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Corona und der Klimawandel: "Das Treibhaus wird weiter angeheizt"


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Corona und die Klimakrise
Klimaforscher: "Das Treibhaus wird weiter angeheizt"

InterviewVon Tim Blumenstein

Aktualisiert am 09.08.2020Lesedauer: 11 Min.
Klimakrise hinterlässt Spuren: Eine Langzeitanalyse der US-Weltraumagentur Nasa zeigt, dass Temperaturextreme über die Jahre zugenommen haben.Vergrößern des Bildes
Klimakrise hinterlässt Spuren: Eine Langzeitanalyse der US-Weltraumagentur Nasa zeigt, dass Temperaturextreme über die Jahre zugenommen haben. (Quelle: Nasa)

Im Interview mit t-online.de erklärt der Klimaforscher Manfred Fischedick, warum die Corona-Pandemie eine Chance für den Kampf gegen den Klimawandel sein kann und was wir von Corona lernen können.

t-online.de: Durch die Corona-Krise stehen große Teile der weltweiten Produktion still, auch die Flug- und Schiffsbewegungen sind stark zurückgegangen. Die CO2-Emissionen sind so gering wie lange nicht. Kann der Planet jetzt endlich durchatmen?

Manfred Fischedick: Nein, kann er nicht. Am Ende des Tages sind es ja die über viele Jahre angehäuften Emissionen, die den Treibhauseffekt ausmachen. Es wird zwar weniger CO2 ausgestoßen als im vergangenen Jahr. Aber ausgestoßen wird ja dennoch. Dadurch erhöht sich die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre. Das Treibhaus wird also weiter angeheizt. Deswegen ist es unbedingt notwendig, dass wir schnell in Richtung Treibhausgasneutralität kommen. Da haben wir jetzt zwar einen Schritt in die richtige Richtung gemacht – wenn auch unfreiwillig – aber wir sind längst noch nicht bei dem Ziel, das wir erreichen müssen.

Dieses Ziel mussten wir auch schon vor der Corona-Pandemie erreichen. Was hat sich durch die Krise verändert?

Die Emissionen sind vor allem im Wirtschaftsbereich runtergegangen. Mit der Belebung der Wirtschaft werden wie unter anderem in Deutschland sehen, dass wir bei den Emissionen relativ schnell wieder auf das alte Niveau zurückkommen. Wir müssen jetzt alles dafür tun, dass wir aus der Corona-Krise lernen und nicht einfach wieder zum "Business as Usual" zurückgehen.

Manfred Fischedick, 55 Jahre alt, ist wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Der Energie- und Klimaforscher ist Mitglied des Weltklimarates und Mitautor des nächsten Sachstandberichts über den globalen Forschungsstand zu den Auswirkungen der Erwärmung.

Und wie kann das funktionieren?

Wir sollten nicht die Fehler machen, die wir in der Wirtschaftskrise 2009 schon einmal gemacht haben. Die Emissionen dürfen nicht innerhalb von zwei Jahren höher sein als vorher. Deshalb sollten wir uns nicht scheuen, strukturelle Veränderungen zu ergreifen. Jetzt ist tatsächlich der Zeitpunkt gekommen, durch Konjunkturprogrammen viel Geld in Klimaschutz zu investieren und dadurch die Wirtschaft zu beleben.

Also kann die Corona-Krise eine ungewollte Chance sein, den Klimaschutz zielgerichtet voranzutreiben?

Ja, absolut. Wir haben gesehen, dass durch die Corona-Krise in der Zivilgesellschaft und in der Politik das Bewusstsein gewachsen ist, dass große Krisen mit sehr, sehr großen Auswirkungen einfach passieren können. Außerdem haben wir als Gesellschaft gelernt, dass jeder etwas tun kann. Denn im Grunde ist die Corona-Krise in Deutschland bisher relativ glimpflich verlaufen, weil viele Menschen versucht haben, ihren Teil beizutragen: Indem sie häufiger zu Hause geblieben sind, sie Masken getragen oder sich in der Nachbarschaft gegenseitig geholfen haben. Jeder kann seinen Beitrag leisten – das ist der Lerneffekt, den wir unbedingt mitnehmen müssen und für die Überwindung der Klimakrise dringend brauchen.

