EU-Grenzschutzagentur Gewalt gegen Flüchtlinge? Frontex wehrt sich gegen Vorwürfe
Die EU-Grenzschützer von Frontex sollen in Bulgarien, Ungarn und Griechenland Migranten misshandelt haben. Das berichtet ein internationales Rechercheteam. Die Behörde wiegelt ab.
Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex hat auf Berichte über gewaltsame Übergriffe von Beamten an den EU-Außengrenzen gegen Migranten reagiert: In einer am Montag verbreiteten Erklärung schloss die in Warschau ansässige Behörde "kategorisch" aus, dass ihre eigenen Beamten im Grenzeinsatz an "Verletzungen von Grundrechten" gewesen seien.
Für die an den Einsätzen beteiligten nationalen Beamten gab die Behörde eine solche Erklärung nicht ab: Frontex habe "keine Autorität über das Verhalten nationaler Grenzpolizisten und habe keine Vollmacht, Ermittlungen auf dem Gebiet von EU-Mitgliedsstaaten zu führen", hieß es.
"Hetzjagden mit Hunden"
Die EU-Behörde reagierte damit auf einen Bericht des ARD-Politmagazins "report München", demzufolge Frontex-Beamte Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen tolerieren, die von Vertretern der nationalen Grenzpolizei begangen würden. Das ARD-Magazin stützt sich dabei nach eigenen Angaben auf hunderte interner Frontex-Dokumente, die es gemeinsam mit dem britischen "Guardian" und dem Recherchezentrum "Correctiv" ausgewertet habe. Darin sei die Rede von "Misshandlung von Flüchtlingen" sowie "Hetzjagden mit Hunden".
Die Frontex-Behörde verwies in ihrer Stellungnahme auf ihren Verhaltenskodex, der jeden ihrer Beamten zur Meldung verpflichte, sollte es Anhaltspunkte für Verstöße gegen Grundrechte geben: Dies gelte für Verstöße, die sie als Augenzeugen verfolgen ebenso wie für solche, von denen sie durch Hörensagen Kenntnis erlangen.
Frontex habe "keinerlei Beschwerden" erhalten
In der Vergangenheit hätten Frontex-Offiziere solche Meldungen erstattet, worauf die Behörde die zuständigen Behörden der betroffenen Polizeibeamten informiert habe. Mit Blick auf die aktuellen Berichte rief Frontex zur Vorlage von Beweisen über die "konkrete Verwicklung" von Frontex-Beamten in Rechtsverstöße auf.
In einem solchen Fall würde "unverzüglich" eine Untersuchung eingeleitet. Bislang seien aber "keinerlei Beschwerden gegen Frontex-Beamte eingereicht worden". Die Behörden verwies darauf, dass sie eine Beschwerdestelle unterhalte, bei der über das Internet Meldung erstattet werden könne.
Auch Bulgarien widerspricht
Auch Bulgariens Innenminister Mladen Marinov hat den Medienberichten inzwischen widersprochen: "Ich kann kategorisch erklären, dass Bulgarien sämtliche Abkommen und Vereinbarungen zu den Menschenrechten einhält", sagte Marinov am Montag bei einem Besuch in München. "Seitens der bulgarischen Grenzbeamten wird physische Gewalt nur dann angewandt, wenn es die Situation erfordert."
Das bezieht sich nach Marinovs Worten ausschließlich auf Fälle, in denen bulgarische Beamte selbst angegriffen werden. Die entsprechenden Vorgaben seien klar definiert und würden strikt eingehalten. Bulgarien ist für einen Abschnitt der EU-Außengrenze zuständig, der entlang des kleinen europäischen Teils der Türkei von der Schwarzmeerküste bis zur Stadt Edirne verläuft.
Bundesregierung will keine Kenntnis haben
Die Bundesregierung hat nach eigenen Angaben keine Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen bei Frontex-Einsätzen. Dies sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Deutschland stelle derzeit 105 Mitarbeiter für Frontex, von denen sich die meisten in Griechenland aufhielten. 85 von ihnen seien Bundespolizisten.
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Frontex mit Sitz in Warschau ist seit 2004 für Grenzschutzfragen zuständig, auch wenn dies weiter hauptsächlich eine nationale Aufgabe ist. Die Experten der Behörde erstellen Risikoanalysen und sorgen dafür, dass an allen Außengrenzen nach denselben Standards kontrolliert wird – auch im Kampf gegen Terrorismus oder gegen organisierte Kriminalität. In Krisensituationen können sie Mitgliedstaaten mit Beamten unterstützen.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa