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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Deutschland Die engste Straße der Welt
Einen Blick in die Vergangenheit der mittelalterlichen Stadt Reutlingen in Baden-Württemberg erhält man beim Gang durch die Spreuerhofstraße. Das Nadelöhr ist an seiner schmalsten Stelle lediglich 31 Zentimeter breit und damit bekam die Straße 2007 den Eintrag ins Guinnessbuch der Weltrekorde. So wurde sie zum Touristen-Magneten und doch ist sie nichts für Menschen mit Angst vor engen Räumen: Wer durch die Gasse will, muss den Bauch einziehen - und der Rekord ist in Gefahr. Sehen Sie die Straße mit Superlativ auch in unserer Foto-Show.
Attraktion für Kinder
Die Spreuerhofstraße wird von Reutlinger Stadtführern als Geheimtipp präsentiert. Schon lange ist sie eine Attraktion für Kinder und Jugendliche, die versuchen, sich durch den engen Weg hindurch zu zwängen. Ein etwas fülliger Erwachsener muss da manchmal passen, was immerhin für so manchen Lacherfolg sorgt. Weitaus ernster waren die historischen Gründe für den Bau der engen Straße.
Fluchtweg und Milchgasse
Aus einem Bericht aus dem Jahr 1727 geht folgendes hervor: Ein verheerender Stadtbrand zerstörte 1726 das Spreuerhof-Areal. Der Spreuerhof war ursprünglich ein Getreidelager für das Reutlinger Spital. Die im Anschluss an den Brand wiedererrichteten Gebäude ließen nur schmale Durchgangsgassen frei und spiegeln die provisorische Notarchitektur wider, der jegliches Bebauungskonzept fehlte. Vermutlich wurde die Gasse später auch als Fluchtweg bei Bränden genutzt. Außerdem war es möglich, dass die Straße in der Zeit ohne Kühlaggregate als Milchgasse diente. So konnte die Milch möglichst schnell und ohne Umwege zur Sammelstelle zu transportiert werden. Tatsache ist, dass der enge Durchgang als Ortsweg Nr. 77 im Katasteramt ausgewiesen und damit offiziell als Straße ausgewiesen ist.
Nachbarn lebten eng zusammen
Heute können die Besucher Reutlingens Wissenswertes über die Stadt erfahren, wenn sie die Spreuerhofstrasse besichtigen. Wenn sich die Besucher in dem Innenhof befinden, können sie sich gut in die Situation der Menschen vergangener Tage hineinversetzen. Wie eng die Bürger der Stadt südlich von Stuttgart nebeneinander gewohnt haben, wird dann besonders deutlich. Noch heute ist die Spreuerhofstraße im kommunalen Besitz und im Stadtplan verzeichnet.
Weltrekord durch marodes Haus in Gefahr
Doch nun ist die engste Straße der Welt bedroht: Eines der beiden Gebäude, zwischen denen der schmale Durchgang verläuft, ist baufällig. Nun sucht die Stadt händeringend nach einer Lösung. Doch die ist nicht so einfach. Das zur einen Seite angrenzende Haus neigt sich zur Wand des gegenüber liegenden Hauses; sie ist marode und müsste dringend saniert werden. Passiert dies nicht, muss die Straße möglicherweise schon im kommenden Jahr geschlossen werden - und Reutlingen hätte eine Touristen-Attraktion weniger. Wer allerdings Kosten tragen soll ist fraglich, schließlich hat allein die Stadt einen Nutzen vom Weltrekord, indem sie damit werben kann. Zu teuer darf die Aufrechterhaltung für den Stadtsäckel allerdings nicht sein. Und so lohnt es sich für Besucher, die Straße, recht bald anzugucken.