"Laternenparker" Dieses Urteil hat Deutschlands Straßenbild dauerhaft verändert

Die Zahl der Autos in Deutschland steigt immer weiter. Parkende Fahrzeuge gehören zum normalen Straßenbild – doch das war bis in die Sechzigerjahre anders.
Der deutsche Pkw-Bestand nähert sich langsam der 50-Millionen-Grenze. Zum Jahresstart zählte die Flotte 49,34 Millionen Fahrzeuge, rund 240.000 Autos mehr als noch ein Jahr zuvor. Viele davon stehen, zumindest in größeren Städten mit vielen Mehrfamilienhäusern, im öffentlichen Straßenraum. Rund 160 Millionen Stellplätze soll es deutschlandweit geben, heißt es vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) – ganz genau belegen lassen sich diese Zahlen nicht. Jedes einzelne Fahrzeug beansprucht 10 bis 15 Quadratmeter. Das Bild vieler Straßen wird von parkenden Autos geprägt. Doch das war nicht immer so.
Warum das Parken auf der Straße erlaubt wurde
Bis 1966 war das Parken auf öffentlichen Straßen offiziell verboten: Bis dahin galt die sogenannte Reichsgaragenordnung, die davon ausging, dass Kraftfahrtzeuge auf privatem Grund geparkt werden. Wer ein Auto zulassen wollte, musste nachweisen, dass er einen Stellplatz hat. Doch die Zahl der Autos wuchs, auch aufgrund staatlicher Maßnahmen, ab Ende der Fünfzigerjahre enorm: Am 1. Juli 1963 kam auf acht Einwohner in der Bundesrepublik ein Auto – und der Parkplatzmangel wurde sichtbar, vor allem für gewerbliche Fahrzeuge.
Ein Bremer Kaufmann stellte seinen Lieferwagen deshalb unter einer Laterne auf der Straße ab – und wurde prompt zur Zahlung eines Bußgelds verdonnert. Der Mann wehrte sich. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit und vergeblichen Klagen des Bremer Senats kam es zu einem wegweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, dem sogenannten "Bremer Laternenparker-Urteil" (Aktenzeichen: BVerwG IV C 2.65): Das Parken von Autos auf öffentlichen Flächen war damit offiziell erlaubt.
Auch, wenn den Gemeinden die genaue Ausgestaltung offengelassen wurde: Seit diesem Urteil gehörten parkende Autos zum normalen Straßenbild dazu.
Förderung von Autos als Staatsziel
"Das Gericht stellte [...] eindeutig fest, dass die Förderung des Autos als ein Staatsziel zu verstehen sei, dass es dafür aber nicht ausreichend private Stellflächen gebe und es durchaus als Teil des Gemeinwohls anzusehen sei, wenn Fahrzeuge auch öffentlich geparkt werden können", schreibt der Mobilitätsforscher Andreas Knie in einem Essay in der Zeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte" (APuZ). In einem anderen Beitrag nennt er das Urteil die "Erbsünde der deutschen Verkehrspolitik", das die Interessen anderer Verkehrsteilnehmer hinter die Interessen der Autofahrer stellte.
Mittlerweile hat das oberste deutsche Verwaltungsgericht entschieden, dass Bürger ein Klagerecht gegen die Privatisierung des öffentlichen Raumes haben. Sie können die Verkehrsbehörden zum Einschreiten zwingen – allerdings nur dort, wo sie unmittelbar betroffen sind, so Knie.
- adfc.de: "Parken im öffentlichen Raum"
- klimareporter.de: "Die uneingeschränkte Herrschaft des Autos im öffentlichen Raum ist vorbei"
- auto-motor-und-sport.de: "Parken in der Stadt: Gebühren, Bürgersteig, Laternenparker – aktuelles Urteil"
- bpb.de: "Deutschlands Weg in die Automobilgesellschaft"
- taz.de: "Parkende Autos"