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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Medien zur Brexit-Abstimmung "Mays Deal ist mausetot"
Das Unterhaus schmettert den Brexit-Deal von Theresa May ab. Die Medien sehen diese historische Niederlage als persönliche Demütigung für die Premierministerin. Ein Überblick über die Pressestimmen.
Die Niederlage war deutlich, deutlicher als angenommen. Theresa Mays Brexit-Deal fällt am Dienstagabend im britischen Unterhaus durch. Großbritannien steuert nun auf einen ungeordneten Brexit zu. In Großbritannien und in Europa kommentieren und analysieren Medien die "historische Schlappe" für die Premierministerin.
Großbritannien
"Telegraph": "Was Frau May grundsätzlich nicht verstanden hat, ist, dass man zur Umsetzung des Referendums klar mit Europa brechen muss. Das erfordert, sich für eine Seite zu entscheiden und sich für sie einzusetzen. Ihr Versuch, alle – einschließlich Brüssel – zufriedenzustellen, hat am Ende niemanden zufriedengestellt. Das Ausmaß ihrer Niederlage ist der Beweis."
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"Guardian": "Eine fehlende Führung kann zu einem Gefühl der Panik führen, das von einer Regierung noch verstärkt wird, die Lebensmittel- und Medikamentenvorräte anlegt, als bereite sie sich auf einen Krieg vor. Wir müssen dem Chaos und der Spaltung ein Ende setzen, die soviel dazu beigetragen haben, unser Land zu entstellen."
"Times": "Das Land ist mit einer Krise konfrontiert und es ist nicht klar, ob Theresa May Teil des Problems oder Teil der Lösung ist. Sie hatte schlechte Karten, aber sie hat sie auch außerordentlich schlecht gespielt. ... Wenn ihr Vermächtnis in etwas anderem bestehen soll, als die glücklose Premierministerin gewesen zu sein, die das Land ins Chaos geführt und den Weg für eine Regierung unter (Labour-Führer Jeremy) Corbyn geebnet hat, muss sie zu Kompromissen bereit sein, um die Annahme irgendeiner Form ihres Deals noch zu ermöglichen."
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"Independent": "Bald wird die souveräne Entscheidung über den Brexit auf die ein oder andere Weise ihren Weg zurück zur Wählerschaft finden. Damit wird der Brexit nicht "gestohlen". Alle, die 2016 abgestimmt haben, können noch einmal abstimmen. Nun, da sie die Risiken und Vorteile aller Optionen kennen, sollten sie die Gelegenheit bekommen, ihr Urteil abzugeben."
"TheSun": "Es ist der düsterste Moment in der Karriere der Premierministerin. May´s Brexit deal dead as a dodo (Mays Brexit-Deal ist mausetot."
"Daily Mail": "Also, was nun? In einer idealen Welt würde Frau May vergnügt nach Brüssel zurückkehren, wo die anderen EU Staats- und Regierungschefs zur Besinnung kommen, den verhassten Backstop ändern und ihr ein Abkommen geben würden, das sie dem Unterhaus verkaufen könnte. Leider gibt es in diesem Szenario zwei große Fehler. Erstens haben die EU-Eliten bisher herzlich wenig Interesse an einem Kompromiss mit den Realitäten der britischen Politik gezeigt. Und warum sollten sie auch? Schließlich hat ihr Freund Tony Blair ihnen versprochen, dass sie ein zweites Referendum haben können, dass uns nun doch zum Bleiben zwingt, wenn sie sich weigern, nachzugeben. Zweitens frage ich mich, ob es einen vernünftigen Deal gibt, den das Unterhaus akzeptieren würde."
Deutschland
"Zeit Online": "Im Streit um den EU-Austritt geht es längst nicht mehr um einen vernünftigen Kompromiss, mit dem Großbritannien die ökonomischen und gesellschaftlichen Schäden minimieren könnte. Für viele Abgeordnete – und vor allem auch für Theresa May – gilt es lediglich zu verhindern, was man nicht will oder was dem politischen Gegner nutzen könnte. Dieser Egoismus hat das Land in eine politische und verfassungsrechtliche Krise gestürzt."
