Austritt nach 47 Jahren Großbritannien ist nicht mehr Mitglied der Europäischen Union
Großbritannien und die Europäische Union – dieses Kapitel ist Geschichte. Um 24 Uhr MEZ ist der Brexit vollzogen worden. Für eine kurze Übergangszeit bleibt das Land aber eng an die EU gebunden.
Großbritannien ist nicht mehr Teil der Europäischen Union. Um Mitternacht ist das Land nach 47 Jahren Mitgliedschaft aus dem europäischen Staatenbund ausgetreten. Das Vereinigte Königreich wird damit von der EU künftig wie ein Drittstaat behandelt, verbleibt jedoch für eine Übergangszeit im Binnenmarkt und der Zollunion.
Der britische Premierminister Boris Johnson versprach seinen Landsleuten, den Brexit zu einem "unfassbaren Erfolg" zu machen. In einer im Internet veröffentlichten Ansprache an die Nation sagte er am Abend, der Austritt aus der EU biete die Chance, das "volle Potenzial Großbritanniens zu entfesseln".
Gleichwohl räumte Johnson ein, dass der Weg dorthin holprig sein könnte. "Es ist ein Moment der echten nationalen Erneuerung und des Wandels", erklärte der Premier. Der Brexit sei für das Königreich aber "kein Ende, sondern ein Anfang". Für viele Menschen sei dies "ein erstaunlicher Moment der Hoffnung, ein Moment, von dem sie dachten, er würde niemals kommen". Johnson kündigte eine "neue Ära der freundschaftlichen Zusammenarbeit" mit der Europäischen Union an.
Die offiziellen Feierlichkeiten für den historischen Moment wurden betont schlank gehalten. Kein Feuerwerk, kein Kanonendonner. Nicht einmal das Londoner Wahrzeichen Big Ben, das derzeit restauriert wird, läutete zum Abschied der Briten. Im Regierungssitz Downing Street wurde mit englischem Schaumwein angestoßen, nachdem eine auf das Gebäude projizierte Uhr den Countdown bis zum Austritt angezeigt hatte.
Referendum mit knappem Ausgang
Die Briten hatten 2016 in einem Referendum für den Brexit gestimmt. Der Ausgang war äußerst knapp. Ursprünglich hätte der Austritt bereits am 29. März 2019 vollzogen werden sollen. Das Datum wurde jedoch mehrmals verschoben, weil das erste mit Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen im britischen Parlament wiederholt keine Mehrheit fand. Der amtierende Premierminister Boris Johnson handelte im Herbst 2019 ein neues Austrittsabkommen mit Brüssel aus, das im Januar das neu gewählte Unterhaus passierte.
In dieser Woche gaben auch das EU-Parlament sowie die EU-Mitgliedstaaten dem Vertragswerk ihren Segen. Das Abkommen sieht unter anderem eine Übergangsphase bis Ende des Jahres vor, in der Großbritannien weiter Teil von Binnenmarkt und Zollunion ist, sich an EU-Regeln hält, und in den gemeinsamen Haushalt einzahlt. Die Zeit wollen London und Brüssel nutzen, um ein Handelsabkommen und weitere Vereinbarungen zu den künftigen Beziehungen auszuarbeiten.
Macron: "Das ist ein trauriger Tag"
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron nannte den EU-Austritt ein "historisches Alarmzeichen". "Das ist ein trauriger Tag", sagte Macron am Abend in einer kurzfristig angesetzten Ansprache an seine Mitbürger. Er forderte weitere Reformen der EU - es sei bisher nicht gelungen, Europa ausreichend zu ändern. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte zum Austritt Großbritanniens den Wunsch nach einer engen Beziehung zu den Briten. "Das ist ein tiefer Einschnitt für uns alle", sagte sie in ihrem Podcast.
Auch in Brüssel war deutlicher Wehmut zu spüren, dennoch war der Blick nach vorne gerichtet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte bei einem gemeinsamen Auftritt mit EU-Ratschef Charles Michel und Parlamentspräsident David Sassoli an, in die anstehenden Verhandlungen mit Großbritannien in dem Geist gehen zu wollen, "dass alte Freunde einen neuen Anfang suchen".
Mit gutem Willen werde man eine "dauerhafte, positive und sinnvolle Partnerschaft" aufbauen können, schrieben die drei Präsidenten in einem Gastbeitrag, der in vielen europäischen Zeitungen erschien. Aber: "Ohne gleiche Wettbewerbsbedingungen bei Umwelt, Arbeit, Steuern und staatlichen Beihilfen kann es keinen qualitativ uneingeschränkten Zugang zum Binnenmarkt geben."
Ein hartes Ringen ist absehbar. Seine Position will Johnson bereits an diesem Montag in einer Rede an die Nation darstellen, wie ein Regierungssprecher der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Wie er durchsickern ließ, will er sein Land von der Bindung an EU-Regeln möglichst frei machen, selbst wenn dies Handelsschranken wie Zölle bedeuten könnte. Souveränität sei wichtiger als reibungsloser Handel, wird er nach einem Bericht des "Telegraph" als Ziel ausgeben.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP