Mitten in Zoff mit EU Orbán wegen Sexparty eines Vertrauten unter Beschuss
Der Skandal um einen EU-Abgeordneten Ungarns trifft Ministerpräsident Viktor Orbán. Es folgen Attacken der Opposition und Spott in der Presse. Auch der Machtpoker in der EU wird beeinflusst.
Die Nachricht schlug in Ungarn ein wie eine Bombe: Ein prominenter EU-Abgeordneter des Landes und enger Vertrauter des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ist in Brüssel bei einer Sexparty von Homosexuellen erwischt worden – trotz der rigiden Corona-Beschränkungen. Nach den peinlichen Enthüllungen musste József Szájer, der als wichtige Stütze der Regierungspartei Fidesz galt, zurücktreten.
Für Orbán bedeutet das nicht nur Attacken der Opposition und Spott in der Presse. Der Fall dürfte auch Ungarns Position in der EU schwächen – gerade jetzt, inmitten des Streits um den Abbau der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn und um die Blockade des EU-Haushalts.
"Wir hatten nicht einmal Hosen an"
Szájer hatte am Dienstag einräumen müssen, an der illegalen Party teilgenommen zu haben, die belgische Medien eine "Orgie" nannten. Szájer hatte noch versucht, über eine Regenrinne aus der Wohnung zu flüchten, in der heimlich gefeiert wurde. "Die Hände des Mannes waren blutig, es ist möglich, dass er sich bei seiner Flucht verletzt hat", teilte die Staatsanwaltschaft mit. In seinem Rucksack wurde obendrein die Droge Ecstasy gefunden.
Die Polizei hatte die Party am Freitagabend aufgelöst und die Teilnehmer wegen der Nichteinhaltung der Corona-Auflagen verwarnt. Dem Veranstalter zufolge waren 25 nackte Männer in der Wohnung. "Plötzlich war mein ganzes Wohnzimmer voller Bullen", sagte er der Zeitung "Het Laatste Nieuws". "Sie fingen sofort an zu schreien: 'Personalausweis! Jetzt!' Aber wir hatten nicht einmal Hosen an, wie in Gottes Namen hätten wir so schnell unseren Ausweis herbeizaubern sollen?"
Peinlich für die nationalkonservative Fidesz-Partei
Nach langem Schweigen verurteilte Orbán das Verhalten von Szájer am Mittwochabend im Onlinedienst Twitter als "inakzeptable und nicht zu rechtfertigende Handlung". "Was unser Vertreter, József Szájer, getan hat, hat in den Werten unserer politischen Familie keinen Platz", ließ der sich gern als Law-and-Order-Mann präsentierende Orban über seinen Sprecher mitteilen. Szájer musste aus der Fidesz-Partei austreten, die er mitgegründet hatte.
Die Affäre ist für die nationalkonservative Regierungspartei auch deshalb besonders peinlich, weil sie als Verfechterin traditioneller Werte auftritt und die Ehe als "Bund zwischen Mann und Frau" in der Verfassung verankert hat. Die Partei wollte damit eigenen Angaben zufolge "christliche Werte" schützen. Der Jurist Szájer, verheiratet mit einer Richterin, spielte bei der Ausarbeitung der Verfassung von 2011 eine Schlüsselrolle. Derzeit soll in die Verfassung auch noch eingefügt werden, dass "die Mutter eine Frau, der Vater ein Mann" ist; eine Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare soll verboten werden.
"So weit wie möglich von den Werten entfernt, die sie vertreten"
Der ungarische Journalist Szabolcs Panyi warf Szájer und seiner Partei deshalb Scheinheiligkeit vor: "Während er sich in einem für LGBT-Menschen offenen Brüssel amüsierte, machte er durch die Neufassung der Verfassung das Leben für LGBT-Menschen in Ungarn unmöglich", schrieb Panyi auf Twitter. Das englische Kürzel LGBT steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle.
Auch die Opposition äußerte sich empört: "Während Fidesz-Politiker uns über Christentum, Familie, traditionelle Geschlechterrollen und Moral belehren, leben sie in Wirklichkeit ein völlig anderes Leben, so weit wie möglich von den Werten entfernt, die sie vertreten", sagte der Vorsitzende der Oppositionspartei DK, Ferenc Gyurcsány.
Ungarn steht massiv unter Druck
Für Orbán ist der Skandal auch auf EU-Ebene mehr als misslich. Erst kürzlich hatte er den Weggang zweier Europa-Experten verschmerzen müssen. Er kann sich Analysten zufolge künftig nicht mehr darauf verlassen, Informationen aus Brüssel von dem EU-Abgeordneten György Schöpflin und seinem Berater Peter Gottfried zu erhalten. Mit Szájer hat er einen weiteren wichtigen Mann in Brüssel verloren.
Dabei steht Ungarn in Brüssel gerade massiv unter Druck, weil es zusammen mit Polen ein Veto gegen den mehrjährigen EU-Haushalt und den Corona-Hilfsfonds eingelegt hat. Grund für die Blockade sind Pläne, EU-Gelder bei Verstößen gegen rechtsstaatliche Prinzipien künftig zu kürzen. Diesmal wollen die EU-Partner nicht nachgeben. Der Fall Szájer stärkt eine Woche vor dem EU-Gipfel nicht gerade Orbans Verhandlungsposition.
- Nachrichtenagentur AFP