Tricks beim Testverfahren Hersteller schummeln immer mehr bei Angaben zum Spritverbrauch
Bis zu 50 Prozent liegt der Spritverbrauch bei einzelnen Automarken über dem Laborwert. Nach einer Studie des Forschungsinstituts ICCT, die dem "Spiegel" vorliegt, fallen deutsche Premiumhersteller besonders krass aus dem Rahmen.
Der reale Spritverbrauch und damit der CO2-Ausstoß von Pkw unterscheidet sich stark von den Werten, die die Autokonzerne angeben. Besonders groß sind die Abweichungen bei Audi und Mercedes, gefolgt von BMW. Dies geht aus einer Studie des Forschungsinstituts ICCT hervor, die dem "Spiegel" vorliegt. (Lesen Sie mehr zum Thema hier im aktuellen "Spiegel").
So schluckt der Audi A6 50 Prozent mehr als im Prospekt angegeben, die neueste Mercedes E-Klasse 45 Prozent, der 5er-BMW immerhin 40 Prozent mehr. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit hat in den letzten Jahren stark zugenommen. "Ein Zusammenhang zwischen der Einführung strenger Grenzwerte und der zunehmenden Schummelei ist mehr als deutlich zu erkennen", sagte ICCT-Studienautor Peter Mock dem "Spiegel". Die ICCT-Studie hat die Daten von einer halben Million Serienautos ausgewertet.
Verbraucherschützer und Umweltverbände bemängeln seit Langem, dass der Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ), nach dem der Normverbrauch eines Autos ermittelt wird, den realen Alltag im Auto in keiner Weise abbildet. Nicht einmal die Autohersteller selbst seien glücklich mit dem derzeitigen Verfahren, sagt auch die Deutsche Umwelthilfe. Es biete zu viele Schlupflöcher und Ausweichmöglichkeiten und verzerre damit den Wettbewerb.
Der Test verzerrt aber auch das Verbrauchsverhalten der Autos. Die Autohersteller stimmen oft die Entwicklung auf einen optimierten Normverbrauch ab, was im Alltag im Extremfall sogar zu einem ungünstigeren Verbrauchsverhalten führt. Alles dreht sich darum, die Schlupflöcher auszunutzen, die die Grauzonen des NEFZ offenlassen. Die Verwendung besonders gut eingefahrener Prüffahrzeuge, rollwiderstandarmer Reifen oder von Hochleistungsschmierstoffen sind dabei noch die einfachsten Mittel. Laut ICCT entfernen die Hersteller sogar Teile der Basisausstattung, um das Fahrzeuggewicht zu senken, bevor sie das Testfahrzeug zum NEFZ-Labor schicken. Außerdem werden die Reifen über den maximalen Luftdruck hinaus aufgepumpt, um den Rollwiderstand zu senken. Für eine bessere Aerodynamik werden teilweise Türschlitze und Kühlergrill verklebt.
Blackboxes erkennen Laborfahrt
Doch der Aufwand reicht noch viel weiter: Bordcomputer der neuesten Generation können erkennen, wenn sich das Auto auf einem Rollenprüfstand befindet, und daraufhin in einen optimierten Testmodus schalten. Für die Prüfer ist es unmöglich, solche Manipulationen zu erkennen.
Kein Wunder also, dass nicht nur das ICCT, sondern fast alle Tests erhebliche Diskrepanzen zwischen Norm- und Alltagsverbrauch zutage fördern. Die Autohersteller räumen das Problem sogar ein, weisen jedoch darauf hin, dass der NEFZ-Test lediglich einen Wert ermittle, der die Energieeffizienz aller Autos miteinander vergleichbar mache. Mehr könne er auch nicht leisten.
Über die Ablösung des Testverfahrens wird heftig gestritten. Zur Diskussion steht ein Verfahren namens WLTP (World Light Vehicles Test Procedure), das die Vereinten Nationen im November vergangenen Jahres verabschiedet haben. Es sieht eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h statt bisher 120 Km/h vor, eine stärkere Beschleunigung sowie eine Temperatur in der Testanlage von 23 statt 30 Grad. Wann WLTP kommt, ist allerdings unklar, weil es den Parlamenten der beteiligten Staaten selbst oblieg, das Messverfahren als nationales Recht einzuführen. Die meisten Nationen wollen die Methode ab Oktober 2015 zum Standard der Verbrauchsermittlung machen. In Deutschland soll es 2016 oder 2017 so weit sein.