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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Urlaub mit Hindernissen Wie barrierefrei sind Kreuzfahrten?
Die Kreuzfahrt ist eine schöne Mischung aus Resorturlaub und Rundreise. Gilt das auch für Passagiere mit Einschränkungen? Frei von Hindernissen ist so ein Urlaub in jedem Fall nicht.
Die Kreuzfahrt gilt gemeinhin als entspannte und sorgenlose Reiseform. Für gesunde Menschen mag das durchaus so sein. Menschen mit Behinderungen müssen den Urlaub auf See aber rechtzeitig und minutiös vorbereiten – und sie sollten die möglichen Hindernisse kennen.
Das Thema Barrierefreiheit ist vielschichtig: "Allein die verschiedenen Formen und Grade der Behinderungen, aber auch die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen sind für Veranstalter eine große Herausforderung", sagt Karl B. Bock von Runa Reisen, einem Spezialveranstalter für Menschen mit körperlichen Einschränkungen.
Menschen mit eingeschränkter Mobilität finden auf den Webseiten der Reedereien zwar allgemeine Informationen und Links zu standardisierten Fragebögen. Trotzdem sind viele Details zu klären.
Begleitpersonen und Blindenhunde
Oft fordern die Reedereien zum Beispiel eine betreuende Begleitperson in der Kabine. Nur bei dem Anbieter Costa darf diese in bestimmten Fällen kostenlos mitfahren. Wer Probleme mit dem Sehen und Hören hat, muss sich bei der Servicehotline erkundigen, ob er sich auf dem Schiff ungehindert bewegen und verständigen kann. Nicht alle Reedereien lassen zum Beispiel Blindenhunde an Bord.
Wenn Urlauber mit Mobilitätseinschränkungen frühzeitig buchen, können sie eine der wenigen geräumigeren barrierefreien Kabinen in der Nähe der Aufzüge beziehen. Breite Türen, spezielle Handläufe und rollstuhlgerechte Waschbecken sowie ein Notfalltelefon erleichtern ihnen dann den Aufenthalt. Wie hoch aber das Bett und der WC-Sitz sind, müssen sie in einigen Fällen dann doch vorab erfragen.
Barrierefrei auf dem Fluss unterwegs
Schiffe, die explizit für Menschen mit einer Behinderung konzipiert wurden, gibt es fast nicht. Eine Ausnahme ist das Flussschiff "Viola" von Phoenix Reisen, das erste rollstuhlgerechte Schiff auf dem deutschen Markt. 34 der 50 Kabinen sind für Menschen mit eingeschränkter Mobilität ausgestattet. Bei Bedarf fährt der Malteser Pflegedienst mit. "Das ist in erster Linie ein Angebot für Gäste, die sonst nicht aufs Schiff könnten", erklärt eine Sprecherin von Phoenix Reisen und kündigt an: "Demnächst werden wir das Schiff auch für Seh- und Höreingeschränkte tauglich machen."
In der Hochseekreuzfahrt stehen immerhin Rollstühle für die Ein- und Ausschiffung sowie für Notfälle bereit. Damit können Passagiere, die Rollatoren oder Stöcke benutzen, längere Strecken bewältigen. Auf dem Schiff sind leicht erreichbare Plätze in den Hauptrestaurants und im Theater Behinderten vorbehalten. Und es gibt Behindertentoiletten.
Der Anbieter Aida informiert zum Beispiel am ersten Tag in einem Barrierefrei-Treff über die Möglichkeiten. Im Sportprogramm der "Aida Cara" und der "Aida Stella" gibt es Ausdauertraining für Gehbehinderte. So zuvorkommend das auch klingt, es gibt Einschränkungen – und die eigentlichen Hürden lauern woanders.
Der Weg zum Schiff ist ein großes Hindernis
Hochseekreuzfahrten beginnen oft mit der Anreise über einen Flughafen. Laut EU-Recht müssen Personen mit Behinderung unterstützt werden. Doch das muss vorab genauso aufwendig geklärt werden wie die Details mit der Reederei. "Wir raten, das Ganze über ein Reisebüro abzuwickeln", sagt eine Sprecherin von Tui Cruises. "Denn da sind Formulare auszufüllen, und vieles muss im Einzelnen beachtet werden, etwa, was den Akku eines elektrischen Rollstuhls angeht."
