Nach Einigung bei EU-Gipfel Polen und Ungarn fühlen sich als Sieger
Die Zitterpartie um die europäischen Corona-Hilfen und den EU-Haushalt ist zu Ende. Ungarn und Polen geben ihre Blockade nach einem Kompromiss auf – nicht ohne Zugeständnisse der EU.
Polen und Ungarn haben den auf dem EU-Gipfel in Brüssel ausgehandelten Kompromiss zur neuen Rechtsstaatsklausel als Erfolg für sich gewertet. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sagte in einem kurzen Video, das am Donnerstagabend auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht wurde: "Wir haben die Interessen Ungarns geschützt. Die Landung war erfolgreich." Auch der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki äußerte sich zufrieden.
Morawiecki sprach sogar von einem "doppelten Sieg". Zum einen bekomme sein Land aus dem EU-Haushalt umgerechnet 174 Milliarden Euro. Zum anderen seien die Regeln zum Rechtsstaats-Mechanismus durch "sehr genaue Kriterien begrenzt" worden, so dass sie auch später nicht gegen polnische Interessen geändert werden könnten.
Der Weg für den EU-Haushalt und die milliardenschweren Corona-Hilfen ist nun frei. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich zuvor auf einen Kompromiss zum neuen Rechtsstaatsmechanismus, den die deutsche Ratspräsidentschaft ausgehandelt hatte. Dies teilte EU-Ratschef Charles Michel am Abend auf Twitter mit. Zuvor hatten Ungarn und Polen wichtige Entscheidungen wochenlang blockiert. Beide Länder fürchten, dass der Mechanismus darauf zielt, ihnen wegen umstrittener politischer Projekte EU-Mittel kürzen zu können.
Rechtsstaatlichkeit durch Zusatzerklärung ergänzt
Der Kompromiss sieht nun vor, dass das neue Verfahren zur Ahndung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit durch eine Zusatzerklärung ergänzt wird. Darin ist unter anderem festgelegt, welche Möglichkeiten Ungarn und Polen haben, sich gegen die Anwendung der Regelung zu wehren. Eine davon ist eine Überprüfung der Verordnung für das Verfahren durch den Europäischen Gerichtshof. Sie würde die erste Anwendung des Verfahrens vermutlich um Monate hinauszögern, wenn nicht sogar um mehr als ein Jahr.
Zudem wird noch einmal festgeschrieben, dass die Feststellung eines Rechtsstaatsverstoßes allein nicht ausreicht, um EU-Finanzhilfen zu kürzen. Demnach muss klar festgestellt werden, dass der Verstoß negative Auswirkungen auf die Verwendung von EU-Geld hat. Zudem soll noch einmal festgehalten werden, dass sich in Streitfragen die Staats- und Regierungschefs mit dem Thema beschäftigen müssen.
Hätte es keine Einigung gegeben, hätte der EU von Januar an nur noch eine Art Nothaushalt zur Verfügung gestanden. Zahlreiche Programme hätten nicht starten können. Zudem hätte dann ein Weg gefunden werden müssen, um das Corona-Konjunkturprogramm im Umfang von bis zu 750 Milliarden Euro ohne Polen und Ungarn zu organisieren. Auf die Hilfen sind vor allem Länder angewiesen, die wirtschaftlich stark unter der Corona-Krise leiden und gleichzeitig ein Schuldenproblem haben zum Beispiel Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Belgien.
Veto von Ungarn und Polen
Auf den neuen Mechanismus hatten sich die EU-Staaten Ende Oktober gegen den Willen von Ungarn und Polen verständigt. Die Regierungen in Budapest und Warschau legten daraufhin ein Veto gegen einstimmig zu treffende Haushaltsentscheidungen ein, um Änderungen zu erzwingen. Sie fürchten, dass das neue Verfahren vor allem gegen sie eingesetzt werden soll. Ihnen wird seit langem vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz in unzulässiger Weise auszubauen. Zudem werden Einschränkungen der Medienfreiheit und zu wenig Schutz von Minderheiten bemängelt.
Die noch ausstehenden Entscheidungen für die EU-Finanzen der kommenden Jahre und die Corona-Hilfen sollen in den kommenden Tagen vom EU-Ministerrat und vom EU-Parlament getroffen werden. Probleme werden dort allerdings nicht mehr erwartet, da in allen wichtigen Fragen bereits in den vergangenen Wochen Einverständnis erzielt wurde.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP