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Neue Mobilität: Nach Corona fahren wir anders


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Städte im Umbruch
Neue Mobilität: Nach Corona fahren wir anders


Aktualisiert am 23.05.2020Lesedauer: 3 Min.
Mit Pylonen und Spraydosen: Während der Corona-Zeit entstehen in vielen Städten wie hier in Mailand (Italien) neue Pop-up-Radwege. Häufig werden sie später ausgebaut.Vergrößern des Bildes
Mit Pylonen und Spraydosen: Während der Corona-Zeit entstehen in vielen Städten wie hier in Mailand (Italien) neue Pop-up-Radwege. Häufig werden sie später ausgebaut. (Quelle: Claudio Furlan/LaPresse/AP/dpa)

Pop-up-Radwege und langsame Straßen: Weltweit reagieren Verkehrsplaner mit neuen Konzepten auf Corona. Vieles davon wird bleiben, wenn die Pandemie vorüber ist – und den Verkehr für immer verändern.

Nach Corona wird unser Leben nicht mehr so sein, wie es mal war. Das sagen Experten seit Langem, und das zeigt sich schon heute in unserem Alltag. Von der Digitalisierung bis zur Pflege – spätestens jetzt werden viele drängende Aufgaben unübersehbar.

Auch auf unseren Straßen ändert sich einiges. Mit verschiedenen Mobilitätsplänen bemühen sich die Städte, die Mobilität ihrer Einwohner zu gewährleisten und sie beim Einhalten der Corona-Bestimmungen zu unterstützen. Offensichtlichstes Beispiel sind die vielen Pop-up-Radwege, die nun in etlichen Städten entstehen. Teilweise über Nacht wird hier Platz für Radfahrer geschaffen, der vorher nicht da war.

Durch solche Maßnahmen habe der Fahrradverkehr in den Städten während der Pandemie "massive Impulse" erhalten, bestätigt der Mobilitätsforscher Stephan Rammler. Der Leiter des Berliner Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung sagt: "Im Fahrradverkehr etablieren wir gerade neue Routinen, es kommen neue Nutzer hinzu, die früher unter anderem wegen des dichten Autoverkehrs nicht mit dem Fahrrad gefahren sind."

Rammler meint: Radfahrer könnten künftig ein Drittel des Verkehrs in deutschen Städten ausmachen, wenn sich die Entwicklung fortsetzt. Dazu seien aber die entsprechenden politischen Entscheidungen und Ausbaumaßnahmen nötig. Zum Beispiel könnte eine staatliche Kaufprämie nicht auf Autos beschränkt bleiben, sondern auf Fahrräder ausgedehnt werden.

Tatsächlich sollen viele der aktuellen Corona-Maßnahmen nach der Pandemie erhalten bleiben und ausgebaut werden. So könnte das Virus unser Straßenbild langfristig verändern, indem der öffentliche Raum neu verteilt wird. Aber wie? Was weltweit getan wurde und wie sich der Nahverkehr ändern könnte, zeigt ein Überblick des International Transport Forum (ITF, 65 Mitgliedsstaaten).

Pop-up-Radwege

Wegen Corona und zu geringer Abstände meiden viele Fahrgäste derzeit Busse und Bahnen. Deshalb haben etliche Städte kurzfristig Straßen umgestaltet und neue Fahrspuren für Radler geschaffen. Diese "Not-Radwege" oder "Corona-Fahrspuren" entstehen ohne komplizierte bürokratische Verfahren. Wegbereiter dieser Idee waren Umbaumaßnahmen, wie sie in Sevilla (Spanien) und New York (USA) erfolgten.

Teilweise werden dazu die Fahrspuren für Autos verengt. In vielen Fällen wird auf der Fahrbahn auch Platz für Fußgänger geschaffen. Da der Autoverkehr während Corona ohnehin geringer ist, werde er durch die neuen Wege kaum beeinträchtigt, sagen Befürworter. Außerdem könnten durch neue, breite und sichere Radwege mehr Autofahrer zum Umsteigen aufs Fahrrad bewegt werden. Schon Ende April haben weltweit mehr als 150 Städte mitgemacht.

Tempo 30 auf vielen Pop-up-Wegen

Um die Sicherheit auf diesen Pop-up-Wegen zu erhöhen, gilt auf den Fahrbahnen häufig Tempo 30. Das ist vielen Autofahrern ein Dorn im Auge. Aber es sei die anerkannt höchste Geschwindigkeit, bei der gemischter Verkehr noch sicher sei, so das ITF.

Langsame Straßen

Das Absenken der Geschwindigkeit auf Tempo 30 ist auch Teil des Konzepts der langsamen Straße. Zwar ist sicherer Straßenverkehr natürlich immer das Ziel der Verkehrsentwickler. In diesem Fall aber geht das Konzept über die üblichen Maßnahmen hinaus:

  • Fußgängern, Radfahrern und Rollern wird Vorrang eingeräumt
  • Durchgangsverkehr wird verboten
  • geltende Höchstgeschwindigkeiten werden gesenkt
  • der Zugang für Autos wird eingeschränkt

Der Begriff der langsamen Straße bedeutet übrigens nicht späteres Ankommen – im Gegenteil: Indem die Geschwindigkeiten aller Verkehrsteilnehmer stärker angeglichen werden, fließt der Verkehr besser und die Fahrbahn kann mehr Fahrzeuge aufnehmen. Unterm Strich führt diese Methode deshalb schneller und auch sicherer ans Ziel.

Vorfahrt für Radler

In einigen Städten ist das Radfahren beliebter als in anderen. Zum Beispiel, weil hier bereits ein dichtes Netz an Radwegen besteht. Selbst in dieser guten Infrastruktur wird es jedoch für die vielen Radfahrer schwierig, den gebotenen Mindestabstand zueinander einzuhalten. Also wird mehr Platz benötigt – vor allem an belebten Kreuzungen, an denen Radfahrer während der Rotphase dicht gedrängt zusammen stehen.

Brüssel (Belgien) und andere Städte verändern deshalb die Ampelphasen, um Gedränge an der Kreuzung zu umgehen. Teils werden Ampeln abgeschaltet oder Radfahrer erhalten an Kreuzungen den Vorrang. So lässt sich dort eine hohe Personendichte vermeiden.

Kombination der Maßnahmen

Dass es nicht bei einzelnen Maßnahmen bleiben muss, zeigt beispielsweise Mailand (Italien). Dort werden die Konzepte kombiniert. Auf den "Strade Aperte" ("Offene Straßen") entstehen Pop-up-Radwege, außerdem werden die Bürgersteige verbreitert, verkehrsberuhigte Tempo-30-Zonen ausgeweitet, mehrere Plätze in Fußgängerzonen umgewandelt und gemischte Verkehrsbereiche mit 20 km/h Höchstgeschwindigkeit geschaffen.

Übrigens sind die Straßen während der Pandemie nicht nur leerer geworden, sondern auch sicherer. Frankreich etwa meldete im März 40 Prozent weniger Unfalltote, Kalifornien 50 Prozent. Allerdings ging die Zahl der Opfer weniger zurück als das Verkehrsgeschehen während des Lockdowns. Der Grund: Auf den leeren Straßen wurde schneller gefahren.

Verwendete Quellen
  • International Transport Forum
  • Nachrichtenagentur AFP
  • Eigene Recherche
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