Und wie bewerten Sie das Verhalten der Politik?

In der Krise war die Politik durchaus zu massiven Investitionen und schnellen Reaktionen in der Lage. In der Europäischen Union, aber auch in Deutschland sind sehr schnell gigantische Geldmengen bewegt worden. Das zeigt, dass die Politik bereit ist, Entscheidungen zu treffen, wenn der Druck im Kessel hoch genug ist. Diese Dynamik und der Wille zum Handeln müssen dringend auf die Klimapolitik übertragen werden.

30 Prozent des von der EU beschlossenen Corona-Finanzpakets sollen direkt in den Klimaschutz fließen. Reicht das, um einen nachhaltigen Strukturwandel in Gang zu bringen?

Einerseits ist es natürlich gut, dass die ursprüngliche Zielmarke von 25 Prozent im EU-Programm auf 30 Prozent angehoben wurde. Wenn man sich aber die Verhandlungen ansieht, die auf EU-Ebene geführt worden sind, dann waren die Klimaschutzkriterien in den ersten Entwürfen viel, viel stärker, als das, was am Ende dabei rausgekommen ist. Jetzt steht doch primär der Beitrag zur Konjunkturentwicklung sowie der Beitrag zum Erhalt von Arbeitsplätzen im Fokus. Und wenn möglich soll auch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden. Hier hätte ich mir stärkere Formulierungen gewünscht – so wie das in den Entwürfen der Fall gewesen ist. Das ist deutlich aufgeweicht worden. Und das halte ich nicht für sonderlich zielführend.

Hat es die Bundesregierung mit ihrem Konjunkturprogramm besser gemacht?

Deutschland hat in vielen Bereichen klare Zukunftsakzente gesetzt und ist sicherlich auf einem guten Weg. Gleichwohl müssen sich die Zielvorgaben in den nächsten Jahren auch in konkretes Handeln übersetzen. Und da haben wir häufig gesehen, dass man Ziele formuliert und am Ende des Tages nicht in der Lage oder willens ist, durchzuhalten und die Ziele durchzusetzen. In den nächsten Jahren steht hier die Probe aufs Exempel an.

Was bedeutet das konkret für den Kampf gegen die Klimakrise?

Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass die Entscheidungsträger wissen, was mit dem Klimawandel auf uns zukommt. Und trotzdem setzt sich der Handlungsdruck nicht in konkretes Handeln um. Wir müssen unbedingt schneller werden, damit die Verwerfungen noch in Grenzen gehalten werden können. Jetzt ist die Politik gefordert, nicht nur einmalig mutig gewesen zu sein. Sie muss zeigen, dass sie die Klimaschutzziele ernst nimmt und bereit ist, immer wieder steuernd einzugreifen.

Das könnte angesichts der immensen Veränderungen zu Schwierigkeiten führen.

Ja. Wir haben ja das Problem, dass es keine Blaupause gibt für die Umsetzung einer treibhausgasneutralen Wirtschaft. Deswegen werden wir stetig lernen müssen und mit Sicherheit das eine oder andere falsch machen – auch die Politik wird lernen. Es werden vielleicht politische Instrumente nicht so funktionieren, wie man sich das in der Theorie ausgedacht hat. Wir brauchen eine anpassungsfähige Politik, die bereit ist, sich zu hinterfragen. Darauf kommt es jetzt gerade in den nächsten zehn Jahren an, die entscheidend sind für den Klimaschutz. Dafür braucht es eine mutige und durchsetzungsstarke Politik.

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Was kann denn schon heute dafür getan werden, um die Gesellschaft auf diesen Wandel einzustellen?

Den Menschen muss klar werden, dass wir jetzt schon mitten im Klimawandel stecken. Das zeigen uns die vielen Wetterextreme deutlich. Wenn wir sehen, dass das erste Halbjahr 2020 in Sibirien in etwa fünf Grad wärmer war als der Durchschnitt der vergangenen Jahre, wenn wir die zunehmende Intensität von Stürmen sehen – dann sind das alles Anzeichen, die zeigen, dass wir mittendrin sind in der Klimakrise. Wir müssen das Bewusstsein dafür schaffen, dass das alles nichts Virtuelles ist und erst in 10, 20, 30 Jahren auf uns zukommt, sondern wir schon heute die Auswirkungen unseres Handelns sehen, die von Jahr zu Jahr immer stärker werden.

Sensibilisierung allein wird nicht reichen. Welche Zeichen muss man setzen, damit die Bevölkerung auch wirklich mitzieht?

Wir müssen versuchen, integrative Lösungen zu entwickeln. Wir müssen zeigen, dass sich Klimaschutzmaßnahmen auch positiv auf andere Dinge auswirken – zum Beispiel können die Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität und Lebensqualität in den Städten beitragen. Außerdem sollte der Klimaschutz nicht zulasten einzelner gehen, sondern wir sollten Klimaschutz stärker mit sozial gerechten Verhalten verbinden. Wir müssen uns um einen produktiven Strukturwandel bemühen – wie aktuell zum Beispiel in der Kohle- und Automobilindustrie – und dafür sorgen, dass alle Akteure mitgenommen werden. Und wir muss versuchen, einen fairen Prozess zu gestalten – dass am Ende nicht diejenigen, die sowieso am wenigsten in der Tasche haben, für den Klimaschutz bezahlen. Dementsprechend geht es auch um Verursachungsgerechtigkeit. Dafür sind CO2-Preise sehr wichtig. Damit diejenigen, die viel CO2 ausstoßen, auch viel zahlen müssen.

Kann Deutschland mit solchen Maßnahmen eine Vorreiterrolle einnehmen?

Ja. Für das Industrieland Deutschland kann der Klimaschutz eine riesige technologie- und industriepolitische Chance sein. Weil wir letztendlich in der Lage sind, grüne Technologien und Produkte zu entwickeln, die auf den globalen Märkten nachgefragt werden. Auch die Unternehmen sind mittlerweile erpicht darauf, sich auf die Produktion grüner Produkte vorzubereiten. Zum Beispiel überlegt die Stahlindustrie, wie sie grünen Stahl produzieren kann, der am Ende auch zertifiziert wird. Das machen die Unternehmen natürlich nicht, weil für sie plötzlich wirtschaftliches Handeln nicht mehr wichtig ist, sondern weil sie wissen, dass sie die Klimaschutzziele einhalten müssen, um am Markt langfristig bestehen zu können – und weil sie wissen, dass die Nachfrage nach genau diesen Produkten steigen wird.

Welche Branchen könnten bei einem nachhaltigen Aufbau der Wirtschaft eine Schlüsselrolle spielen?

Im Grunde können alle Bereiche einen Beitrag zur Erholung der Wirtschaft und zum Klimaschutz leisten. Manche sind aber besonders wichtig: Zum einen müssen jetzt die Rahmenbedingungen für den Umbau der sogenannten energieintensiven Industrien geschaffen werden, zum Beispiel die Stahl- oder Chemieindustrie. Diese Industrien sind direkt oder indirekt verantwortlich für rund ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland und Europa. Außerdem ist es wichtig, in den Gebäudesektor zu investieren. Wir haben nach wie vor das Problem, dass die energetischen Sanierungsraten zu gering sind. Zum anderen muss die Kreislaufwirtschaft stärker gefördert werden.

Können Sie das näher erläutern?

Wenn ich Materialien und Produkte wiederverwerte, muss ich sie nicht neu herstellen. Dementsprechend muss ich weniger Energie aufwenden. Im Grunde geht es darum, Maßnahmen zu ergreifen, durch die man weniger abhängig wird von globalen Wertschöpfungs- und Logistikketten –und zeitgleich einen Klimaschutzbeitrag leistet.

Auch der Umbau des Verkehrssektors ist entscheidend für den Klimaschutz. Was muss sich dort verändern?