"Rheinische Post": "Natürlich hat die Aussicht etwas Verlockendes, ein so wichtiges Land wie Großbritannien doch noch in der EU zu halten. Aber was wäre das für ein Land? Die brutale Härte der innenpolitischen Auseinandersetzung würde einen traumatisierten Partner in die Reihen der Europäer zurückkehren lassen, der noch weniger als früher einzubinden wäre."
"Stuttgarter Zeitung": "Um jetzt einen Weg aus Mays Schlamassel zu finden, braucht es Bedacht und kühle Überlegung. In der Hitze des Gefechts haben sich gefährliche Fronten gebildet, in Westminster wie im ganzen Land. Am dringlichsten ist wohl, dass sich im Parlament jetzt eine klare Mehrheit formiert, die eine "No Deal"-Katastrophe, den "Sprung über die Klippe", verhindert. Stattdessen ist aber erst einmal mit weiteren schweren Turbulenzen zu rechnen. In einer Lage wie dieser, ratlos, ohne Konsens im Parlament, ohne funktionsfähige Regierung, kann man nur hoffen, dass sich die britische Politik mit oder ohne May möglichst schnell wieder fängt."
"Berliner Morgenpost": Ein Brexit ohne Vertrag wäre auch für die EU ein Desaster – wirtschaftlich und politisch. Eine beispiellose Blamage wäre es auch: Wenn Europa nicht mal den Brexit geregelt bekommt, wird es von den großen Mächten dieser Welt endgültig nicht mehr ernst genommen.
"t-online.de-Tagesanbruch": "Die Wunden, die der Brexit-Prozess gerissen hat, sind so tief, dass sie kaum rasch verheilen werden. Sie klaffen im Parlament, in den Parteien, in der gesamten politischen Kaste, in der Wirtschaft, in der Bevölkerung, wo Nachbarn sich auf offener Straße gegenseitig anbrüllen und zum Teufel wünschen. Eine nationale Katastrophe. That’s how it is."
International
"Les Dernières Nouvelles d'Alsace" (Frankreich): "Eine fluchbeladene Heldin, die allen Widerständen zum Trotz am Ruder eines abdriftenden Schiffes bleibt. ... Es gibt wohl in der westlichen West keinen Regierungschef, der so erniedrigt, verurteilt und verraten wurde wie die britische Premierministerin. Und dennoch gibt sie nicht auf. Hundert Mal hat man sie am Boden gesehen. Hundert Mal ist sie wieder aufgestanden – und keiner weiß, ob es sich um Mut oder Leichtfertigkeit handelt."
"Neue Zürcher Zeitung" (Schweiz): "Früher traten Regierungschefs zurück, wenn sie eine wichtige Abstimmung verloren hatten, auch bei unwichtigeren Niederlagen. May aber wird freiwillig nicht gehen, aus zweierlei Gründen. Erstens würde die Krise kaum gemildert, wenn in den nächsten Wochen Neuwahlen stattfinden müssten. Zweitens führte das Parlament 2011 eine Gesetzesänderung ein, die fixe Legislaturperioden von fünf Jahren vorsieht. Der demokratischen Tradition steht somit der Buchstabe des Gesetzes entgegen. Das könnte noch zu einer Verfassungskrise führen."
- Newsblog: Alle Nachrichten zum Brexit
- Brexit-Abstimmung: Hauptsache, dagegen
- Kommentar: Das nächste Drama wartet schon
"La Repubblica" (Italien): "Das Abkommen, über das zweieinhalb Jahre mit der Europäischen Union verhandelt wurde, wurde abgelehnt. Und Großbritannien gleicht einer abdriftenden Insel. Der Brexit scheint zurück an seinem Ausgangspunkt zu sein. Es gibt viele Spekulationen, aber keinerlei Sicherheit. Alles scheint möglich."
- Eigene Recherche
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP