"Keine Scham" Falsches Oettinger-Zitat löst in Italien Empörung aus
Immer wieder bringt sich Günther Oettinger mit seinen Äußerungen in Schwierigkeiten. Diesmal spricht der EU-Kommissar über Italien. Auslöser für die Empörung ist aber ein falsch wiedergegebenes Zitat.
Der deutsche EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hat mit einer Wahlempfehlung gegen Populisten in Italien Empörung und die Forderung nach seiner Entlassung ausgelöst. Dabei war hauptsächlich die falsche Wiedergabe einer Äußerung aus einem Interview Grund für den Wirbel.
Oettinger hatte in einem Interview der Deutschen Welle gesagt: "Meine Sorge und meine Erwartung ist, dass die nächsten Wochen zeigen, dass die Märkte, dass die Staatsanleihen, dass die wirtschaftliche Entwicklung Italiens so einschneidend sein könnten, dass dies für die Wähler doch ein mögliches Signal ist, nicht Populisten von links und rechts zu wählen."
Empörung in Italien
Und er fügte hinzu: "Schon jetzt ist die Entwicklung bei den Staatsanleihen, bei dem Marktwert der Banken, beim wirtschaftlichen Verlauf Italiens generell deutlich eingetrübt, negativ. Dies hat mit der möglichen Regierungsbildung zu tun. Ich kann nur hoffen, dass dies im Wahlkampf eine Rolle spielt, im Sinne eines Signals, Populisten von links und rechts nicht in die Regierungsverantwortung zu bringen."
Ein Journalist brachte den Stein ins Rollen. Bei Twitter zitierte er Oettinger mit folgender Aussage: "Die Märkte werden die Italiener lehren, das Richtige zu wählen." Oettinger selbst teilte die zugespitzte Äußerung auch noch. Mittlerweile wurde der besagte Tweet gelöscht.
Dennoch sorgte er in Italien, wo momentan eh wegen der Regierungsbildung die Nerven blank liegen, für einen Sturm der Entrüstung. Der Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, schrieb auf Twitter: "VERRÜCKT, in Brüssel kennt man keine Scham. Der EU-Haushaltskommissar, der Deutsche Oettinger, sagt, dass die Märkte den Italienern zeigen werden, die richtige Sache zu wählen. Wenn das mal keine Drohung ist ... Ich habe keine Angst."
Später fügte Salvini hinzu: "Wer mein Volk beleidigt, indem er sagt, dass die Märkte den Italienern lehren werden, was sie wählen sollen, muss sofort zurücktreten." Der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, sagte: "Diese Leute behandeln Italien wie eine Sommer-Kolonie, wo sie herkommen und Ferien machen."
"Italien gebührt Respekt"
EU-Kommissionspräsident Juncker ging öffentlich auf Abstand zu Oettinger. Ein Sprecher sprach von "unklugen Bemerkungen". Später erklärte Juncker schriftlich, Italiens Schicksal liege keineswegs in der Hand der Finanzmärkte: "Italien gebührt Respekt." Ratschef Tusk erklärte auf Twitter: "Mein Appell an alle EU-Institutionen ist: Bitte respektiert die Wähler. Wir sind hier, um ihnen zu dienen, nicht um ihnen Vorgaben zu machen."
Oettinger selbst entschuldigte sich kurz darauf für seine Äußerungen. "Es war nicht meine Absicht, respektlos zu sein", teilte er am Dienstagabend mit. Er respektiere vollkommen den Willen der Wähler, ob sie links, rechts oder in der Mitte stünden – in jedem Land. "Italien als Gründerstaat spielte und spielt eine wichtige Rolle in der europäischen Integration und ich hoffe, das es auf diesem Weg voranschreiten wird."
Grünen-Europachef Bütikofer meinte, Oettinger schade der Europäischen Union. "Mit seinen Äußerungen gießt Oettinger Benzin in die lodernden Flammen des Populismus", erklärte Bütikofer der dpa. "Auf gut baden-württembergisch muss deswegen die Antwort heißen: "Isch over." Juncker muss jetzt die Reißleine ziehen."
Nicht der erste Skandal
Oettinger war in den vergangenen Jahren immer wieder öffentlich in Bedrängnis geraten. Anfang 2017 zog er mit einer Rede in Hamburg Kritik auf sich – einem Mitschnitt zufolge bezeichnete er Chinesen als "Schlitzaugen" und sprach von einer "Pflicht-Homoehe". Dafür entschuldigte er sich. Kurz darauf geriet er nach einem Mitflug beim russischen Honorarkonsul Klaus Mangold unter Druck wegen möglicher Verstöße gegen Ethikregeln.
Trotzdem stieg Oettinger zum Haushaltskommissar auf. Zuletzt befasste er sich akribisch mit der EU-Finanzplanung für die Jahre ab 2021. Seine Angewohnheit, sich nicht nur zu seinem Ressort, sondern zu allen erdenklichen EU-Themen zu Wort zu melden, behielt er aber bei.
Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident wurde 2009 zunächst Energiekommissar und übernahm 2014 das Ressort Digitales, bevor er Haushaltskommissar wurde.
- dpa