Streit um Selmayr Juncker droht mit Rücktritt
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat gedroht zurückzutreten. Trotz der dubiosen Beförderung seines Büroleiters unterstützen ihn Europas Spitzenpolitiker jedoch weiterhin.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat im Streit um die Blitzbeförderung seines Vertrauten Martin Selmayr mit Rücktritt gedroht. Bei einem Treffen Junckers mit Spitzenvertretern der europäischen Konservativen kam es nach Angaben aus Brüsseler Parteikreisen vom Freitag zum Eklat: Juncker habe mangelnde Unterstützung für seine Personalentscheidung beklagt und mit Rücktritt gedroht. Juncker stellte später vor Journalisten klar, dass es so weit nicht kommen werde.
"Wenn er geht, dann gehe ich auch"
Kreise in Junckers Europäischer Volkspartei (EVP) bestätigten in Brüssel Medienberichte über Junckers Drohung. Nach Informationen von "Spiegel Online" hatte Juncker bei dem EVP-Treffen am Donnerstag mit Blick auf Selmayr gesagt: "Wenn er geht, gehe ich auch."
Juncker dementierte dies am Freitag nicht. Auf Nachfrage von Journalisten in Brüssel sagte er lediglich: "Herr Selmayr wird nicht zurückreten." Der einzige, der Selmayr von seinem Posten absetzen könnte, sei er selbst, sagte Juncker. Alles andere sei "irrelevant".
Kritiker werfen Juncker vor, seinen bisherigen Kabinettschef Selmayr in einem intransparenten Hau-Ruck-Verfahren auf den einflussreichen Posten des Generalsekretärs der EU-Kommission gehievt zu haben.
Oettinger stellt sich hinter Juncker
Besonders im EU-Parlament stießen die Personalentscheidung und die Umstände ihrer Durchsetzung auf Widerstand. Bis Freitagabend muss die EU-Kommission Antworten auf einen umfangreichen Fragenkatalog des Haushaltskontrollausschusses zu der Personalie vorlegen. Für Dienstag ist der auch für Personal zuständige Haushaltskommissar Günther Oettinger vor den Ausschuss geladen. Oettinger hat die Personalie wiederholt vereidigt.
Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold kritisierte Junckers Rücktrittsdrohung als "Respektlosigkeit gegenüber der demokratischen Aufklärung". Es sei "grotesk, dass der EU-Kommissionspräsident sein Schicksal von der Karriere eines EU- Beamten abhängig" mache, erklärte Giegold. "Juncker steht im Dienst der europäischen Bürger, nicht von Martin Selmayr." Er forderte Juncker auf, in der Angelegenheit zur Aufklärung beizutragen.
Merkel und Macron unterstützen Juncker auch
Von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erhielt Juncker Rückendeckung. "Ich schätze die Arbeit von Martin Selmayr sehr", sagte sie in Brüssel. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerte dort seine Wertschätzung für Selmayrs "Professionalismus".
EU-Kreisen zufolge wurde Selmayr binnen weniger Minuten zwei Mal befördert, um auf den Spitzenposten der EU-Kommission mit ihren 32.000 Mitarbeitern zu rücken. Zunächst wurde er diesen Angaben zufolge am 21. Februar zum Vize-Generalsekretär ernannt, dann machte Juncker ihn umgehend zum Nachfolger des bisherigen Generalsekretärs Alexander Italianer, der zum 1. März in den Ruhestand ging.
Kritik an Selmayrs intransparenter Beförderung
Laut EU-Kreisen waren nur zwei EU-Kommissare vorab in die Personalie eingeweiht. Grünen-Politiker Giegold kritisierte den Vorgang am Freitag als "Nacht-und-Nebel-Beförderung".
Kritiker äußerten Zweifel sowohl an der Korrektheit des Verfahrens als auch an der Eignung des 47 Jahre alten Selmayr zur Leitung der Brüsseler Riesenbehörde.
- dpa