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Raketenflug von Amazon-Gründer Jeff Bezos: Weltraumurlaub kostet mehr als nur Geld


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Raketenflug von Jeff Bezos
Der Kurzurlaub im Weltraum kostet mehr als nur Geld


Aktualisiert am 21.07.2021Lesedauer: 4 Min.
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Kurztrip in die Schwerelosigkeit: So sah der All-Ausflug von Amazon-Gründer Bezos von Start bis Landung aus. (Quelle: reuters)

Der reichste Mann der Welt ist aus dem All zurück. Nur zehn Minuten war Jeff Bezos unterwegs und schreibt mit seinem Trip die Geschichte des Weltraumtourismus weiter. Den Preis für die Spritztour per Rakete zahlt aber nicht nur der Milliardär.

Die Tonaufnahmen aus der Raumkapsel klangen wie ein Junggesellenabschied: Jubel, Grölen, Gaudi. Für Jeff Bezos und seine dreiköpfige Crew ging es mit der Trägerrakete der "New Shepard" am Dienstag mehr als 100 Kilometer in die Höhe – höher noch als Unternehmer Richard Branson kürzlich in seiner "VSS Unity"-Rakete geschossen wurde. Beide Männer gehören nun zu den ersten Space-Touristen der Menschheit. Und wollen mit ihren privaten Raumfahrtfirmen den Planeten retten.

In Interviews träumt Bezos laut von schwebenden Computerfabriken, die ihre Schadstoffe ins All statt in die Erdatmosphäre pusten. Er sieht in der Raumfahrt eine mögliche Lösung der Klimakrise. Auch sein Milliardärs-Kollege Richard Branson will mit seiner Firma Virgin Galactic gleichzeitig den Tourismus über den Wolken beflügeln und nachhaltig etwas für die Umwelt tun. Wären da nicht die Raketenantriebe.

Geheimnis von Blue Origin

Trotz der grünen Schwüre der beiden Raumfahrtenthusiasten: Raketenflüge verursachen eine große Menge klimaschädlicher Treibhausgase. Die Trägerraketen und Raumkapseln von Bezos' Firma Blue Origin, Bransons Virgin Galactic und Elon Musks Space X sind bis ins kleinste Detail optimiert. Nur die Emissionen, die sie verursachen, sind es nicht.

Beim Antrieb von Bezos' Rakete war das CO2 sogar schon in der Atmosphäre, bevor er am Dienstag überhaupt in die Raumkapsel kletterte: Seine "New Shepard" fliegt mit flüssigem Wasserstoff. Beim Verbrennen entsteht daraus zwar hauptsächlich Wasserdampf.

Allerdings erzeugt die herkömmliche Herstellung dieses Kraftstoffs enorme Mengen an Treibhausgasen: Eine Tonne Wasserstoff verursacht in der Produktion rund zehn Tonnen CO2. Wie viel Wasserstoff die Triebwerke der "New Shepard" genau verbrauchen, bleibt bisher das Geheimnis der Ingenieurinnen und Ingenieure bei Blue Origin.

Raumfahrt als Klimaschutz?

Der Treibstoff für Bransons VSS Unity produziert das klimaschädliche CO2 hingegen während des Fluges des Trägerflugzeuges sowie bei Start und Flug des darauf aufgesetzten Raumfahrzeugs. Sein Raumfahrtunternehmen Virgin Galactic setzt auf ein festes Treibstoffgemisch, das als besonders umweltschädlich gilt – als Brennstoffe fungieren Aluminium und Kunstharz, dazu kommen einige andere chemische Substanzen. Trotzdem sieht auch Branson sich als Klimaschützer.

Lange vor seinem ersten eigenen Flug ins All beschwor der Unternehmer bereits die Umweltleistung von Virgin Galactic: "Wir haben die CO2-Kosten so reduziert, dass der Fußabdruck einer Person im All nicht mehr dem zweiwöchigen Stromverbrauch von New York City, sondern einem Hin- und Rückflug von Singapur nach London entspricht", lobte Branson 2013.

Die Klimabilanz der neuen VSS Unity soll nach Angaben des Unternehmens inzwischen einem Business-Class-Flug gleichen, der von London nach New York City und zurück geht. Verändert hat sich am CO2-Ausstoß in den vergangenen Jahren also wenig: Die Transatlantikstrecke ist zwar nur halb so lang wie die Entfernung von London nach Singapur. Allerdings entspricht ein Platz in der Business Class ungefähr den Maßen von zwei Economy-Plätzen. Die CO2-Belastung dürfte also sehr ähnlich sein.

Die Masse macht den Unterschied

Die Last, die durch den aufkeimenden Weltraumtourismus auf das Klima zukommt, stammt aber nicht unbedingt von den CO2-Emissionen eines einzelnen privaten Trips ins All.

Zum Vergleich: Auch die Raketen der nationalen und internationalen Raumfahrtprogramme hinterlassen ihre Spuren in der Atmosphäre. Sie sind größer und schwerer als die Raketen der privaten Unternehmen von Bezos und Co. Weil sie auch viel höher fliegen müssen, verbrauchen sie sogar deutlich mehr Treibstoff als die Modelle von Blue Origin und Virgin Galactic. Trotzdem könnten die Weltraumspritztouren der reichsten Menschen viel eher zum Problem werden.

"Setzt man die fünf bis sechs jährlichen Starts einer europäischen Trägerrakete Ariane 5 ins Verhältnis zu den jährlichen weltweiten Flugbewegungen, ist der Umwelteinfluss des Raketenstarts eher gering", sagt Miriam Mittelbach, Pressesprecherin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, auf Anfrage von t-online.

Den privaten Raumfahrtunternehmen gehe es jedoch um die Masse: "Blue Origin und Virgin Galactic geht es als kommerzielle Firmen darum, möglichst viele zahlende Kunden für ihre Flüge zu finden. Das ist Weltraumtourismus in Reinform." Pro Passagier kommen beispielsweise bei einem Flug der VSS Unity laut Berechnungen des Astrophysikers Roland Lehoucq 4,5 Tonnen CO2 zusammen – ungefähr so viel wie bei einer Autofahrt einmal um die Erde. Und das in nur 10 Minuten.

Bis zu 400 Kurztrips pro Jahr

Nach eigenen Angaben plant Richard Bransons Virgin Galactic aktuell, jährlich bis zu 400 Kurztrips für jeweils sechs gut zahlende Kundinnen und Kunden anzubieten. Für Klimaforscher Darin Toohey von der University of Colorado liegt genau da der kritische Punkt.

"Das Problem ist einfach der unverhältnismäßig große Einfluss. Ich bin selbst mit dem Raumfahrtprogramm der Nasa aufgewachsen. Aber wenn mir jemand einen kostenlosen Kurztrip ins All anbieten würde, wäre ich unsicher, ob ich ihn annehmen würde: Ich weiß einfach, dass mein CO2-Fußabdruck dann so viel größer wäre als er sein darf."

Während Jeff Bezos noch seinen ersten Weltraumflug feiert, arbeiten andere schon an emissionsfreien Antriebssystemen für die nächste Raketengeneration. Bei der Nasa untersucht man die Verwendung von grünem Wasserstoff, beim privaten Raumfahrtunternehmen Rocketlab setzt man auf Elektromotoren. Langfristig könnten solche Technologien die grünen Weltraumträume von Milliardären wie Bezos und Branson doch noch Wirklichkeit werden lassen – so zumindest die Hoffnung.

Verwendete Quellen
  • Anfrage an das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt
  • Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020): Eine kleine Wasserstoff-Farbenlehre
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