Hier muss sich einiges tun, denn der Verkehrssektor ist der einzige Bereich, in dem die Emissionen in den vergangenen 30 Jahren nicht gesunken, sondern gestiegen sind. Es geht einerseits darum, den Antriebsstrang zu verändern – also weg von Diesel und Benzin hin zu Elektromobilität mit der entsprechenden Ladeinfrastruktur. Aber wir brauchen auch im Güterverkehr entsprechende Lösungen. Und da sind nicht nur alternative Kraftstoffe wichtig, sondern auch strukturelle Veränderungen, etwa die Förderung regionaler Produktionsstrukturen oder auch ganz neue Ansätze wie Oberleitungs-Lkw. Außerdem müssen wir die Infrastrukturen fit machen, um die Attraktivität von Fuß- und Radverkehr zu steigern. Das steigert die Luft- und Lebensqualität und macht unserer Städte lebenswerter.

Sollten die westlichen Industrienationen es schaffen, die Wirtschaft nachhaltig zu gestalten, heißt das noch lange nicht, dass auch der restliche Teil der Welt nachzieht. Welche Anreize müssen geschaffen werden, um auch dort eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben?

Wir haben heute eine andere Situation als vor zehn Jahren zum Zeitpunkt der Wirtschaftskrise. In vielen Bereichen der Welt kann heute nachhaltiger gewirtschaftet werden. Denken wir beispielsweise an solare Stromerzeugung in Indien oder auch im arabischen Raum. Dort sind schon heute Stromerzeugungskosten von unter zwei Cent pro Kilowattstunde möglich. Das sind Kosten weit unterhalb derer von klassischen, konventionellen Optionen der Stromerzeugung. Es geht gerade jetzt in der Krise darum, das Bewusstsein für zukunftsfeste Rohstoffoptionen zu schaffen und mitzuhelfen, damit diese auch umgesetzt werden und nicht einfach unreflektiert zu den altbekannten Technologien zurückgegangen wird.

Wie kann das gelingen?

Eine Gute Maßnahme sind Energiepartnerschaften, wie sie sich Deutschland beispielsweise mit der im Juni verabschiedeten Wasserstoffstrategie auf die Fahnen geschrieben hat. Aus zwei Gründen: Auf der einen Seite ist das Klimaschutzproblem natürlich ein globales Problem und allein aus nationaler Sicht überhaupt nicht zu lösen. Zum anderen brauchen wir internationale Kooperationen, um schnell eine Marktdurchdringung von Technologien zu verwirklichen.

Das heißt?

Wir brauchen internationale Kooperationen, um überhaupt genügend Wasserstoff herstellen zu können, der nach Europa und Deutschland geliefert werden kann. Dafür braucht es Verlässlichkeit, die am besten über Partnerschaften erreicht wird. Dafür muss man zuerst schauen, wie für die regionalen Gegebenheiten Märkte aufgebaut werden können, die die Nachfrage vor Ort bedienen. Erst im zweiten Schritt schaut man dann in Richtung Exportmärkte. Durch internationale Partnerschaften auf Augenhöhe muss ein Miteinander entwickelt werden. So kann geholfen werden, dass in sonnen- und windreichen Länder nicht einfach auf konventionellen Strom zurückgegriffen wird, sondern in saubere, erneuerbare Technologien investiert wird.

Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass Branchen und Unternehmen die Corona-Krise nutzen könnten, um die eigenen Klimaschutzmaßnahmen wieder zurückzufahren?

Diese Gefahr ist natürlich immer da. Bei den meisten Unternehmen und Branchen haben aber die letzten Jahre dafür gesorgt, dass der Klimaschutz und die Notwendigkeit, selbst einen Beitrag leisten zu müssen, mittlerweile tief verankert sind in der unternehmerischen DNA. Eine Rolle rückwärts kann man sich eigentlich nicht mehr leisten. Die Stahlindustrie hat beispielsweise einen klaren Fahrplan, um bis spätestens 2050 treibhausneutral zu sein. Das war vor fünf Jahren noch undenkbar. Deswegen ist es wichtig, dass die Politik die Unternehmen beim Wort nimmt und entsprechende Rahmenbedingungen schafft, damit die Investitionen in die richtige Richtung gelenkt werden. Aber schwarze Schafe gibt es immer. Einzelne Unternehmen und Branchen könnten möglicherweise doch den Versuch unternehmen, sich ein bisschen Luft zu verschaffen.

