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EU-Lieferkettengesetz könnte an Deutschland scheitern – Mittelstand bedroht


Regierungskreise
EU-Lieferkettengesetz droht an Deutschland zu scheitern

Von dpa-video
Aktualisiert am 01.02.2024Lesedauer: 3 Min.
Flaggen der EU (Symbolbild): Das Bundesjustizministerium und das Bundesfinanzministerium könnten die Pläne zum Lieferkettengesetz nicht mittragen.Vergrößern des Bildes
Flaggen der EU (Symbolbild): Das Bundesjustizministerium und das Bundesfinanzministerium könnten die Pläne zum Lieferkettengesetz nicht mittragen. (Quelle: Arne Immanuel Bänsch/dpa-video)
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Justiz- und Finanzministerium wollen wohl die Pläne für das EU-Lieferkettengesetz nicht mittragen. Die Regulierung könnte nun an Deutschland scheitern.

Das geplante neue EU-Lieferkettengesetz droht an Deutschland zu scheitern. Das Bundesjustizministerium und das Bundesfinanzministerium könnten die Pläne nicht mittragen, verlautete am Donnerstag aus Regierungskreisen. "Im Rat der Europäischen Union hat dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, die im Ergebnis wie eine "nein"-Stimme wirkt", heißt es in einem Schreiben von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner (beide FDP), das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Im EU-Rat steht noch eine finale Abstimmung im Kreis der EU-Staaten an. Zuerst hatte "The Pioneer" über die Haltung der FDP-Ministerien berichtet.

Mittlerweile hat Buschmann seine Ablehnung auch persönlich erklärt. Zwar unterstütze er das Ziel der Richtlinie, in Lieferketten Menschenrechte und Umwelt besser zu schützen. Allerdings dürfe dies nicht zu einer "Selbststrangulierung unseres Wirtschaftsstandorts" führen, sagte Buschmann der Deutschen Presse-Agentur. Er habe bis zuletzt verhandeln wollen, um anschließend das Ergebnis im Rahmen einer Gesamtabwägung zu prüfen. Am Ende sei er aber zu dem Schluss gekommen: "Unsere Sorgen sind nicht entkräftet, die Risiken für die europäische und deutsche Wirtschaft überwiegen."

SPD fordert Buschmann zu Kehrtwende auf

Deutliche Kritik bekommen die Liberalen von der SPD-Bundestagsfraktion: "Die FDP erteilt mit ihrer Absage an das europäische Lieferkettengesetz gleichzeitig eine Absage an faire Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Wirtschaft", sagte Fraktionsvize Dagmar Schmidt am Donnerstag in Berlin. "Ich fordere die zuständigen FDP-Minister auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben, Menschenrechte zu schützen und den Weg für einen fairen Wettbewerb in der gesamten EU freizumachen."

Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung vereinbart sind.

Rechtstext wird noch ausgearbeitet

Unterhändlerinnen und Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten sich Mitte Dezember auf einen Kompromiss zu dem Vorhaben geeinigt. Noch gibt es aber lediglich einen politischen Deal. Ein genauer Rechtstext wird derzeit von Beamten ausgearbeitet – dieser könnte in den kommenden Wochen fertiggestellt werden. Danach muss dieser noch endgültig von den EU-Staaten und dem Europaparlament angenommen werden.

Ein EU-Diplomat sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass mit einer Enthaltung Deutschlands unklar sei, ob es unter den EU-Ländern jetzt noch eine ausreichende Mehrheit für das Vorhaben geben wird. Es gibt etwa Spekulationen, dass sich andere Länder an der Entscheidung Deutschlands orientieren und dem Vorhaben nun ebenfalls nicht zustimmen. Damit steht eines der Leuchtturmprojekte der EU-Handelspolitik auf der Kippe. Nach Angaben eines weiteren EU-Diplomaten wird die belgische Ratspräsidentschaft das Vorhaben weiter vorantreiben. Es werde an einer Einigung gearbeitet, hieß es.

Risiko für Unternehmer

In Deutschland gibt es bereits ein Lieferkettengesetz, die EU-Variante geht aber über die Vorgaben des deutschen Gesetzes hinaus. Das deutsche Gesetz gilt für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Diese Grenze dürfte durch die EU-Version herabgesetzt werden. Außerdem ist vorgesehen, dass Unternehmen zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen und beispielsweise Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können. Das ist im deutschen Lieferkettengesetz bislang ausgeschlossen.

Buschmann und Lindner kritisierten in ihrem Schreiben, das EU-Gesetz werde dazu führen, dass Unternehmen für Pflichtverletzungen in der Lieferkette in erheblicher Weise zivilrechtlich haften. Außerdem wären deutlich mehr Unternehmen betroffen als nach aktueller deutscher Rechtslage. Auch der Bausektor solle als sogenannter Risikosektor eingestuft werden.

Treffe besonders kleine Unternehmen

Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen in diesem bereits durch gestiegene Bauzinsen gebeutelten Bereich könne das existenzbedrohend sein. "Viele Betriebe verfügen unserem Eindruck nach schlichtweg nicht über die entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen", schreiben die Minister. "Es ist zu befürchten, dass künftig noch weniger gebaut würde in Deutschland."

Mehrere Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft forderten jüngst in einem Brief an Kanzler Olaf Scholz (SPD), die Zustimmung zum neuen EU-Lieferkettengesetz zu verweigern. Sie warnten vor "Rechtsunsicherheit, Bürokratie und unkalkulierbaren Risiken".

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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