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Warum die Wurst aus den Kantinen verschwindet


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Ersatzprodukt statt Fleischgericht
Warum die Wurst aus den Kantinen verschwindet


Aktualisiert am 13.08.2021Lesedauer: 3 Min.
Essensausgabe in einer Kantine (Symbolbild): In vielen deutschen Betriebsgastronomien gibt es zunehmend Konkurrenz für Fleischgerichte.erichte.Vergrößern des Bildes
Essensausgabe in einer Kantine (Symbolbild): In vielen deutschen Betriebsgastronomien gibt es zunehmend Konkurrenz für Fleischgerichte. (Quelle: Gabriel Attal/imago-images-bilder)

Lange Zeit hatten Vegetarier beim Mittagessen im Büro oder Werk kaum Auswahl. Mit dem Currywurst-Aus bei VW trifft es jetzt die andere Seite: Fleischesser. In Zukunft könnte das häufiger vorkommen.

Rinderrouladen und Veggie-Würstchen liegen in vielen Kantinen friedlich nebeneinander. Nicht so bei VW. Das Ende von Currywurst und Fleischgerichten im Markenhochhaus des Wolfsburger Autobauers rief diese Woche sogar Gerhard Schröder auf den Plan. Aber ob es dem Ex-Bundeskanzler passt oder nicht: In Deutschland geht der Trend weg von der klassischen Wurst.

Der Zeitgeist für gesundes und nachhaltiges Essen ist vielerorts auch in der Betriebsgastronomie angekommen. Autobauer Daimler will ab Ende September ein komplett veganes Menü anbieten, statt lang gegartem Schweinefleisch kommt bei BASF auch schon mal "Pulled Veggie" auf die Teller.

Bei Dübelhersteller Fischer im Nordschwarzwald bekommt die Belegschaft Karotten-Kokos-Suppe mit Ingwerschaum, ab und zu wird "Selleriestroh" serviert und in den Ravioli steckt regelmäßig Ricotta statt Hack. Und die Köchinnen und Köche des größten externen Betriebscaterers in Deutschland, der Compass-Group, haben seit Jahresbeginn 30 vegane Rezepte im Portfolio. Zahl steigend.

Flexitarier auf dem Vormarsch

Genau so wünscht es sich das Robert Koch-Institut, das selbst in der Pandemie nicht nur mit dem Coronavirus beschäftigt ist. Die Experten fordern mehr gesunde Kantinenangebote und meinen damit vor allem täglich fleischfreie Speisen im Angebot. Das deckt sich mit den wandelnden Essgewohnheiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch wenn der Bevölkerungsanteil an Vegetariern und Veganern mit je fünf und einem Prozent weiterhin eher gering ist, wächst die Gruppe der Flexitarier rasant. Noch 2018 war es gerade einmal ein Drittel der Deutschen, die sich laut Umfragen bemühten, deutlich weniger Fleisch zu essen – inzwischen ist es mehr als die Hälfte.

"Das ist auch kein Trend, der wieder weggeht", sagt Jan Wirsam von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Als Professor für Innovationsmanagement beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit der Belegschaftsverkostung in großen Unternehmen. "Der Geschmack von Fleischersatzprodukten stimmt und die Nachfrage ist auch in der Betriebsgastronomie verstärkt vorhanden", so Wirsam. Dass sich mit größeren fleischlosen Angeboten auch richtig Geld machen lässt, zeigt der Blick in die Kühlregale der Republik.

Labor statt Stall

Vergangenes Jahr verkaufte der Wursthersteller Rügenwalder Mühle erstmals mehr vegetarische Ersatzprodukte als Aufschnitt, Tee- und Leberwürste aus tierischer Quelle. "Die Corona-Krise hat dem Trend zu bewusster Ernährung mit pflanzlichen Fleischalternativen zusätzlich Schub gegeben", erklärte Geschäftsführer Michael Hähnel die Entwicklung damals gegenüber dem "Handelsblatt". Selbst bei Tönnies, der als größter deutscher Fleischkonzern den kleineren Konkurrenzfirmen hinterherhinkte, will man nun tiefer in die boomende Nische vorstoßen.

Seit 2020 gibt es am Stammwerk eine fleischfreie Produktionshalle. Anfang des Jahres wurde deren Kapazität verdoppelt – so hoch ist der Absatz. Denn die Konsumpräferenz der Deutschen bewegt sich momentan im Dreieck "Gesundheit, Nachhaltigkeit und Genuss", stellt das Marktforschungsinstitut GfK fest.

Entsprechend passe die vegetarische Umstellung der VW-Hauptkantine auch gut zum aktuellen Moment, findet Innovationsprofessor Wirsam. "Die Currywurst ist nicht nachhaltig und eher gesundheitsschädlich. Sie entspricht daher nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen."

Aufregung um vegetarische Initiativen nicht neu

Auch deshalb mag die letzte große Wurst-Kontroverse bereits acht Jahre zurückliegen: Damals forderten die Grünen im Wahlkampf 2013 einen "Veggie-Day". An einem Tag pro Woche sollten deutschlandweit nur fleischlose Gerichte auf den Menüs von Betriebskantinen stehen. Der Großteil der Deutschen war von der Idee gar nicht begeistert. Mehr als 60 Prozent wollten in ihrer Pause von Fließband oder Schreibtisch täglich die Option auf Schnitzel und Co. haben.

Seitdem hat sich viel getan. "Die letzten zwei bis drei Jahre haben noch einmal einen deutlichen Schub erzeugt", erklärt Jan Wirsam das starke Interesse an fleischfreien Gerichten in der Betriebsgastronomie. Zurückkommen dürften die Zeiten der täglichen Currywurst nicht. Wirsam geht davon aus, dass die Betreiber von Kantinen und Mensen sich generell weiter auf vegetarische und vegane Geschmäcke einstellen werden. Gerade die jüngeren Generationen forderten das auch stark ein.

Verwendete Quellen
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