Johnson und von der Leyen verkünden Brexit-Poker geht weiter – drei große Streitpunkte
Die Zeit drängt, mehrere Fristen sind längst verstrichen – und immer noch ist unklar, ob ein Handelspakt der EU mit Großbritannien gelingt. Aber beide Seiten geben jetzt noch nicht auf.
Die Verhandlungen über einen Handelspakt zwischen der Europäischen Union und Großbritannien werden trotz großer Differenzen am Sonntag fortgesetzt. Das teilten beide Seiten nach einem Telefonat zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Großbritanniens Premierminister Boris Johnson am Samstagabend mit. Beide wollen dann am Montagabend Bilanz ziehen.
Beide hätten anerkannt, dass die bisherigen Verhandlungen Fortschritte in vielen Punkten gebracht hätten. Trotzdem blieben "erhebliche Differenzen" bei drei entscheidenden Themen: gleiche Wettbewerbsbedingungen, Fischerei und die Instrumente zur Ahndung von Verstößen gegen das geplante Abkommen.
Darum geht es bei diesen Streitpunkten:
Bei den Wettbewerbsbedingungen geht es unter anderem um Umwelt-, Sozial- und Beihilfestandards. Großbritannien möchte sich dabei von der EU möglichst wenig Vorgaben machen lassen – für Johnson ist das eine Frage der Souveränität. Die EU will jedoch Wettbewerbsvorteile für britische Firmen durch Regeldumping verhindern, zumal das angestrebte Handelsabkommen britische Waren unverzollt und ohne Mengenbegrenzung auf den EU-Markt lassen würde.
Beim zweiten wichtigen Streitthema Fischerei geht es um die Mengen, die EU-Fischer in britischen Gewässern fangen dürfen. Im Gespräch sind Quoten und eine Klausel zur Überprüfung der Regelung nach einer bestimmten Frist (Revisionsklausel).
Vor allem für Frankreich hat das Thema hohe politische Bedeutung. Der französische Präsident Emmanuel Macron pochte diese Woche noch einmal auf den Zugang französischer Fischer zu britischen Gewässern. Er werde einem Vertrag nur zustimmen, wenn die langfristigen Interessen seines Landes gewahrt blieben, sagte er. Das wurde als Vetodrohung verstanden.
Als großes Hindernis in den Verhandlungen gilt darüber hinaus das geplante britische Binnenmarktgesetz, das Teile des bereits gültigen EU-Austrittsvertrags aushebeln würde. Die britische Regierung hatte angekündigt, die umstrittenen Klauseln am Montag wieder in den Gesetzentwurf einzufügen. Sie waren zuvor vom Oberhaus entfernt worden. Die EU ist empört über den geplanten Vertragsbruch. Unklar war zunächst, ob London daran festhalten wollte.
Chefunterhändler waren zunächst gescheitert
"Beide Seiten unterstrichen, dass kein Abkommen möglich sein wird, ohne dass diese Punkte gelöst werden", hieß es in einer schriftlichen Erklärung. Die Differenzen seien ernst. Dennoch habe man sich darauf verständigt, dass die Verhandlungsteams am Sonntag in Brüssel ihre Gespräche wieder aufnehmen.
Am Freitagabend hatten die Chefunterhändler Michel Barnier und David Frost ihre Gespräche nach einer intensiven Verhandlungswoche unterbrochen und erklärt, die Bedingungen für eine Einigung seien nicht erfüllt.
Großbritannien wird nach dem EU-Austritt im Januar zum Jahresende auch den Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. Erst dann kommt es zum wirtschaftlichen Bruch. Ohne Handelspakt, drohen von Januar an Zölle und hohe Handelshürden zwischen Großbritannien und der EU.
- dpa