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Martin Sonneborn: Ursula von der Leyen und ihr Berater – Die nächste Affäre?


Meinung
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Die nächste Affäre?
Frau von der Leyen und ihr Berater-Dilemma

MeinungEine Kolumne von Martin Sonneborn

Aktualisiert am 10.11.2020Lesedauer: 4 Min.
Ursula von der Leyen: Aus ihrer Zeit als deutsche Verteidigungsministerin hängt ihr noch eine Berater-Affäre an.Vergrößern des Bildes
Ursula von der Leyen: Aus ihrer Zeit als deutsche Verteidigungsministerin hängt ihr noch eine Berater-Affäre an. (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)
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Die ganze Welt blickt in die USA. Doch was passiert eigentlich in Brüssel? Frau von der Leyen hat einen Berater. Mal wieder. Der könnte für einen Skandal sorgen. Mal wieder. Eine satirische Kolumne von Martin Sonneborn.

Während Sie staunend vor den Fernsehgeräten die unterhaltsamste Krise der modernen Demokratie verfolgten, haben wir von der EU gearbeitet. Und vorsichtshalber sofort beiden US-Präsidenten gratuliert: dem einen komischen und dem jetzt frisch gewählten, der dann die ganz normale US-Politik fortsetzen dürfte, militärisch offensiv & asozial Wall-Street-freundlich.

Die Glückwünsche an Trump hatte freundlicherweise Janez Janša recht frühzeitig übernommen, der slowenische Ministerpräsident, ein überzeugter Klimawandelleugner, Sympathisant der Identitären Bewegung und BFF von Victator Orban:

Janša, der in Slowenien für das Recht auf freien Schusswaffenbesitz kämpft, war in eine Schmiergeldaffäre um finnische Patria-Panzer verwickelt und hatte wegen Korruption in Haft gesessen.

Und nun zu etwas ganz anderem:

Was macht eigentlich... Frau von der Leyen?

Während man in Deutschland gelangweilt dabei zusehen konnte, wie die mit der Berateraffäre verbundenen Ungeheuerlichkeiten sich folgenlos in Luft auflösten, arbeitete unsere Frau in Brüssel in aller Ruhe an einer neuen. Und die geht so: Der gelernte Journalist Jens Flosdorff gehört zu den engsten Vertrauten der Kommissionspräsidentin. Er schrieb für ein großes deutsches Schmierblatt, wechselte dann auf die dunkle Seite der Macht und folgt seiner neuen Herrin, seit sie 2003 mit der Privatisierung niedersächsischer Krankenhäuser – laut Landesrechnungshof weit unter Wert – ihre ersten politischen Schritte tat.

Schnell arbeitete sich Flosdorff vom profanen Pressesprecherstellvertreter zu etwas herauf, das man seinerzeit Spin-Doctor nannte. Nach Auskunft von "Zeit"-Redakteur und Leyen-Biograf Peter Dausend ist Flosdorff im "System von der Leyen" kein Geringerer als "der beinharte Taktiker, der seine Chefin nach ganz oben coacht". Sein bestes Rezept war offenbar: weg vom Text, hin zum Bild. Von der Leyen sollte fortan mehr durch smart komponierte Bilder wirken als durch verbale Interaktion mit möglicherweise kritischen Journalisten.

Nun hat die Europäische Kommission aber natürlich keine Organisationsstruktur, die es erlaubt, Tüpen einfach so zu beschäftigen, deren einzige Kompetenz darin besteht, ihre Kommissionspräsidentin im Amt irgendwie GUT AUSSEHEN zu lassen. Das hat vermutlich auch Frau von der Leyen gemerkt. Gern hätte sie mit Jens Flosdorff wohl gemacht, was sie immer mit ihm gemacht hat. Und ihm die gut dotierte Stelle des Pressesprechers zugeschanzt. Doch – leider, leider, leider – ist sie hier nicht mehr in Berlin, sondern in Brüssel. Willkommen, bienvenue, welcome!



Martin Sonneborn (55) ist Satiriker, Journalist und Politiker. Er ist Bundesvorsitzender der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die Partei) und seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments.

