Regierungserklärung Merkel will EU-Förderung an Aufnahme von Migranten knüpfen
Der Austritt Großbritanniens aus der EU wird eine große Finanzlücke reißen. Wie soll Europa reagieren? Nun spricht Kanzlerin Merkel über ihre Vorstellungen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer Regierungserklärung die in ihren Augen größten Herausforderungen für die Europäische Union skizziert. Mit Blick auf den am Freitag beginnenden EU-Gipfel in Brüssel sagte sie, Deutschland könne es nur gut gehen, wenn es Europa gut gehe. Wichtig seien insbesondere der Bereich Migration mit dem Kampf gegen Fluchtursachen, die Wirtschaftspolitik und die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.
Ab Freitag kommen in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten zu einem außerordentlichen Gipfel zusammen, um erstmals über die EU-Finanzen nach 2020 zu sprechen. Dann fehlen wegen des Brexit bis zu 14 Milliarden Euro aus Großbritannien.
Merkel: Solidarität kann keine Einbahnstraße sein
In ihrer Rede sagte Merkel weiter, der Brexit sei für die EU eine Chance, die Finanzen auf den Prüfstand zu stellen und zu analysieren, in welchen Bereichen der Mehrwert für die Staaten und die Gemeinschaft am größten seien. Die Kanzlerin warb auch dafür, die Verteilung von EU-Mitteln künftig etwa mit der Bereitschaft der Staaten zu verknüpfen, die europäischen Werte zu wahren und beispielsweise Migranten aufzunehmen.
Das Thema der gerechten Verteilung von Migranten auf die EU-Staaten bezeichnete Merkel als das "bei Weitem unbefriedigendste Kapitel" der EU-Flüchtlingspolitik. Mit Zähigkeit und Geduld sollte es aber möglich sein, bis zum Sommer wesentliche Schritte hin zu einer gerechteren Verteilung zu gehen, sagte sie.
Diese Forderung ist auch Teil eines Positionspapiers der Bundesregierung mit Blick auf den EU-Gipfel, über das das "Handelsblatt" diese Woche zuerst berichtete. Darin ist die Rede davon, dass die Mittelverteilung teilweise an das Einhalten von Werten wie Rechtsstaatlichkeit geknüpft werde. "Wir haben die Kommission daher aufgefordert zu prüfen, inwieweit der Erhalt von EU-Kohäsionsmitteln an die Einhaltung von rechtsstaatlichen Grundprinzipien geknüpft werden kann, und begrüßen, dass sie diesen Gedanken auch in ihrem Reflexionspapier aufgegriffen hat", zitiert das "Handelsblatt" aus dem Papier der Bundesregierung.
Zudem werbe Berlin dafür, die EU-Strukturfondsmittel enger mit der Umsetzung von EU-Reformvorschlägen, den sogenannten länderspezifischen Empfehlungen, zu verknüpfen.
Merkel will Ende der Debatte um Nato-Ausgabenziel
Merkel forderte, die Debatte um die in der Nato vereinbarten Ausgaben für Verteidigung endlich zu beenden. "Wir müssen aufpassen, dass wir international nicht in eine etwas zwiespältige Rolle kommen." Auf der einen Seite werde beklagt, was bei der Bundeswehr alles nicht funktioniere. Auf der anderen Seite stelle Deutschland als "einziger Mitgliedstaat der Nato" infrage, "welchen eigenen Verpflichtungen für den Zielkorridor der Ausgaben wir zugestimmt haben", sagte Merkel. "Das passt nicht zusammen und damit wird man kein verlässlicher Verbündeter."
Zwischen Union und SPD gab es immer wieder Uneinigkeit über das von den Nato-Staaten vereinbarte Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigung auszugeben. Unionspolitiker pochen darauf, dieses Ziel zu erfüllen. SPD-Vertreter, zuletzt Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), stellen die Erfüllung des Nato-Ziels infrage.
Merkel für mehr Einsatz gegen Syrien-Gräuel
Die Kanzlerin plädierte auch für ein stärkeres Engagement der EU im Syrien-Konflikt. "Was wir im Augenblick sehen, die schrecklichen Ereignisse in Syrien, der Kampf eines Regimes nicht gegen Terroristen, sondern gegen seine eigene Bevölkerung, die Tötung von Kindern, das Zerstören von Krankenhäusern, all das ist ein Massaker, das es zu verurteilen gilt", sagte sie.
In dieser Situation liege die Aufforderung, "zu versuchen, eine größere Rolle dabei zu spielen, dass wir ein solches Massaker beenden können. Und darum müssen wir uns als Europäer bemühen", sagte Merkel. Dies gelte insbesondere auch für die Verbündeten des syrischen Machthabers Baschar al-Assad, Russland und den Iran.