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Nahost-Krieg: Was passiert danach?


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Krieg in Nahost
Er könnte der Mandela Palästinas sein

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 22.12.2023Lesedauer: 4 Min.
imago images 0243076195Vergrößern des Bildes
Ein Graffiti im Gazastreifen zeigt den inhaftierten Marwan Barghouti: Könnte er die Palästinenser vereinen? (Quelle: Nidal Al-Wahidi/apaimages/imago-images-bilder)

Netanjahu hat vor, eine entmilitarisierte Zone in Gaza einzurichten. Erst ein Nachfolger könnte wohl eine politische Lösung vorantreiben. Womöglich fände sich bei den Palästinensern ein Brückenbauer.

Der Nahe Osten ist eine Region, aus der fast nur negative Nachrichten kommen. Da ist es schon etwas Erfreuliches, dass der große Krieg ausgeblieben ist. Bisher. Man soll vorsichtig bleiben. Schlimmer geht immer.

Die zentrale Instanz im Vernichtungskampf gegen Israel bleibt der Iran. Das Mullah-Regime hat es verstanden, ein paar Marionetten aufzubauen, die es nach Belieben einsetzen kann. Wie das geht, führen gerade die bestens ausgerüsteten Huthi-Rebellen vor. Mit Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Antischiffsraketen griffen sie Handelsschiffe im Roten Meer an, bevorzugt in der Meerenge von Bab-el-Mandeb, wo nur 29 Kilometer zwischen Afrika und der Arabischen Halbinsel liegen.

Der Westen wird tief in den Konflikt hineingezogen

Folge: Die fünf größten Container-Reedereien der Welt schicken ihre Schiffe nicht mehr durchs Rote Meer, die Ölkonzerne stoppen ihre Transporte auf dieser Route. Normalerweise werden hier 40 Prozent des Handels zwischen Europa und Asien abgewickelt. Diese Lieferketten sind fürs Erste unterbrochen.

Weitere Folge: Eine maritime Koalition zum Schutz des Roten Meeres soll entstehen. Dazu gehören Großbritannien, die USA, Kanada und Norwegen, auch Bahrain, der einzige arabische Staat. Saudi-Arabien, das Krieg gegen die Huthis führt, hält sich fein heraus.

Aus iranischer Sicht ist die Entwicklung grandios, wird doch der Westen tief in den Konflikt im Nahen Osten hineingezogen. Auf diese Weise war die Intervention der Huthi fast optimal wirksam und besaß zudem einen enormen Überraschungseffekt. Dagegen verblasst der Einsatz der Hisbollah, der anderen iranischen Marionette, die Tag für Tag Raketen aus dem Libanon auf Israel abschießt.

Auch freundliches Feuer kommt im Krieg nicht selten vor

Wie ist die Sicht Israels auf die Dinge? Die große Zäsur war der Tod dreier Geiseln, die israelische Soldaten in ihrer Angst für Feinde hielten. Man muss sich das vorstellen: Die drei hatten sich aus der Geiselhaft befreit, zogen ihre T-Shirts aus, damit klar war: Wir tragen keine Bombengürtel, wir sind harmlos, erschießt uns nicht. Wahrscheinlich waren sie nach ihrer Selbstbefreiung umhergeirrt, hatten sich vor Verfolgern versteckt – und dann sahen sie israelische Soldaten, glaubten sich gerettet, machten auf sich aufmerksam, wehten mit weißem Tuch. Und dann wurden sie von zwei Soldaten in grotesker Verkennung der Lage erschossen.

Krieg ist in allen Facetten schrecklich. Feindliches Feuer ist der Normalfall, aber auch freundliches Feuer kommt nicht selten vor. Der Krieg in Gaza tötet aber auch zahllose Zivilisten, von denen niemand wissen kann, was sie dachten, was sie wollten, ob sie die Hamas bewunderten oder verachteten. Und er tötet Kinder und ihre Mütter. Wie lassen sich diese Toten rechtfertigen?

Netanjahu denkt in militärischen Kategorien

Wer es gut mit Israel meint, was die amerikanische Regierung zweifellos tut, der redet auf Benjamin Netanjahu ein: Stell das Bombardement auf Gaza ein, dort steht ja eh kein Haus mehr, nimm mehr Rücksicht auf Zivilisten, denk darüber nach, was nach dem Krieg kommt.

Ja, was kommt danach? Netanjahu denkt in militärischen Kategorien. Da sich, was man ahnen konnte, die Hamas nicht absolut, total eliminieren lässt, könnte die Armee eine entmilitarisierte Zone in Gaza einrichten. Allerdings wäre sie dann auch dort gebunden und selbst eine Zielscheibe für die nächste radikalisierte Generation der Hamas, die vermutlich gerade durch den Krieg entsteht.

Eine klassische Benjamin-Netanjahu-Lösung – Einfrieren des Status quo. Er rühmt sich, dass in Israel niemand mehr über eine Zweistaatenlösung spricht. Ein Politiker lobt sich für das Ende der Politik, wie seltsam.

Die Utopie der Zweistaatenlösung

Über eine politische Lösung wird gerade in Ägypten geredet. Dorthin ist Ismail Hanija gereist. Er ist der politische Führer der Hamas, der in Katar sicher und warm lebt und bisher wenig durch konstruktive Beiträge aufgefallen ist. Jetzt zieht er sich den Zorn der militärischen Führung in Gaza zu, indem er davon redet, dass der Krieg beendet werden müsse, damit die Politik zurückkehren könne. Er schlägt vor, einen palästinensischen Staat in Gaza, im Westjordanland und in Jerusalem einzurichten.

Natürlich klingt das nach Utopie. Seit dem Tod von Jitzchak Rabin, getötet im Jahr 1995 durch einen jüdischen Fanatiker, ist die Zweistaatenlösung tot. Wer sie wiederbeleben will, muss langfristig denken und Etappen vorschlagen. Das kann allenfalls ein Nachfolger für Netanjahu auf sich nehmen.

Wer kann die Palästinenser führen?

Aber wer unter den Palästinenser wäre ein Ansprechpartner? Marwan Barghouti wäre einer, so sagen viele, die über den Krieg, die Hamas und auch über Mahmud Abbas hinaus denken. Barghouti ist 64 Jahre alt und sitzt seit 21 Jahren in einem israelischen Gefängnis, verurteilt zu fünfmal Lebenslänglich. Das Gericht warf ihm vor, er habe einen Terrorangriff auf ein Restaurant in Tel Aviv organisiert, bei dem drei Gäste starben. Auch beim Mord an einem griechisch-orthodoxen Mönch und bei einem weiteren Angriff mit Schusswaffen soll er Regie geführt haben. Soweit die Gründe für die lange Haftstrafe.

Außenstehende können nicht beurteilen, wieweit das Strafmaß zu Recht und wieweit zu Unrecht zustande kam. Aus dem Gefängnis heraus setzt sich Barghouti seit Jahren für einen unabhängigen Palästinenserstaat ein. Er scheint in Gaza wie im Westjordanland beliebt zu sein, über die Lager hinweg. Etliche Nahost-Kenner sind der Ansicht, er könnte sogar ein palästinensischer Nelson Mandela werden – ein Versöhner, ein Brückenbauer wie damals der südafrikanische Präsident, der die Apartheid überwand und beliebt auf der ganzen Welt war.

Glaubt man das – ein Mandela der Palästinenser? Man möchte es schon glauben, man möchte auch mal zuversichtlich sein hinsichtlich dieser Region, die jede Zuversicht austreibt.

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