Regierungsbildung in Italien "Die Zeichen stehen auf Sturm"
Noch steht die neue Regierung aus Populisten und Rechten in Italien gar nicht. Doch die Kritik aus Deutschland und Europa an ihrer angekündigten Politik ist schon jetzt deutlich.
Die mögliche europakritische Regierungskoalition in Italien will trotz hoher Staatsverschuldung weniger sparen und stattdessen Steuern senken – das stößt auf harsche Kritik aus der deutschen Regierungskoalition und aus Europa. Der italienische Staatschef Sergio Mattarella lässt sich derweil noch Zeit mit seiner Entscheidung, ob er den Juristen Giuseppe Conte wie vorgeschlagen zum Ministerpräsidenten macht.
Der EU-Parlamentarier Elmar Brok (CDU) wurde mit Blick auf die Koalition aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und fremdenfeindlicher Lega sehr deutlich. "Die Zeichen stehen auf Sturm", sagte er der "Saarbrücker Zeitung". Sollte Italien abrupt seinen Kurs ändern, habe das Land keinen Anspruch auf europäische Solidarität.
"Italien spielt mit dem Feuer"
Auch die Wortmeldungen aus den deutschen Regierungsfraktionen fielen deutlich aus. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg, sagte: "Italien spielt mit dem Feuer und bringt die Eurozone in Gefahr." Problembereiche wie Wachstumsschwäche, Bankenkrise und die strukturellen Defizite würden "sicherlich nicht mit noch mehr Schulden behoben". Italien hat mit knapp 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eine der weltweit höchsten Staatsverschuldungen.
Auch die SPD ermahnt die designierte Regierung. "Europapolitik funktioniert nicht nach dem ,Wünsch-dir-was-Prinzip', sondern basiert auf einem fairen Interessenausgleich", sagte der stellvertretende SPD-Fraktionschef Achim Post. "Auch eine italienische Regierung aus Populisten und Nationalisten wird sich an diese Spielregeln halten müssen – im Interesse des eigenen Landes."
Angst vor neuen Verwerfungen in der Eurozone
Hintergrund sind Ankündigungen der Parteien, EU-Regeln wie den Stabilitätspakt nicht befolgen zu wollen. Die Parteien planen höhere Ausgaben für Soziales, Steuersenkungen und eine Rücknahme der Rentenreform. Das würde viele Milliarden Euro kosten und schürt an den Finanzmärkten Ängste vor neuen Problemen in der Eurozone.
Der für die Europapolitik zuständige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), forderte Italien zu einem europafreundlichen Kurs auf. "Europa braucht den Einsatz eines so wichtigen Landes wie Italien mehr denn je", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Frankreichs Europa-Ministerin Nathalie Loiseau mahnte, Italien müsse seine europäischen Verpflichtungen einhalten. Sie rief die möglichen Regierungspartner auf, den Zusagen Roms innerhalb der Europäischen Union und der Eurozone gerecht zu werden. "Es ist weder möglich noch erstrebenswert, mitten in Europa Einzelkämpfer zu sein.“
Staatspräsident Mattarella lässt sich Zeit
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, fordert von der neuen italienischen Regierung eine verantwortungsbewusste Haushaltspolitik. "Wir können nur dazu raten, bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf Kurs zu bleiben, das Wachstum mit Strukturreformen zu fördern und das Haushaltsdefizit unter Kontrolle zu halten", sagte er dem "Handelsblatt“.
Der italienische Staatschef Mattarella hat Präsidialamtskreisen zufolge noch keine Entscheidung über Giuseppe Conte als künftigen Ministerpräsidenten getroffen. Nichts sei entschieden, hieß es. Fünf Sterne und Lega hatten den bislang weitgehend unbekannten Conte als Chef einer Koalitionsregierung vorgeschlagen.
Medienberichten zufolge soll Conte seinen Lebenslauf mit falschen akademischen Lorbeeren geschönt haben. Aus Mattarella Umfeld hieß es zudem, er mache sich auch mit Blick auf die Staatsfinanzen "Sorgen wegen der Alarmzeichen".
- Reuters, dpa, AFP