Erste Fahrt Ford startet mit dem Explorer in der Kompaktklasse durch
Es hat zwar etwas gedauert, doch jetzt stellt Ford dem Mustang Mach-E den elektrischen Explorer für die Kompaktklasse zur Seite. Hat sich das Warten gelohnt?
Kurz zusammengefasst:
- Ford bringt mit dem elektrischen Explorer ein neues Modell in der Kompaktklasse auf den Markt.
- Der Explorer nutzt den Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) von VW und bietet eigenständige Innenraumlösungen.
- Technisch übernimmt Ford die Antriebe und Akkus von VW, differenziert sich jedoch durch Fahrwerk und Fahrerlebnis.
Niedersächsisch, Bayerisch, Tschechisch, Spanisch – und jetzt auch noch Kölsch: Kaum eine Elektroplattform in der PS-Welt ist so weit herum gekommen wie der Modulare E-Antriebs-Baukasten (MEB) aus Wolfsburg. Nachdem VW darauf Autos wie den ID.3 oder den ID.4 gebaut hat und die Tochtermarken Audi, Skoda und Cupra ebenfalls zugriffen, bedient sich jetzt auch noch Ford aus diesem Teilesatz.
Im Sommer wird der Ford Explorer als erstes elektrisches Volumenmodell nach dem Mustang Mach-E auf den Markt kommen. Der Einstiegspreis beträgt zunächst 49.500 Euro. Später im Jahr folgt eine abgespeckte Basisversion, und der Preis fällt auf 42.500 Euro.
Mit Kanten und Charakter
Dafür gibt es einen modernen Crossover, dem man weder die Verwandtschaft zu ID.3 und ID.4 ansieht noch eine Nähe zum amerikanischen Namensvetter unterstellt. Denn Erstere sind rund und weichgespült wie Kiesel am Strand und Letzterer ist ein kolossaler Geländewagen der alten Schule, den es – um die Verwirrung komplett zu machen – als Plug-in-Hybrid auch bei uns zu kaufen gibt.
Der Kölner Explorer wiederum leistet sich Ecken und Kanten – und ein kompaktes Format. Denn mit 4,47 Metern ist er deutlich kürzer als ein konventionell angetriebener Ford Kuga und steht genau zwischen den Modellen aus der Wolfsburger Wahlverwandtschaft.
VW-Standard trifft kölsche Cleverness
Innen sind die Familienbande des MEB dagegen deutlich sichtbarer. Zumindest rund ums Lenkrad, das sich die gleichen Sensortasten leistet, die VW so viel Ärger eingebracht haben. Der Startknopf ist hier wie dort gut versteckt. Es gibt auch im Explorer einen viel zu kleinen Bildschirm hinter dem Lenkrad, und auch die Kölner lassen Fahrerinnen und Fahrer die Fahrrichtung sowie die zweite Rekuperationsstufe mit einem Lenkstockhebel wählen.
Kurz danach ist es allerdings vorbei mit der Ähnlichkeit. Denn vor allem in der Mittelkonsole gibt es eine ebenso eigenständige wie pfiffige Lösung: Hinter dem senkrecht montierten 15-Zoll-Tablet hat Ford ein Geheimfach für Handy & Co eingebaut, das an der Zentralverriegelung hängt und so im geschlossenen Auto zur Sicherheitszone wird wie der Safe im Hotelzimmer.
Und zwischen den Sitzen gibt es eine Konsole, die variabler ist und mehr Staudamm bietet als mancher Küchenschrank. Schon ab Werk bietet der Explorer dafür mehrere Einlagen und Raumteiler, die man vielfältig zwischen den Sitzen verteilen kann. Und auf der Website noch viel mehr: als kostenlosen Datei-Download für den heimischen 3D-Drucker.
Großer Kofferraum aber kein Frunk
Wer keine Kleinigkeiten verstauen will, sondern großes Gepäck, dem bietet der Explorer 536 bis 1.422 Liter Kofferraum – und eine Enttäuschung beim Blick unter die Fronthaube. Denn auch in Köln haben sie es offenbar nicht geschafft oder für nötig befunden, das erste MEB-Modell mit einem Frunk zu bauen, der für E-Autos typischen Ablage unter der Fronthaube.
Antrieb und Akkus wie bei VW
Weil es bei der Kooperation vor allem um Zeitgewinn ging und darum, die Kosten im Griff zu halten, hat Ford den Antrieb 1:1 von VW übernommen. Das Einstiegsmodell kommt deshalb zum Jahresende mit einem 125 kW/170 PS starken Heckantrieb und einem Akku von 59 kWh, der knapp 400 Normkilometer ermöglichen soll.
Wer vorher ans Steuer will, mehr Power braucht und eine größere Reichweite, der hat schon jetzt die Wahl zwischen 210 kW/286 PS und 77 kWh für bis zu 602 Kilometer oder 250 kW/340 PS, Allradantrieb und 79 kWh, mit denen dann bestenfalls 566 Kilometer machbar sind. Und das bei jeweils bis zu 180 km/h Spitzengeschwindigkeit.
Wer diesen Wert auch in der Realität erreichen will, der sollte die Wärmepumpe für eine effiziente Klimatisierung mitbestellen, die es genau wie die Anhängerkupplung oder das Panoramadach nur gegen Aufpreis gibt. Geladen wird der kleinere Akku zwar nur mit 135 kW, während der große 185 kW schafft – in der Praxis ändert das nichts an den Standzeiten: Hier wie dort dauert es von zehn auf 80 Prozent knapp eine halbe Stunde.
Mehr Engagement beim Fahren
Auch wenn Antrieb und Akkus identisch sind, präsentiert sich der Explorer dem Fahrer mit einem eigenen Charakter. So wie ein Ford Focus immer etwas bestimmter und engagierter gefahren ist als ein VW Golf, fühlt man sich im Explorer auch etwas näher an der Straße als im ID.4, weil das Fahrwerk etwas straffer abgestimmt wird. Man spürt mehr Präzision und Rückmeldung in der Lenkung und hat deshalb insgesamt etwas mehr Spaß beim Fahren, zumal der Explorer wie alle MEB-Autos sehr wendig ist und wie alle Elektroautos einen sehr sportlichen Antritt hat.
Einzig das Bremsen ist für viele Explorer-Fahrer ein Problem, weil er – schönen Dank auch nach Wolfsburg – nicht so recht mit einem Pedal alleine zu fahren ist. Denn auch in der stärkeren Rekuperationsstufe reicht es nicht, einfach den Fuß vom Fahrpedal zu nehmen, um bis zum Stillstand zu verzögern.
Fazit: Einer geht noch
Sie nutzen zwar alle die gleichen Komponenten. Doch hat Ford es mit dem Explorer geschafft, aus dem Wolfsburger MEB-Einerlei noch einmal ein eigenständiges Auto zu bauen, das vor allem im Innenraum und beim Fahren tatsächlich einen Unterschied macht. Indes auch beim Preis. Denn insbesondere bis zum Debüt des Basismodells ist der Explorer spürbar teurer als ID.3 und ID.4.
Ford wird es dabei nicht belassen. Die Kölner wollen zum Jahreswechsel mit einem elektrischen SUV-Coupé einen weiteren Charakterkopf aus dem MEB-Hut zaubern.
- Nachrichtenagentur dpa