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Krieg in Gaza: Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit


Meinung
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Krieg in Gaza
Etwas voreilig, oder?

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 04.03.2024Lesedauer: 4 Min.
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Annalena Baerbock (Grüne): Die Außenministerin hat die israelische Armee um Aufklärung gebeten, nachdem bei der Einfuhr von Hilfsgütern zahlreiche Menschen ums Leben gekommen waren. (Quelle: Jens Schicke/imago-images-bilder)
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Flugzeuge werfen jetzt Lebensmittel und Medikamente ab, da Israel den Gazastreifen abschnürt. Indessen sind 134 Geiseln seit 150 Tagen im Würgegriff der Hamas und hungern vermutlich auch. Wie lange dauert ihre Qual noch an?

In Doha verhandeln sie wieder über eine Feuerpause in Gaza und die Befreiung der Geiseln. Wie es heißt, haben sie ein Ergebnis erzielt. Von den Israelis hört man, dass sie im Prinzip zugestimmt haben. Im Prinzip meint in dieser Weltgegend: unverbindlich, vielleicht oder auch nicht, mal schauen. Die Hamas stellt wie immer maximale Forderungen und deshalb steht das Ergebnis der Bemühungen so lange in den Sternen, bis es entweder angenommen wird oder nicht.

(Quelle: Privat)

Zur Person

Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.

Mittlerweile regnet es Hilfsgüter auf Gaza. Jordanien wirft schon länger Nahrungsmittel und Medikamente ab, die USA haben sich am Wochenende angeschlossen. Natürlich lassen sich Transportflugzeuge weitaus weniger vollladen als Lastwagen, aber man muss sich schon darüber freuen, dass humanitäre Hilfe wenigstens aus der Luft kommt und vielleicht ein bisschen Linderung verschafft.

Hunger lässt verzweifeln

Die Lastwagen, die am vorigen Donnerstag in den Norden einfuhren, waren in Absprache der Israelis mit einheimischen Gaza-Geschäftsleuten organisiert worden. Was dann zu mehr als Hundert Toten führte, wer schuld an Anarchie und Chaos war, ist wie alles in dieser Region abhängig von der Perspektive. Die deutsche Außenministerin verlangt von der israelischen Armee Aufklärung darüber, wann und warum deren Soldaten geschossen haben. Klingt nach Parteinahme, etwas voreilig, oder?

An Hunger verzweifeln Menschen. Hunger kann sie rasend machen. Hunger kann Panik auslösen, wenn endlich mal ein paar Lastwagen mit Lebensmitteln ankommen. Gut möglich, dass sich die Menschen gegenseitig niedergetrampelt haben, dass die Fahrer, ebenfalls panisch, hin und her rangierten und Menschen überrollten. Gut möglich auch, dass israelische Soldaten, vielleicht genauso panisch, ungezielt in die Menge schossen. Wahrscheinlich werden wir über den genauen Ablauf erst spät erfahren, wenn sich überhaupt der schreckliche Vorfall noch rekonstruieren lässt.

Video | Entsetzen nach tödlichem Vorfall in Gaza
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Quelle: reuters

Ein Verbrechen

Die Uno sagt, dass die Menschen im Gazastreifen an jedem normalen Tag 500 voll beladene Lastwagen brauchen, um ein normales Leben führen zu können. Warum eigentlich? Die Hamas wird mit Geld aus Europa und vom Golf zugeschüttet, verwendet es aber offenbar nicht allein für die zwei Millionen Menschen hier, sondern vorzugsweise für ihren Vernichtungskampf gegen Israel, genauer gesagt: gegen die Juden. Deshalb ist die Hamas verantwortlich für die herrschende Dauernot im Alltag. Nicht erst seit dem 7. Oktober 2023 hat sie das Recht verwirkt, in Gaza nach Gutdünken herrschen zu dürfen.

