Ringen um Handelsabkommen Briten reagieren "enttäuscht" auf Brexit-Gipfel der EU
Der Ton in den Brexit-Verhandlungen wird schärfer: Die EU-Staatschefs fordert ein Entgegenkommen Großbritanniens. Der britische Unterhändler äußerte sich erbost und kündigte ein Statement von Boris Johnson an.
Im Streit über ein Brexit-Handelsabkommen der EU mit Großbritannien steht es wieder einmal Spitz auf Knopf. Der EU-Gipfel erklärte am Donnerstag, es sei nun an London, "die nötigen Schritte zu tun, um ein Abkommen möglich zu machen". Man wolle weiter einen fairen Deal, aber nicht zu jedem Preis, sagte EU-Unterhändler Michel Barnier.
Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte jedoch auch Kompromisswillen. Die EU habe London gebeten, im Sinne einer Einigung weiter kompromissbereit zu sein, sagte Merkel in der Nacht zum Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel. "Das schließt natürlich ein, dass auch wir Kompromisse machen müssen. Jede Seite hat ihre roten Linien." Zuvor hatte der Gipfel an Großbritannien appelliert, sich in den Verhandlungen zu bewegen.
Zum Stand der Gespräche über den Handelspakt sagte die CDU-Politikerin, es gebe Licht und Schatten. "An einigen Stellen haben sich die Dinge gut bewegt. An anderen Stellen ist noch viel Arbeit zu leisten." Insgesamt sei ein Abkommen für beide Seiten sinnvoll. "Notfalls müssen wir auch ohne das leben, aber ich glaube, besser wäre es, wir hätten ein solches Abkommen", sagte Merkel.
Johnson will Erklärung abgeben
Der britische Unterhändler David Frost hatte auf die ersten Ergebnisse des Gipfels enttäuscht reagiert und eine offizielle Erklärung für Freitag angekündigt. Dann könnte Premierminister Boris Johnson sagen, ob er die Verhandlungen abbricht.
Beide Seiten arbeiten seit Monaten an einem Handelspakt, der nach dem Brexit und der wirtschaftlichen Trennung zum Jahresende Zölle und Handelshemmnisse verhindern soll. Doch ist man in entscheidenden Punkten von einer Lösung weit entfernt – obwohl Johnson der EU eine Frist zur Einigung bis 15. Oktober gesetzt hatte.
EU fordert Zugeständnisse aus London
Barnier schlug Großbritannien am Donnerstagabend vor, die Verhandlungen in den nächsten zwei bis drei Wochen noch einmal zu intensivieren. Er wolle die kommende Woche komplett in London sein. Dann seien Verhandlungen in Brüssel vorgesehen. Die Gipfelerklärung fordert aber Zugeständnisse aus London, vor allem bei den wichtigsten Knackpunkten Fischerei, Wettbewerbsbedingungen und Streitschlichtung. Vor allem Frankreich verlangt, dass EU-Fischer weiter in britischen Gewässern fangen dürfen. "Auf keinen Fall dürfen unsere Fischer die Opfer des Brexits sein", sagte Präsident Emmanuel Macron.
Frost zeigte sich überrascht, dass darin nicht mehr die Rede von intensiven Bemühungen sei. Ebenfalls überraschend sei, dass nur Großbritannien sich bewegen solle. "Das ist ein ungewöhnlicher Ansatz in der Verhandlungsführung", schrieb Frost auf Twitter.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen lobte, es sei schon viel gute Arbeit geleistet worden, doch seien eben noch entscheidende Punkte offen. Ratschef Charles Michel betonte, die EU sei hundertprozentig geschlossen und "extrem ruhig".
- Nachrichtenagentur dpa