Die Reedereien empfehlen Rollstuhlfahrern, einen flexiblen Handrollstuhl mit Zusatzbetrieb mitzunehmen. Die meisten Anbieter organisieren einen Sondertransfer. Bei der "Mein-Schiff"-Flotte beispielsweise ist er kostenlos, wenn der Flug über Tui Cruises gebucht ist. Ansonsten hilft das Personal beim Ein- und Ausstieg und hat vorne im Bus spezielle Sitzplätze reserviert.
Beim Check-in am Schiff müssen sich Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder einer anderen Behinderung nicht in die Schlange stellen. Geschultes Personal hilft die Gangway hinauf. Im Innern jedoch erschweren hochflorige Teppiche in Kabine und Gängen die Fortbewegung mit Rollstuhl oder Rollator. Treppen, Stufen und Schwellen schränken die Bewegungsfreiheit ein.
Landgänge sind häufig nicht möglich
Vor allem aber sind etliche Landausflüge nicht behindertengerecht. In Tenderhäfen dürfen Rollstuhlfahrer und Blinde das Schiff in der Regel wegen Sicherheitsbedenken nicht verlassen.
In Tenderhäfen dürfen Kreuzfahrtschiffe aufgrund ihres Tiefgangs nicht direkt am Pier eines Hafens anlegen und müssen deshalb außerhalb des Hafenbeckens ankern. Die Passagiere kommen dann mit einem Tenderboot zur Küste.
Das ärgert Rüdiger Leidner vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband: "Ich finde ein Schiff, mit dem ich klar komme, und mir macht es auch keine Probleme, mit der Hilfe meiner Frau in ein kleines Tenderschiff zu steigen", sagt er. Doch da wollen die meisten Reedereien aus Haftungsgründen kein Risiko eingehen.
Deshalb muss auch die Route wohlüberlegt werden. Legt das Schiff im Hafen direkt an? Gibt es Niederflurbusse für Ausflüge? "In Europa kann man am ehesten am Kai anlegen und mit einer guten Infrastruktur rechnen", sagt Hans Langen, Generalmanager auf der "Mein Schiff Herz". "Abgesehen vielleicht von der einen oder anderen kleinen griechischen Insel." Auf anderen Kontinenten wird es schwierig.
"In der Karibik werden oft Reede- und Tenderhäfen angelaufen, und in Asien ist die Infrastruktur häufig nicht barrierefrei", bestätigt eine Aida-Sprecherin. Immerhin können Gehbehinderte mit einem faltbaren Rollstuhl bei Aida tendern, wenn sie sich sicher fühlen.
Fehlende Signale für Blinde und Gehörlose
"Sehbehinderte brauchen kontrastreiche Farben, um sich zu orientieren", sagt Rüdiger Leidner. Das werde nicht überall beachtet. Wer nicht oder sehr schlecht sieht, bucht am besten eine Kabine in Aufzugsnähe, denn Kabinenbeschilderungen für Blinde gibt es in den langen Gängen nicht. Die wichtigsten Einrichtungen und die Aufzüge sind in Profil- oder Brailleschrift gekennzeichnet.
Wie aber soll ein Blinder wissen, auf welchem Deck der Aufzug gerade hält? Hier setzt die "MSC Grandiosa" zum Beispiel mit Sprachsignalen neue Standards – allerdings auf Englisch.
Schwerhörige müssen vorab in Erfahrung bringen, ob an der Rezeption eine induktive Höranlage vorhanden ist. Die Anzahl von Kabinensets zur visuellen und taktilen Wahrnehmung akustischer Signale ist begrenzt, sofern es sie überhaupt auf dem gewählten Schiff gibt. Da heißt es wie bei der barrierefreien Kabine: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Und was ist bei einer eventuellen Evakuierung? Dafür wird das Personal eigens geschult. So hilft an jedem Treppenabsatz ein dafür eingewiesenes Besatzungsmitglied. Doch für den Weg von der Kabine bis dahin muss auf den meisten Schiffen die Begleitung sorgen. Ob das Schiff mit speziellen Alarmsystemen wie Vibrationsalarm im Bett, Warnleuchten und natürlichen Tonsignalen ausgestatten ist, sollten Seh- und Hörgeschädigte ohnehin vorab klären.
- Nachrichtenagentur dpa