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Migrationsstreit in der EU: Nun soll die schnelle Lösung her


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Kommt die "Asylbremse"?
Darum soll es nun ganz schnell gehen


Aktualisiert am 09.02.2023Lesedauer: 5 Min.
Eine Helferin trägt ein kleines Kind im Hafen von Neapel an Land: Die Zahl derjenigen, die Europa über das Mittelmeer erreichen, steigt nach der Corona-Pause wieder an.Vergrößern des Bildes
Eine Helferin trägt ein kleines Kind im Hafen von Neapel an Land: Die Zahl derjenigen, die Europa über das Mittelmeer erreichen, steigt nach der Corona-Pause wieder an. (Quelle: IMAGO/Antonio Balasco)
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Die Flüchtlingszahlen müssen dringend sinken, heißt es aus der EU. Doch über den Weg gibt es Streit. Einige Staaten wollen nun schnell Tatsachen schaffen.

Die Migrationspolitik wird zur Machtfrage in Brüssel: Aus der Ukraine sind vier Millionen Menschen nach Europa geflüchtet, in vielen Staaten sind die Asylsysteme überlastet. Die EU-Kommission hat deswegen nun ein Ziel ausgegeben: Die Flüchtlingszahlen sollen sinken, manch einer spricht gar von einer "Asylbremse".

Doch wie soll das funktionieren? Das wollen die EU-Staaten auf einem Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag diskutieren. Doch schon in den Tagen davor kochte der Streit hoch.

Österreich drohte gar damit, die Abschlusserklärung zu blockieren, sollte es keine konkreten Vereinbarungen geben. Damit meint Kanzler Karl Nehammer vor allem zwei Dinge: eine stärkere Abschottung der Außengrenzen und mehr und schnellere Abschiebungen. Hinzu kommt ein weiteres ungeklärtes Thema, das Nehammer nicht anspricht: die geregelte Verteilung der Geflüchteten innerhalb der EU.

Österreich gehört hier zu den Blockiererstaaten, für Deutschland hingegen ist eine Lösung dieser Frage eine der drängendsten. Wie wahrscheinlich ist es also, dass sich die Staaten einigen können? Ein Überblick über die strittigen Punkte:

Grenzzäune für die EU-Außengrenze

Tatsächlich gibt es in der EU seit Langem Pläne, den Prozess an den Außengrenzen zu vereinheitlichen und auch zu beschleunigen. Unter anderem soll ein einheitlicher Screening-Prozess eingeführt werden, während sich die Asylbewerber in einem Zentrum nahe der Grenze aufhalten. Die Mitgliedsstaaten haben sich grundlegend bereits auf diese Pläne geeinigt, doch die Verhandlungen ziehen sich.

Nun soll die schnelle Lösung her. Österreichs Kanzler Karl Nehammer forderte am Mittwoch in der "Welt": "Leere Worthülsen werden nicht ausreichen. Es braucht endlich ein klares und deutliches Bekenntnis zur Verstärkung des Außengrenzschutzes". Falls beim EU-Gipfel keine Maßnahmen beschlossen werden, wolle sein Land die Abschlusserklärung blockieren – also den Gipfel scheitern lassen.

Asylanträge in der EU

Im Jahr 2022 sind die Asylanträge in der EU um knapp 28 Prozent gestiegen, nachdem die Zahlen während der Hochphase der Corona-Pandemie stark gesunken waren. Nicht dazu zählen Geflüchtete aus der Ukraine, die nach der Massenzustromrichtlinie keinen Asylantrag stellen müssen. Die größten Gruppen unter den Asylbewerbern sind Syrer und Afghanen. Ihre Asylanträge haben in der Regel gute Aussichten auf Erfolg.

Auch die Fraktion der christdemokratischen und konservativen Parteien im EU-Parlament drängt und hat die Angelegenheit gleich zur Chefsache gemacht. "Die EU-Staaten schlafwandeln in eine neue, große Migrationskrise hinein", sagte der Fraktionsvorsitzende Manfred Weber (CSU) kürzlich den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Seine Forderungen gehen weit über das hinaus, was das EU-Parlament derzeit ausarbeitet. Darunter: Asylverfahren außerhalb der EU und Zäune an den Außengrenzen. "Zäune sind immer das letzte Mittel, aber wir brauchen sie überall dort, wo Schlepperbanden erfolgreich versuchen, europäisches Recht zu umgehen", sagte Weber dazu.

Für die Sozialdemokraten, Grünen und Linken ist das Populismus. SPD-Politikerin Birgit Sippel etwa sprach von "Ideen aus der Mottenkiste" und entgegnete: "Wir hingegen stehen hinter dem Grundrecht auf Asyl und der Einhaltung von Menschenrechten." Auch Grünen-Politiker Erik Marquardt hält Webers Forderungen für eine "Kapitulation vor den realen Herausforderungen".

Selbst wenn Geflüchtete vor einem Zaun stehen und um Asyl bitten, müssten ihre Anträge berücksichtigt werden, sagt Marquardt t-online. Und weiter: "So ist die Rechtslage, die auch Weber kennt: Zäune reduzieren keine Asylanträge." Er kritisiert: "Nehammer und Weber versprechen einfache Lösungen, die nicht ausgegoren sind und sich ohnehin nicht umsetzen lassen." Das sei eine Täuschung der Wähler. Auch die Bundesregierung lehnt einen Bau von Grenzzäunen ab.