In der Corona-Krise wurde Wissenschaftlern wieder intensiver zugehört. Glauben Sie, dass dieses neue Vertrauen auch positive Effekte auf die Bewältigung der Klimakrise haben kann?

Ja, ich glaube schon. Sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik ist nochmal deutlich geworden, dass Wissenschaft eine wichtige Rolle auf dem ganzen Spielfeld einnimmt – als Bewertungsinstanz, als unterstützendes Organ, das Lösungsalternativen aufzeigen und helfen kann. Am Ende des Tages müssen Politiker natürlich trotzdem die Entscheidungen treffen. Und das ist in einer Demokratie auch gut so.

Es unterstützt aber längst nicht jeder die Ratschläge der Wissenschaft.

Ja. Es hat in der Vergangenheit immer wieder Versuche von Klimaleugnern gegeben, Fakenews zu verbreiten. Und jetzt in der Corona-Krise sehen wir massive Bewegungen von Verschwörungstheoretikern. Das macht die Sache natürlich nicht einfacher. Schon gar nicht, wenn Unternehmensinteressen dahinterstehen.

Bereitet Ihnen das Sorgen?

In der Klimawissenschaft sind wir den Umgang mit Klimaleugnern schon seit Jahrzehnten gewohnt. Wir dürfen uns aber nichts vormachen. Das Überwinden der Klimakrise, der Übergang in eine treibhausneutrale Wirtschaft ist ein dickes Brett, das es zu bohren gilt. Eine klimaverträgliche Wirtschaft ist nicht mehr die Wirtschaft, die wir heute kennen. Der Umstieg ist in allen Branchen mit massiven strukturellen Veränderungen verbunden. Und strukturelle Veränderungen bedeuten immer Beharrungskräfte. Das ist ein ganz natürlicher Prozess. Insofern gibt es auch immer Abwehrkämpfe, die zum Teil auch mit gezielten Falschinformationen geführt werden. Und das ist genau das, was es schwierig macht in einem Zeitalter, in dem sich alle möglichen Meldungen in Windeseile verbreiten, die richtigen genauso wie die halbrichtigen oder die falschen.

Inwiefern ist es ein Problem, dass die Krimakrise momentan nicht mehr so stark im öffentlichen Fokus steht als noch vor der Pandemie?

Wenn man sich aktuelle Umfragen anschaut, sieht man, dass der Klimaschutz nach wie vor bei gut 90 Prozent der Menschen weit oben auf der Tagesordnung steht. Und zwei Drittel der Menschen sagen, dass es notwendig ist, Konjunkturprogramme mit Klimaschutz zu verbinden. Das Thema ist also nicht weg, es dominiert nur nicht mehr die Schlagzeilen wie es noch in 2019 der Fall war.

Was bedeutet die aktuelle Krisensituation für Bewegungen wie Fridays for Future?

Für Klimaschutzbewegungen wie Fridays for Future geht es jetzt darum, andere Möglichkeiten zu finden, um das Thema oben auf der Agenda zu halten. Das ist natürlich mit anderen Maßnahmen schwieriger als mit sichtbaren Massenprotesten jeden Freitag. Aber eigentlich war auch schon Ende 2019 erkennbar, dass die Proteste kleiner geworden sind. Die Corona-Krise hat die Notwendigkeit, auf andere Protestformate überzugehen, nur verschärft.

Wichtig ist jetzt, dass wir alle darüber nachdenken, was wir aus den vergangenen Monaten gelernt haben und wie wir in Zukunft den Klimaschutz gestalten wollen. Bei der Corona-Krise wie auch bei der Klimakrise gilt der schöne englische Satz "Everybody matters“ – also jeder kann wirklich einen Beitrag leisten. Und das sehen wir ja gerade in vielen Gesellschaften. Ob das jetzt Corona ist oder die Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus in den USA. Es geht darum, dieses Gemeinschaftsgefühl zu stärken, dass es wirklich auf jeden einzelnen ankommt, dass jeder seinen Beitrag leisten kann, dass es überhaupt keinen Grund gibt, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern dass auch kleine Beiträge wichtig sind.

Herr Fischedick, vielen Danke für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Manfred Fischedick
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