Für die verschärfte Hungersnot dieser Tage ist allerdings Israel verantwortlich. Es wäre kein unlösbares Problem, wenigstens den ärgsten Bedarf an Lebensmitteln, Wasser, Benzin und Medizin zu decken. Die Lastwagen müssten in den Norden einfahren dürfen und auch aus Ägypten über Rafah. Dass Israel Gaza abschneidet und abwürgt, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Kriege verändern sich. Der Krieg in Gaza begann als verständliche Vergeltung für das Massaker an 1.200 Israelis am 7. Oktober. An jungen Menschen, die gerade noch getanzt hatten. An schlafenden Babys. Frauen und Mädchen haben sie vergewaltigt. Hunderte haben sie entführt, auch betagte Menschen, wahllos.

Viele Amputationen

Natürlich weckt das Urängste, wenn nicht einmal das Leben in Israel mit seiner hochgelobten Armee und seinem hochgelobten Geheimdienst Sicherheit garantiert. All das verdient Verständnis, mehr Verständnis auch von der Öffentlichkeit Europas und Amerikas. Doch Kriege ändern ihre Richtung, ihren Charakter, vor allem dann, wenn die Regierung nur noch militärisch denkt und harthörig für Mahnungen und Aufrufe zur Besonnenheit von den Freunden bleibt.

Rund 30.000 Menschen sind in Gaza getötet worden. Unicef, der Parteinahme unverdächtig, schätzt, dass 17.000 Kinder umherirren, weil ihre Eltern entweder tot sind oder von ihnen getrennt wurden. Womöglich 1.000 Kindern musste entweder ein Bein oder beide Beine amputiert werden. Wer für sie kein Mitgefühl empfindet, muss ein Herz aus Stein haben.

Müssen sich vergessen fühlen

In Israel finden wieder Demonstrationen gegen die nationalkonservative Regierung von Netanjahu statt. Die einen Demonstranten machen den Premierminister persönlich dafür verantwortlich, dass der 7. Oktober möglich war und verlangen seinen Rücktritt. Die anderen Demonstranten verlangen seit Wochen, dass die Geiseln freikommen.

123 von ihnen sind zurück in Israel. 134 sind noch irgendwo in Gaza, in irgendeinem Tunnel, in irgendeinem Haus, obwohl ja nicht mehr viele stehen. Heute ist der 150. Tag des Krieges. Seit 150 Tagen sind sie also im Gewahrsam ihrer Entführer. Etliche sind älter und krank. Insbesondere um sie und um Frauen und Kinder geht es in den Verhandlungen in Doha.

Auf der Onlineseite der Zeitung "Haaretz" werden Fotos gezeigt und Namen genannt: Dorin Steinbrecher lacht genauso wie Eitan Mor und Ron Binyamin in die Kamera – das sind Schnappschüsse aus dem richtigen Leben eben, aus dem diese Menschen auf die denkbar schlimmste Weise herausgerissen wurden. Sie müssen sich vergessen fühlen, jedenfalls vernachlässigt von ihrer Regierung, die immer weiter Krieg führt und nur noch Krieg denkt. Und vermutlich hungern auch die Geiseln.

Wie geht es mit Netanjahu weiter?

Wie aber gehen sie aus diesem grauenhaften Krieg hervor, die Israelis und die Palästinenser? "Nicht nur die Grausamkeiten, die wir uns gegenseitig angetan haben, werden für viele Jahre zwischen uns stehen", schreibt der israelische Schriftsteller David Grossmann, ein freundlicher, milder, besonnener Mann. "Wie aber können wir mit so einem Feind einen Friedensvertrag schließen?", fragt er und gibt diese Antwort: "Und doch wiederum welche Wahl haben wir denn?"

Solche Gedanken versuchen Joe Biden und Emmanuel Macron, Unicef und Uno dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu nahezubringen. Ein Ende des Krieges ist mit ihm nur schwer vorstellbar.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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