Kritik vor Europa-Rede Scholz soll "angerichtete Schäden wiedergutmachen"
Am Dienstag hält Bundeskanzler Scholz eine Rede im EU-Parlament in Straßburg. Die Europa-Politik seiner Regierung wird im Vorfeld kritisiert.
Kurz vor der zweiten großen Europa-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz haben führende deutsche Abgeordnete im EU-Parlament deutliche Kritik am bisherigen europapolitischen Kurs der Bundesregierung geübt. Der CSU-Vize und EVP-Chef Manfred Weber warf der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP vor, bei wichtigen Themen oft keine "klare und abgestimmte Position" zu haben.
"Mit dem Durcheinander in der Debatte zu den Verbrennermotoren hat die Ampel ihre Glaubwürdigkeit am Verhandlungstisch verloren", sagte er der Deutschen Presse-Agentur kurz vor der Scholz-Rede an diesem Dienstag im Europäischen Parlament in Straßburg.
Ähnlich kritisch äußerten sich auch der Linken-Fraktionsvorsitzende Martin Schirdewan und selbst Europaabgeordnete, die Regierungsparteien angehören. So sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Terry Reintke, viele ost- und zentraleuropäische Kollegen im Europäischen Parlament seien enttäuscht von dem gewesen, was Scholz in Bezug auf die Ukraine geleistet habe. Wahrnehmung sei gewesen, "dass alles sehr langsam kam und es Berlin eigentlich immer wieder abgerungen werden musste".
Linke: Regierung fällt vor allem mit Querelen auf
Hoffnung sei nun, dass der "nüchterne Hamburger" Scholz an diesem Dienstag trotz seiner sonstigen Positionierung mit einem sehr klaren Forderungskatalog und einer Agenda in die Rede gehe. Diese werde sehr zentral werden für die Frage, welche Rolle die Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Monaten in der Europäischen Union spielen werde, sagte Reintke.
Der Linken-Politiker Schirdewan warf der Bundesregierung vor, vor allem mit Querelen bei der Europapolitik aufzufallen. Auch er nannte wie Weber und Reintke die wochenlange Blockade der Bundesregierung im Streit über Autos mit Verbrennungsmotor als ein Beispiel.
In ihm hatte vor allem die FDP verlangt, dass die EU-Kommission einen Vorschlag vorlegen soll, wie nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden können, die ausschließlich mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden. Eigentlich hatten sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments da schon monatelang auf ein weitgehendes Verbrenner-Aus ab 2035 geeinigt.
CSU: China-Alleingänge sind kontraproduktiv
Der CSU-Politiker Weber kritisierte explizit zudem die China-Politik der Bundesregierung und forderte von Scholz ein klares Bekenntnis zu einem einheitlichen europäischen Kurs. "Die Lehre aus den Fehlern im Umgang mit der russischen Führung muss sein, dass wir uns gerade gegenüber China nur gemeinsam und in enger Abstimmung mit unseren westlichen Partnern behaupten können", sagte der Vorsitzende und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP).
Alleingänge im Umgang mit der chinesischen Führung seien kontraproduktiv und schadeten Europa. Die Rede an diesem Dienstag sei eine Chance für Scholz, "einige der angerichteten Schäden wiedergutzumachen".
Die Rede des SPD-Politikers in Straßburg wird der zehnte Teil der Debattenreihe "Das ist Europa" sein. In ihr legen Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Parlament ihre Ansichten und Lösungen zu den Herausforderungen für Europa dar. Im April war etwa Luxemburgs Premier Xavier Bettel zu Gast in Straßburg.
In erster Rede sprach sich Scholz für Reformen aus
Seine erste große Europa-Rede als Kanzler hatte Scholz im August 2022 an der Karls-Universität in Prag gehalten. In ihr sprach er sich für tiefgreifende Reformen aus, um die EU fit für die Aufnahme weiterer Mitglieder zu machen: einfachere Entscheidungsprozesse, ein krisenfestes Asylsystem und eine engere Zusammenarbeit in den Bereichen Rüstung und Verteidigung.
In der Rede am Dienstag dürfte es vor allem um die Rolle der EU in der Welt gehen. Der Termin ist mit Bedacht gewählt. Der 9. Mai ist der Europatag, mit dem an den Schuman-Plan für die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl erinnert wird. Dieser wurde am 9. Mai 1950 vom damaligen französischen Außenminister Robert Schuman in Paris der Öffentlichkeit vorgestellt und sollte nach dem Zweiten Weltkrieg den Frieden in Europa sichern. Der Plan führte zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, einem der Vorläufer der heutigen Europäischen Union.
- Nachrichtenagentur dpa