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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aktiv- & Skiurlaub Angeln auf dem Dach Europas
Ein absolutes Highlight unter den Angelmöglichkeiten in Europa ist erstaunlicherweise eher ein Geheimtipp. Denn auch in den Alpen kann man hervorragend angeln - und das in einer Landschaft, bei der man wohl nicht erwähnen muss, wie beeindruckend sie ist. Neben natürlichen Fischbeständen weisen viele Bergseen auch künstlichen Besatz auf. Wir geben Tipps für das Angeln in den Alpen.
Angeln in der Bergwelt der Alpen
Kühl ist es hier noch, so früh am Morgen. Der Pfad führt in ein schmales Seitental des Valle di Vergelleto, einen abgelegenen Winkel der Tessiner Bergwelt. Es duftet nach feuchtem Gras und Wald. Ein paar dutzend Schritte entfernt rauscht der Bach. Im Rucksack sind Proviant und Ausrüstung, an der Seite hängt eine drei Meter lange Spinnrute. Die Füßen stecken in schweren Bergstiefeln. Der Anmarsch zum See wird etwa drei Stunden dauern und führt zum Teil durch schweres Gelände. Gewiss kein Sonntagsspaziergang. Doch die Anstrengung lohnt sich. Ziel der Tour ist der Lago d'Alzasca in 1855 Metern Höhe, ein traumhaft schönes Gewässer in einer geradezu mythisch anmutenden Landschaft. Und mit einem überaus guten Fischbestand.
Der besagte See ist nur einer von zahlreichen seiner Art. Man findet sie in den Höhenlagen der Alpen, in Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Viele davon sind natürlich entstanden, andere wiederum von Menschenhand gemacht - Stauseen für die Energiewirtschaft. Ihr kaltes, meist kristallklares Wasser beherbergte ursprünglich nicht immer Fische. Nur solche Hochgebirgsseen, die über einen Bach ohne steile Wasserfälle Anschluss an ein Flusssystem hatten, konnten am Ende der letzten Eiszeit von Schuppenträgern besiedelt werden. Dazu gehörten hauptsächlich Bachforellen (Salmo trutta f. fario), Seesaiblinge (Salvelinus alpinus) und die nur fingerlangen Elritzen (Phoxinus phoxinus).
Fischbesatz in Bergseen oft künstlich
Der Mensch hat in den vergangenen anderthalb Jahrhunderten allerdings kräftig nachgeholfen und vielen, ursprünglich fischfreien Höhengewässern zu einer eigenen Population verholfen. Dazu wurden - und werden vielerorts noch immer - nicht nur die drei oben genannten Spezies eingesetzt, sondern auch die Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss), der Bachsaibling (Salvelinus fontinalis) und der Kanadische Seesaibling (Salvelinus namaycush), alle drei aus Nordamerika stammend. Eine künstliche Artenvielfalt, sozusagen. Zur Begeisterung zahlreicher Angler. Meistens sind es jedoch Einheimische, die in Hochgebirgsseen ihr Glück versuchen. Petrijünger aus flacheren Gefilden wissen oft gar nicht, welch faszinierende Angelmöglichkeiten sie auf dem Dach Europas erwarten.
Schneller Erfolg am Lago d'Alzasca
Hinter ein paar verlassenen Ställen steigt der Weg im Zickzack steil an. Der Atem geht schneller. Höchste Zeit, den Pullover auszuziehen. Kurz darauf beginnt sich der Wald langsam zu lichten. Man nähert sich der Baumgrenze. In 1737 Metern Höhe liegt die Alpe di Doia: Wiesen, Wildblumen, Schmetterlinge und überall Schafe mit ihren Lämmern. Eine kurze Pause. Brot mit Butter und der landestypische "Formagella" schmecken hier oben noch mal so gut. Und weiter. Die letzten Bäume sind ein paar urwüchsige Lärchen. Der Wind flüstert geheimnisvoll in ihren Ästen, sonst ist es ungewohnt still. Auf einem Stein genießt eine kleine Aspisviper die Sonne. Noch gut 200 Meter geht es aufwärts, bis man die Bocchetta di Doia, einen kleinen Pass auf dem Bergkamm, erreicht. Mit 2020 Metern über Meeresniveau ist dies der höchste Punkt der Wanderung. Sicher, man kann den Lago d'Alzasca auch über eine weniger anstrengende Route vom Valle Maggia aus erreichen, aber dann kommt man nicht in den Genuss dieses großartigen Ausblicks. Was ein Jammer wäre.
Der smaragdgrüne See leuchtet einem schon beim Abstieg immer wieder entgegen. Klippen und Gebüsch säumen jetzt den Weg. Nach insgesamt zwei Stunden und 50 Minuten ist man schließlich am Ziel. Doch zunächst von Fischen keine Spur. Das Wasser wirkt an vielen Stellen abgrundtief. Wo anfangen? Am Ostufer verlässt ein Bach den Lago. Solche Abflüsse und Einmündungen sind immer einen Versuch wert. Die Rute wird montiert, am Schnurende baumelt ein mittelgroßer Spinner mit dunklem Blatt. Die ersten Würfe. Nichts regt sich, außer ein paar herumschwirrenden Insekten. Doch dann schießt eine silbrige Kreatur aus der Tiefe hervor. Das Tier stürzt sich auf den künstlichen Köder und springt dabei mehrere Handbreit über die Wasseroberfläche. Kurz darauf kann eine 35 Zentimeter lange Regenbogenforelle sicher an Land geholt werden. Wirklich ein guter Anfang.
Köderfischsystem als Alternative zum Kunstköder
Der Erfolg stellt sich allerdings nur selten so schnell ein. Das Wasser ist in vielen Hochgebirgsseen dermaßen klar, dass Fische Verdächtiges bereits auf große Distanz erkennen können. Die Folge: Sie fallen kaum noch auf Kunstköder herein. Der Angler sieht sie manchmal argwöhnisch hinter Spinnern oder Wobblern her schwimmen und hat dann natürlich das Nachsehen. Nur in der Dämmerung sind die Chancen etwas besser. Oder man greift zu einem raffinierten Trick.
In der gesamten Alpenregion ist die Verwendung von Köderfischsystemen sehr beliebt. Eine tote Elritze zum Beispiel lässt sich gut auf einen kleinen Stift aus Blei mit zwei kurzen Schnurstücken und daran zwei Mini-Drillingshaken montieren. Je eine davon wird links und rechts in den Flanken des Köderfisches befestigt. Schon kann es losgehen. Ein solches System wird ähnlich wie ein Gummiköder gefischt. Man lässt das beschwerte Fischlein in die gewünschte Tiefe absinken und holt es dann mit zupfenden Bewegung ein. Diese Methode hat schon viele prächtige Kanadische Seesaiblinge und andere Bergsee-Bewohner an den Haken gebracht. Entsprechende Systeme sind vielerorts in Angelläden erhältlich, Elritzen lassen sich leicht mit einer Ködersenke an den Seeufern fangen. Auch kleine Weißfische oder Barsche aus einem tiefer gelegenen Gewässer sind geeignet.
Stauseen bieten ebenfalls guten Fischbestand
Das Angeln im Hochgebirge ist nicht ausschließlich ein Privileg fitter Wanderer. Diverse fischreiche Stauseen wie der berühmte Lago Ritòm in der Region um den Sankt Gotthard-Pass können über schmale Straßen mit dem Auto erreicht werden. Manche solcher Pisten muten gleichwohl sehr abenteuerlich an. Wer Angst vor steilen, ungesicherten Abhängen hat, sollte vielleicht doch lieber zu Fuß gehen.
Fünf Stunden sind vergangen, das Wetter ist wunderbar sonnig geblieben. Es wird Zeit für den Heimweg. Zum ersten Fisch des Tages ist noch eine etwas kleinere Bachforelle hinzugekommen. Man blickt auf die atemberaubend schöne Bergwelt und freut sich schon auf den nächsten Besuch hier. Wer länger bleiben möchte, kann in der nahegelegenen Hütte "Cappana d'Alzasca" preiswert übernachten und in der Gemeinschaftsküche sogar seinen eigenen Fang zubereiten. Weitere Information unter www.cas-locarno.ch.