Die Armee teilte mit, Soldaten hätten "ein Fahrzeug mit mehreren Verdächtigen in einer Zone ausgemacht, in der Bewegung verboten ist". Die Soldaten hätten Schüsse abgegeben, um sie am Weiterfahren zu hindern. Daraufhin hätten die Menschen das Gebiet wieder verlassen.

"Die israelische Armee wird gegen jeden vorgehen, der versucht, gegen die Waffenruhe-Vereinbarung zu verstoßen", hieß es in der Mitteilung weiter. Der israelische Kan-Sender berichtete, acht Fahrzeuge und ein Motorrad mit Hisbollah-Mitgliedern seien in das Gebiet von Kafr Kila nahe der Grenze zu Israel gekommen. Die Armee habe sie mit Warnschüssen vertrieben. Im Anschluss meldete die Armee noch weitere Zwischenfälle, allerdings ohne ernsthafte Bedrohung, sagte ein Militärsprecher: "Dies sind isolierte Vorfälle, die in den ersten Stunden oder Tagen passieren, bis die Menschen verstehen, was vor Ort geschieht."

Wie ist die aktuelle Situation im Libanon?

Im Libanon haben nur Stunden nach Inkrafttreten der Waffenruhe mit Israel nach Worten eines Hisbollah-nahen Ministers die Aufräumarbeiten begonnen. Um 7 Uhr Ortszeit habe man die Arbeiten in den südlichen Vororten von Beirut gestartet, sagte der geschäftsführende Minister für öffentliche Arbeiten und Transport, Ali Hamija. Ziel sei, Straßen aus dem zerstörten Vorort Haret Hreik nach Beirut wieder zu öffnen.

Auch an der Hauptstraße, die aus der libanesischen Hauptstadt nach Syrien führt, habe der Wiederaufbau begonnen. Schon am frühen Morgen waren laut Augenzeugen Bagger und Räumfahrzeuge im Einsatz, die Trümmer beseitigten.

Tausende Menschen machten sich seit den frühen Morgenstunden in vollgepackten Autos auf den Weg zurück in den Südlibanon, der in den vergangenen Wochen und Monaten unter massivem Beschuss der israelischen Armee stand. Auf sozialen Medien und im arabischen Fernsehen waren lange Staus auf den Straßen in Richtung Süden zu sehen. Libanons Parlamentspräsident Nabih Berri hatte nach Inkrafttreten der Waffenruhe die Bevölkerung aufgerufen, in ihre Heimatorte zurückzukehren.

Wie kann es weitergehen im Libanon?

Ein dauerhafter Frieden ist durch die Waffenruhe noch nicht gesichert. Es wird auch noch dauern, bis wieder Normalität einkehrt. Zieht sich das israelische Militär tatsächlich aus dem Libanon zurück, könnte die Waffenruhe dauerhaft bestehen bleiben.

Nach Worten des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nadschib Mikati plant Libanons Regierung die vollständige Umsetzung einer entscheidenden UN-Resolution zur Friedenssicherung. "Der Ministerrat bekräftigte seine Entscheidung, dass die Regierung verpflichtet ist, die Resolution 1701 in all ihren Bestimmungen umzusetzen."

Die Hisbollah dürfte sehr viel Zeit brauchen, um sich von den jüngsten Auseinandersetzungen zu erholen. Zum einem ist sie personell geschwächt und muss erst eine neue Führungsriege etablieren, zum anderen muss sie ihre Infrastruktur erst wieder aufbauen. Mit einem Widerstand gegen die Waffenruhe ist also wohl nicht zu rechnen.

Gibt es jetzt Frieden mit der Hamas?

Auch die Hamas zeigte sich zuletzt offen für eine Waffenruhe im Gazastreifen. Die Hamas sei "bereit zu einem Abkommen über eine Waffenruhe und zu einer Vereinbarung über einen Gefangenenaustausch" mit Israel, sagte ein Mitglied des Hamas-Politbüros am Mittwochmorgen der Nachrichtenagentur AFP. Dies habe sie auch den Vermittlern Ägypten, Katar und der Türkei mitgeteilt. Jegliche Vereinbarung müsse zu einem Ende des Krieges und dem Abzug des israelischen Militärs aus dem Palästinenser-Gebiet führen, teilt die Hamas mit.

Ein Hamas-Vertreter sagte der Deutschen Presse-Agentur gleichzeitig, die Organisation bestehe auf ihren Bedingungen für eine Waffenruhe. Man respektiere die Entscheidung der Hisbollah, aber das palästinensische Volk sei trotz des Leidens im Gazastreifen nicht bereit, seinen Widerstand gegen Israel aufzugeben, sagte er.

Allerdings ist die Infrastruktur im Gazastreifen gänzlich anders. Es ist kein souveräner Staat und verfügt über keine neutrale Armee. Zudem sind die Gräben zwischen Israel und der Hamas als Organisation hinter dem Terrorangriff vom 7. Oktober noch deutlich tiefer. Eine schnelle Einigung ist also nicht zu erwarten.

Verwendete Quellen
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