Und – leider, leider – kann auch der gewiefteste Kommissionsfuchs die fundamentalsten Regeln der Brüsseler Bürokratie nicht einfach außer Kraft setzen. Zum Beispiel die, dass Pressesprecher der Kommission nur werden kann, wer Ausdruck und Herr der europäischen Sprachenvielfalt ist, insofern er zumindest ihre drei dollsten Ausprägungen beherrscht: Englisch, Französisch und Deutsch.

Herr Flosdorff ist des größeren Teils dieser Ausdrucksformen NICHT mächtig. Leider. Und damit wäre er eigentlich raus. Servus, adieu, goodbye! Der Pressesprecherjob ging an einen anderen, der die erforderlichen Qualifikationen mitbrachte.

Keine Position da? Man erfinde eine neue!

Da Frau von der Leyen ihren privaten Coach – und persönlichen Freund – mangels Qualifikation also nicht in einer der verfügbaren Positionen installieren konnte, tat sie Folgendes: Sie erfand einfach eine neue.

Damit wir uns richtig verstehen: Die Kommissionspräsidentin erfindet eine Position, die es in der streng hierarchisierten Kommissionsbürokratie gar nicht gibt, nur um einen Gefolgsmann, der die allgemeinen Einstellungsvoraussetzungen nicht erfüllt, auf EU-Kosten beschäftigen zu können.

Die für Flosdorff geschaffene Stelle trägt die verblüffend unverschleierte Bezeichnung "BERATER für Kommunikation des Kabinetts" ("conseiller en communication de son cabinet"). Und weist dem in allen europäischen Belangen völlig unbeschlagenen PR-Coach – der Einfachheit halber – als einzige Aufgabe zu, zu tun, was er immer getan hat: Seine Chefin gut aussehen zu lassen. (Man fragt sich unwillkürlich, ob eine Vorratspackung Drei Wetter Taft nicht noch billiger gewesen wäre.)

Unvorsichtigerweise hat von der Leyen – noblesse oblige – sich hier nicht lumpen lassen und ihren – nach den Einstellungskriterien für EU-Beamte gänzlich ungeeigneten – Bild-Berater aus dem Stand in den zweithöchsten Dienstgrad (AD15) von sechzehn möglichen katapultiert & und ihm den Rang eines Stellvertretenden Generaldirektors (DGA) zugewiesen. Eine Stellung, die hochqualifizierte EU-Beamte mit Glück nach zehn Studien- und zwanzig Arbeitsjahren in schlecht klimatisierten Großraumbüros erreichen. Von der Leyens persönlicher Imageberater erhält übrigens monatliche Bezüge in Höhe von 20.000 Euro – und verdient damit genau so viel wie die deutsche Bundeskanzlerin (Merkel). Das europäische Budget, also SIE, wird dieser Spaß mit insgesamt rund 1,2 Millionen Euro belasten.

Wiederholung der Geschichte?

Aus den Fluren in Brüssel wird derzeit über die Wiederkehr des historischen "Santer-Momentums" gemunkelt. (Genau wie Frau von der Leyen verfügte auch der seinerzeitige EU-Kommissionspräsident Jacques Santer über zu wenig Rückhalt in Rat und EU-Parlament.) Die Kommission Santer hatte 1999 geschlossen zurücktreten müssen – und zwar wegen einer Berateraffäre.

Die französische Kommissarin Edith Cresson hatte einen gewissen Rene Berthelot – hauptberuflich Zahnarzt, nebenberuflich Kartenleger – als hochrangigen EU-Berater angestellt und sich beharrlich geweigert, ihn zu entlassen. Eine interne Untersuchung der Kommission hatte ergeben, dass Berthelot weder über die Ausbildung noch über die einschlägigen Qualifikationen für seine Position verfügte. ZwinkerSmiley

Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft reflektiert Martin Sonneborn für t-online.de auf satirische Art und Weise die Geschehnisse in der belgischen Hauptstadt. In seiner Kolumne blickt der 55-Jährige dabei auf das große Ganze – auf seine eigene Art.

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