Schnellere und mehr Abschiebungen

In diesem Punkt sind sich die Mitgliedsstaaten einig – eigentlich. Denn wie dieses Ziel erreicht werden soll, ist umstritten. Denn Abschiebungen durchzusetzen, ist durchaus kompliziert, etwa, wenn ein Land sich weigert, seine Staatsbürger zurückzunehmen. Die EU und Mitgliedsstaaten wie auch Deutschland versuchen deswegen, Migrationsabkommen mit den Herkunftsländern oder auch Drittstaaten zu schließen.

In dieser Fragen dringen nun acht Staaten, darunter Österreich und Dänemark, in einem Schreiben an von der Leyen darauf, dass deutlich mehr Rückführungsabkommen geschlossen werden. Doch das ist leichter gefordert als getan, wie das wohl berühmteste Abkommen zeigt: der Flüchtlingsdeal mit der Türkei.

Aussichtslose Asylbewerber, die über das Land in die EU einreisten, sollten zurückgeführt werden. Im Gegenzug zahlte die EU Milliardenhilfen und verpflichtete sich, ein Kontingent aus der Türkei aufzunehmen. Das Ergebnis: Es sorgt zwar dafür, dass weniger Menschen über die Türkei Europa erreichen. Allerdings nutzt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan es immer mal wieder gern, um Druck auf die EU auszuüben.

Ein großer Teil der Staaten, angeführt durch Schweden, will nun den Druck deutlich erhöhen. Weigert sich ein Land, seine Angehörigen zurückzunehmen, soll es durch eine restriktivere Visa-Politik bestraft werden. Deutschland hingegen hielt in der Vergangenheit nichts von dieser Vorgehensweise: Innenministerin Nancy Faeser drängte vielmehr auf bilaterale Abkommen, wie der Bund es im Dezember mit Indien geschlossen hat. Inder sollen es künftig einfacher haben, in Deutschland zu studieren und zu arbeiten, dafür sollen ausreisepflichtige Staatsangehörige einfacher abgeschoben werden können.

Doch mit dieser Position konnte sich Deutschland wohl nicht durchsetzen. In dem Entwurf für die Abschlusserklärung ist bereits festgehalten, dass die Kommission die Möglichkeit nutzen solle, "restriktive Visamaßnahmen in Bezug auf Drittländer einzuführen, die bei der Rückführung nicht kooperieren."

Verteilung von Geflüchteten innerhalb der EU

Innenministerin Nancy Faeser musste in den vergangenen Tagen viel Kritik einstecken. In der Debatte um Migration wirke sie "wie eine Getriebene", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. "Sie hat das Thema über einen langen Zeitraum hinweg fatalerweise unterschätzt und nötige Reformen bei der Einwanderungspolitik nicht angepackt".

Das ist zunächst eine innenpolitische Angelegenheit, für deren Lösung Faeser aber die EU bräuchte. Denn nicht nur Djir-Sarai, auch die Kommunen fordern eine bessere Verteilung der Geflüchteten in den EU-Staaten. Der Tenor: Deutschland und einige andere Staaten in Osteuropa tragen einen Großteil der Last, andere Staaten ziehen sich zu sehr aus der Verantwortung. Der Druck also auf die Bundesregierung und vor allem auf Faeser, in dieser Frage voranzukommen, ist innenpolitisch hoch. Doch dürfte es auch in dieser Frage kaum eine Entwicklung geben.

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Denn es gibt innerhalb der EU erheblichen Widerstand. Eine verpflichtende Verteilung nach Quoten scheint nicht durchsetzbar zu sein – weder für Geflüchtete aus der Ukraine noch für Asylbewerber aus anderen Staaten. Denn zwar ächzen auch osteuropäische Staaten wie Polen unter dem massenhaften Zuzug ukrainischer Geflüchteter. Doch würden sie nun eine gesteuerte Verteilung fordern, würden sie ihre Verhandlungsposition bei der Verteilung von Asylbewerbern aus anderen Staaten schwächen. Denn so offen sich diese Staaten für Ukrainer zeigen, für Geflüchtete aus muslimischen Staaten sind sie es nicht.

Und auch von freiwilligen Aufnahmezusagen ist nicht viel zu erwarten. Im Sommer hatten sich einige EU-Staaten auf einen Solidaritätsmechanismus geeinigt, der Asylbewerber aus südeuropäischen Staaten wie Italien umsiedeln sollte. Diese Einigung bezeichnete Kanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung am Mittwoch noch als einen Erfolg und Schritt in die richtige Richtung. Doch tatsächlich wurden seitdem kaum Menschen umverteilt.

Es ist nur ein weiteres Beispiel, das zeigt: Dass bei diesem Gipfel tatsächlich etwas Substanzielles beschlossen wird, ist mehr als unwahrscheinlich – zu uneins sind die EU-Staaten in dieser Frage.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • Regierungserklärung von Olaf Scholz
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