Besuch in Polen Baerbock erteilt Reparationszahlungen eine Absage
In Polen traf Annalena Baerbock ihren Amtskollegen zu bilateralen Gesprächen. Dabei ging es neben dem Ukraine-Krieg auch um eine Forderung Polens.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist in Warschau mit ihrem polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau zusammengekommen. Bei den Gesprächen standen mögliche weitere Hilfen für die Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg sowie Reparationsforderungen der polnischen Regierung im Mittelpunkt.
Baerbock bezeichnete die deutsch-polnische Freundschaft als "unglaubliches Geschenk". Die Außenministerin habe bei einem Empfang in Polen zum Tag der Deutschen Einheit auch mit Menschen gesprochen, die unter der deutschen Besatzung gelitten haben. Sie sei dankbar für die Gespräche. Heute habe sie den Warschauer Friedhof und eine Ausstellung besucht. Im Namen Deutschlands wolle sie den Toten Respekt zollen.
Baerbock: "Das ist unsere Lebensversicherung"
Zum Thema Reparationen sagte Baerbock: "Ich glaube, es ist gut, dass wir heute persönlich darüber sprechen konnten." Deutschland stehe zu seiner historischen Verantwortung, es bleibe eine ewige Aufgabe, daran zu erinnern, was Deutschland Polen angetan habe "mit einer menschenverachtenden Unterdrückung". Man müsse die Erinnerung immer wieder wachhalten. Der Schmerz sei noch heute präsent, werde über Generationen vererbt. "Das ist uns in Deutschland vielleicht nicht immer bewusst, daran müssen wir uns allerdings immer wieder erinnern." Zu den Reparationsforderungen sagte Baerbock, es bleibe bei der Haltung der Bundesregierung. Die Frage der Reparationen sei aus Sicht der Bundesregierung "abgeschlossen".
Baerbock bekräftigte damit die seit vielen Jahren geltende offizielle Position Deutschlands, dass es keine rechtliche Grundlage für Reparationsforderungen aus Polen gebe. Polen strebt baldige Verhandlungen mit Deutschland über Reparationen an. Eine entsprechende diplomatische Note sei auf dem Weg nach Berlin, hieß es am Dienstag.
Die gute Nachricht sei nun, man habe eine gemeinsame Zukunft mit der Europäischen Union. "Das ist unsere Lebensversicherung, unser Instrument für die Zukunft", so Baerbock. Die deutsch-polnische Partnerschaft müsse immer weiter neu gestaltet werden.
Gebietsansprüche Russlands weist Baerbock entschieden zurück
Auch auf den Ukraine-Krieg ging Baerbock ein. Gebietsansprüche Russlands in der Ukraine wies sie entschieden zurück. Die von der Regierung in Moskau nach den "Referenden" beanspruchten Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson wie auch die Halbinsel Krim seien "Teile der Ukraine", sagte Baerbock. Daher bereite die Europäische Union ein mittlerweile achtes Sanktionspaket gegen Russland vor und werde die Ukraine auch weiterhin unterstützen, dazu gehöre auch militärische Hilfe.
Außenminister Rau sagte, es sei bereits das dritte Treffen mit Annalena Baerbock in diesem Jahr, die politische Kommunikation sei sehr intensiv. Die polnische Bevölkerung erlebe noch immer das Trauma der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. "Die Folgen für die Menschen, die Wirtschaft, das kulturelle Erbe – es sei eine Hinderung für die deutsch-polnischen Beziehungen." Rau rechne mit einer guten Zusammenarbeit mit der deutschen Bundesregierung.
Polens PiS-Regierung hatte ihren Reparationsforderungen an Deutschland kurz vor Baerbocks Besuch Nachdruck verliehen: Rau unterzeichnete eine entsprechende diplomatische Note, die Berlin übergeben werden soll. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski hielt der Bundesregierung zudem vor, sie strebe eine "deutsche Vorherrschaft" in der EU an.
Gutachten am 1. September vorgestellt
Die polnische Regierung hatte am 1. September die durch Deutschland im Zweiten Weltkrieg angerichteten Schäden mit umgerechnet über 1,3 Billionen Euro (6,2 Billionen Złoty) beziffert. Dies hatte der Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, in Warschau mitgeteilt. Das Gutachten wurde zum 83. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs im Königsschloss der polnischen Hauptstadt vorgestellt.
Die polnischen Forderungen beziehen sich auf den deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939. Vier bis sechs Millionen Tote hatte Polen bis zum Kriegsende zu beklagen – ein Fünftel der damaligen Bevölkerung. Kein anderes Land hatte gemessen an der Bevölkerungszahl mehr Opfer zu beklagen. Auch die Schäden waren massiv: Warschau wurde damals von der Wehrmacht weitgehend zerstört.
- Livestream des Statements von Annalena Baerbock
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa